Lucia Bucher ist auf einer Rettungsmission. In einer Hand trägt sie einen pinken Eimer, in der anderen eine Glasflasche mit einer braunen Flüssigkeit. Sie ist auf dem Weg zur Eiche an der Sebastianskapelle im schwäbischen Aichach. Barfuß schreitet sie auf den Baum zu. Es sind acht Grad.
Der Baum "Basti", wie sie ihn nennt, ist krank. Er ist von einem Pilz befallen. Einem Lackporling, welcher das Holz von innen zersetzt. Die 150 Jahre alte Eiche ist aber von besonderer Bedeutung für die Stadt, deswegen soll Lucia Bucher den Baum stärken. "Ich denke ganz viel an unseren Basti, wenn ich morgens vorbeifahre", erzählt Bucher. "Ich sage guten Morgen, grüß dich, schön bisch und frage wie es ihm geht."
Sie nähert sich seinem Stamm, an dem mehrere Trichter angebracht sind. Sie ragen in den Stamm hinein. Bucher öffnet die Glasflasche, die sie dabei hat und nimmt einen Schluck von der braunen Flüssigkeit: "Es ist lecker. Ich gönne es Sebastian, wenn es ihm hilft", erzählt Bucher und schüttet den Rest der Flasche in die Trichter am Baum.
Effektive Mikroorganismen als Allheilmittel?
Bei der Flüssigkeit geht es um eine Lösung mit sogenannten "effektiven Mikroorganismen" (EM). Diese EM sind eine Mischung aus Photosynthese- und Milchsäurebakterien, Hefen und fermentaktiven Pilzen. Die genaue Zusammensetzung gibt der Hersteller nicht bekannt. Denn EM gelten als Allheilmittel für Bodenfruchtbarkeit, Tiergesundheit und auch als Putzmittel soll es funktionieren. Da es überall in der Natur Mikroorganismen gibt, soll das Hinzufügen von "guten" Mikroorganismen demnach die Zusammensetzung ändern und einen positiven Nutzen haben.
Kein wissenschaftlicher Beleg
In Studien konnte keine Wirkung von EM belegt werden. Bei einer Forschung aus der Schweiz wurden über vier Jahre verschiedene EM-Lösungen auf Feldern eingesetzt und mit Kontrollgruppen verglichen, welche nicht mit dem Mittel besprüht wurden. Die Studie konnte keine Verbesserung der Bodenqualität und Erträge feststellen. Auch ein Versuch der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau im Pflanzenbau konnte keine Wirksamkeit von EM nachweisen. Einzig die Nährlösung, in denen die Mikroorganismen drin sind, haben laut den Studien eine gewisse Wirkung.
Stadt möchte die Eiche stärken
Ob die effektiven Mikroorganismen bei der Eiche an der Sebastianskapelle helfen? Richard Brandner vom Bauamt der Stadt Aichach sagt, die Vitalität des Baumes sei besser geworden. Das könne auch am höheren Niederschlag in der letzten Zeit liegen oder allgemein an der Nährstoffzugabe. Aber man wolle eben nichts unversucht lassen: "Zwischen Himmel und Erde gibt es verschiedene Ansätze. Wir wollten es versuchen. Wir können es wissenschaftlich nicht belegen, aber jetzt schauen wir die nächsten zwei bis drei Jahre", erklärt Brandner.
Lucia Bucher habe es vor einigen Jahren schon einmal geschafft, dem Baum erfolgreich zu helfen. Es gehe auch nicht darum, den Baum vom Pilz zu heilen, sondern ihn noch einige Jahre länger am Leben zu halten.
Vertretbare Kosten laut Stadt
Die Kosten für Buchers Behandlung und längerfristige Begleitung liegen zwischen 500 und 600 Euro, teilt die Stadtverwaltung mit. Das sei vertretbar, sagt Brandner. Im Vergleich koste es allein mehrere Tausend Euro, die Standfestigkeit des Baums zu prüfen, was regelmäßig gemacht werde.
Lucia Bucher ist fertig mit ihrem Kontrollbesuch. Sie schließt die leere Glasflasche, in der die EM-Lösung drin war. Sie will die Sporen des Pilzes weiterhin in Schach halten. "So ein Pilz ist sehr hartnäckig. Aber nachdem ich 140 Jahre alt werden will, werde ich Sebastian noch lange begleiten können", stellt sie klar. Sie wird nächste Woche wiederkommen, um nach Basti zu schauen.
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