Symbolbild: Ein Handwerk liegt unter einem Abflussrohr und versucht, es zu reparieren.
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Handwerker, die in der Not helfen, können ein Segen sein, aber es gibt auch wenig hilfreiche Abzocker unter ihnen.

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Wenn der Handwerker-Notdienst zur Abzocke wird

Wenn der Handwerker-Notdienst zur Abzocke wird

Wer sich in den Abendstunden oder an Feiertagen aussperrt oder plötzlich keinen Strom mehr hat, ruft nicht selten einen Notdienst. Man kann dabei aber eine böse Überraschung erleben – wie auch ein Seniorenheim im Landkreis Neu-Ulm.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

Draußen ist es schon dunkel, als im Seniorenzentrum der Diakonie in Nersingen der Strom ausfällt. Die Mitarbeiter entdecken, dass Rauch aus einer Steckdose kommt. "Wir dachten, das ist vielleicht ein Kabelbrand in der Wand? Wir haben 40 Bewohner, die teilweise dement sind und möchten nicht, dass hier ein Feuer ausbricht", erklärt Pflegedienstleiterin Antje Grimme. Also verständigen die Mitarbeiter einen Notdienst. Doch der schafft mehr Probleme, als er löst.

Handwerker drängt auf sofortige Bezahlung

Obwohl die beiden Handwerker nämlich Material in Höhe von über 600 Euro verbauen, fließt der Strom im ersten Obergeschoss nicht. Bevor sie wieder gehen, stellen sie eine Forderung über fast 2.200 Euro. "Unsere Mitarbeiterin wollte das nicht begleichen, wurde von den Handwerkern aber regelrecht dazu gedrängt, die Summe sofort per EC-Karte zu überweisen. Durch den Druck hat sie dann bezahlt", sagt Milka Vasiljevic vom Seniorenheim.

Auf der Rechnung findet sich der Posten "Arbeitskosten" mit 69,80 Euro je angefangener Viertelstunde, ein "Abendzuschlag" über 279,60 Euro für beide Handwerker und ein "Einsatzwert Notdienst Abrufbereitschaft" über fast 360 Euro.

Notdienst-Firma ist nicht bei der Handwerkskammer

Das Seniorenheim möchte den Schaden nicht auf sich sitzen lassen. "Wir haben ein Einschreiben an Haustechnik Nörenberg geschickt, aber das kam als nicht zustellbar wieder zurück", sagt Vasiljevic. Auch am Telefon sei sofort aufgelegt worden.

Dabei heißt es auf der Webseite der Firma: "Als seriöses Unternehmen sind wir zuverlässig und immer für unsere Kunden erreichbar". Doch auch Kontaktversuche von Seiten des Bayerischen Rundfunks lässt die Firma mit Sitz in Gelsenkirchen unbeantwortet.

Ein Anruf bei der zuständigen Handwerkskammer Münster ergibt: Die Firma ist dort nicht einmal Mitglied, obwohl das verpflichtend für Handwerksbetriebe ist. Dass das Unternehmen möglicherweise lediglich andere Handwerker vermittelt, geht aber weder aus der Website noch auch der gestellten Rechnung hervor. Hier taucht ausschließlich "Haus- und Gebäudetechnik Nörenberg" auf.

Tipps von Verbraucherschützern

Die Verbraucherzentrale Bayern rät, sich vorab in aller Ruhe die Kontakte vertrauenswürdiger Notdienste zu suchen, idealerweise am eigenen Wohnort, um deren Nummer im Ernstfall griffbereit zu haben.

Wer sich nicht vorbereitet, sollte aber zumindest die Rechnung prüfen. "Es gibt keine Verpflichtung, sofort zu zahlen. Kommt Ihnen eine Forderung viel zu hoch vor, dann können Sie das Geld auch zurückhalten", so Simone Bueb. Sie rät Betroffenen, sich zu überlegen, ob sie den Notdienst wirklich brauchen. "Wer sich aussperrt, kann oft günstiger im Hotel übernachten und dann am nächsten Tag einen normalen Schlüsseldienst holen", sagt die Expertin.

Leidtragende sind die Heimbewohner

Im Seniorenheim konnte das Problem ebenfalls tags darauf behoben werden. Ein elektrisch verstellbares Bett, das defekt war, hatte die Sicherung und den Fehlerstromschutzschalter ausgelöst. "Handwerker aus Ulm waren bei uns und haben alles schnell gelöst. Es kostete etwas mehr als 400 Euro, also nicht einmal ein Fünftel der anderen Rechnung", sagt Vasiljevic.

Der Besuch des Notdienstes hat Spuren hinterlassen, nicht nur, dass manche Mitarbeiter der Einrichtung anfangs nicht schlafen konnten, wie die Mitarbeiterin des Seniorenheims erzählt. Denn mit dem Geld waren Aktionen geplant, um den Alltag der alten Menschen aufzuheitern. "Ausflüge, ein Clownbesuch oder vielleicht auch Alpakas. Aber jetzt, wo über 2.000 Euro in der Kasse fehlen, müssen wir auf so etwas erstmal verzichten", sagte Vasiljevic. Das Seniorenzentrum hat vor ein paar Tagen getan, was auch die Verbraucherzentrale rät. Es schaltete die Polizei ein und erstattete Anzeige.

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