Sebastian Leeb hängt in einem Sicherungsgurt außen an einer Kabine der neuen Ochsenkopfbahn - 20 Meter über dem Boden. Mit den Füßen stützt er sich auf die Skihalter an den Kabinentüren. Durch das kleine Fenster spricht er mit den Fahrgästen. Sagt Ihnen, dass sie von der Tür weg sollen, in den hinteren Teil der Kabine. Dann öffnet er die Tür mit einem Ruck und klettert hinein.
Eingeschlossen in der Seilbahnkabine
Eine Stunde zuvor hielt die Bergbahn plötzlich an. Eine Durchsage in deutscher und tschechischer Sprache berichtete von einer Betriebsstörung. Nun hängt die Kabine bei minus fünf Grad und leichtem Wind über dem Auslauf der Ochsenkopf-Sprungschanze. Die nächsten Seilbahnmasten sind unerreichbar. Es ist viel zu hoch zum Abspringen. Außerdem können die Fahrgäste die Türen nicht von innen öffnen. Die Eingeschlossenen müssen auf Hilfe von außen warten.
Rettungsübungen in der Freizeit
Innerhalb von 210 Minuten von Beginn der Alarmierung an müssen alle Fahrgäste aus einer havarierten Bergbahn gerettet werden, so schreibt es das Gesetz in Bayern vor, erklärt Sebastian Leeb. Er ist Ausbildungsleiter bei der Bergwacht Bischofsgrün und bringt nun seinen Kameradinnen und Kameraden bei, wie das neue Rettungsgerät für die neue Seilbahn funktioniert. Vom Hersteller hat er eine zweitägige Einweisung bekommen.
Einmal konnten sie schon an der Bahn üben. Jetzt steht die zweite Einheit an. Zwei Teams müssen zweimal zur Höhenrettung ausrücken. "Die Bergwacht arbeitet selten am Boden", lacht Leeb. Höhenrettung und Abseilen sind Standard.
Den Fahrgästen die Angst nehmen
In der Kabine muss Sebastian Leeb erstmal mit den Fahrgästen reden, erklären, Ängste nehmen, Ruhe und Souveränität ausstrahlen. "Das Gerät hat dank der Automatisierung einen hohen Sicherheitsfaktor für die Fahrgäste", erklärt Leeb. Außerdem habe das Rettungsgerät eine automatische Seilbremse, damit es geschmeidig abwärts geht. Dazu bekommen die Abzuseilenden eine Rettungswindel umgeschnallt, eine Art Sack in dem sie aufrecht und einigermaßen bequem sitzen können.
Oben auf dem Kabinendach steht Maximilian Prechtl und sichert seinen Bergwachtkameraden, achtet darauf, dass sich die Seile nicht verfangen. Sebastian Leeb zieht Fahrgast Dominik Herrmann behutsam zum Ausstieg, während dieser gleichzeitig nach vorne rutscht. Dann hängt er zwischen den Beinen von Leeb in der Luft, stößt sich leicht ab und es geht hinunter. Am Boden nehmen ihn andere Bergwachtleute in Empfang und schnallen ihn aus der Rettungswindel.
"Ich habe mich die ganze Zeit sicher gefühlt, er hat uns vorher erklärt, was kommt", berichtet Dominik Herrmann hinterher. Sein Sohn Ben, der als nächster kommt, hatte anfangs ein wenig Angst, weil die Kabine schwankte. Das Abseilen empfand er aber als sehr geschmeidig.
Am Tragseil entlang zur Kabine
Um zu den Eingeschlossenen zu gelangen, müssen die Bergretter zur nächsten Seilbahnstütze oberhalb der stehenden Kabinen: entweder fahren, im schlimmsten Fall durch den tiefen Schnee laufen. Mitsamt dem Rettungsgerät, das in großen gelben Seesäcken steckt. Pro Kabine sind immer zwei Bergwachtleute vorgesehen. Egal wie hoch die Stützen sind, sie müssen hinaufsteigen und sich oben mit einer Rolle in das Tragseil einhängen.
Mittels dieser Rolle, die eine Handbremse hat, geht es dann das Seil entlang bis zur Kabine. Auf deren Dach, am Haltebügel, sind die Vorrichtungen, um das Rettungsgerät zu befestigen. Dann können sie die Passagiere bergen.
Seilbahnrettung bei Wind und Wetter
Die Rettungsübungen sind Teil der Abnahme der neuen Bergbahn auf dem Ochsenkopf. Wenn der TÜV kommt, muss die Bischofsgrüner Bergwacht zeigen, dass sie die Höhenrettung aus den Kabinen beherrscht – bei jedem Wetter, zu jeder Jahreszeit. Beim alten Sessellift hätten sie das auch schon beherrscht.
Der Vorteil der neuen Kabinen sei, dass sich die Fahrgäste darin deutlich sicherer fühlen würden und auch vor dem Wetter geschützter seien. Andererseits würden bis zu zehn Menschen in so einer Kabine Platz haben. Dennoch: Sebastian Leeb ist zuversichtlich, dass sie das schaffen: "Geborgen und evakuiert kriegen wir die Seilbahn immer."
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