Die Enttäuschung steht Bürgermeister Martin Assum ins Gesicht geschrieben. "Der eine kriegt was, der andere nichts", sagt er frustriert. Zwei Jahre lang hatte der ehrenamtliche Bürgermeister von Oberdachstetten im Landkreis Ansbach Arbeit in zwei Windkraft-Projekte gesteckt. Gemeinsam mit den Nachbardörfern wollte er Windräder bauen. Viele Bürgerinnen und Bürger mit Grundstücken hatten bereits unterschrieben. Doch das Dorf grenzt an ein Militärgelände der US-Army. Dort üben Hubschrauber sicheres Tieffliegen. Die Gemeinde liegt direkt zwischen zwei wichtigen Standorten der US-Army. "Da ist, wie es aussieht, nichts zu machen", so Assum. Denn Belange der Verteidigung sind laut Erneuerbare-Energien-Gesetz wichtiger als der Ausbau der Windkraft.
Windkraftanlagen: Suche nach möglichen Standorten
Dabei gibt es wichtige Fortschritte bei Verhandlungen mit der US-Armee in Mittelfranken. Davon erzählt mit leuchtenden Augen Rainer Fugmann. Im Ansbacher Schloss arbeitet er seit zwei Jahren unter hohen Stuckdecken für die Regierung von Mittelfranken den großen Plan aus: wo genau in den drei Landkreisen Ansbach, Neustadt-Aisch und Weißenburg-Gunzenhausen mögliche Standorte für Windräder sind. Hier sieht Fugmann die großen Einnahmequellen der Zukunft für den überwiegend ländlich geprägten Landstrich.
Die neuen, modernen Windkraftanlagen sollen mit bis zu 250 Metern Höhe deutlich höher und leistungsfähiger werden als die alten. Doch deshalb kommen sie immer öfter in Konflikt mit militärischen Flugrouten oder sicheren Flugzonen in einer bestimmten Höhe, die ohne Hindernisse bleiben sollen. Und die Windkraftflügel können den Radar stören.
Fast überall in Bayern fliegen US-Armee und Bundeswehr
"Wir haben in Westmittelfranken fast keine Bereiche, die außerhalb von militärischen Interessensbereichen liegen", sagt Fugmann. Die US-Army ist mit zwei Standorten vertreten. Und das größte Windkraft-Potenzialgebiet zwischen Eichstätt und Weißenburg ist vom NATO-Flugplatz Neuburg an der Donau tangiert.
Im Raitenbucher Forst dürfen Windräder bisher nur 220 Meter hoch sein. Diese festgelegte Höhe soll sicherstellen, dass Militärflugzeuge der Bundeswehr auch nachts im Nebel ohne Hindernisse fliegen können. "Eine Anhebung um nur wenige Meter könnte hier einen großen Unterschied machen", so Fugmann. Damit könnten höhere Windräder gebaut werden, die wären deutlich effizienter und damit könnte man deutlich mehr Geld verdienen.
Sind Verhandlungen mit der Bundeswehr möglich?
Doch könnte dieser hindernisfreie Luftraum auch einfach um einige Meter nach oben verlegt werden? Auf diese Frage gab es bisher keine Antwort. Auch, weil unklar war, wen man überhaupt dazu befragen könnte. Und wer das zu entscheiden hätte. Der Landtagsabgeordnete Martin Stümpfig (Grüne) hat im Juli Vertreter der Bundeswehrverwaltung zum Gespräch nach Raitenbuch eingeladen.
Dass der Präsident des "Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr" mit einigen Mitarbeitern persönlich aus Bonn angereist ist, verbucht der Landtagsabgeordnete als großen Erfolg. "Wir konnten die maßgeblich Beteiligten an einen Tisch bekommen", sagt Stümpfig, "und sind zuversichtlich, dass es zu einem Entgegenkommen kommen wird." Doch insgesamt fehlen bei der Bundeswehr bisher konkrete Ansprechpersonen und Entscheidungswege für die Konfliktfälle. Dabei kann die Bundeswehr grundsätzlich eine erhebliche Zahl an Windprojekten verhindern. Sie könnte auf etwa der Hälfte der Fläche Bayerns ein Veto gegen Windkraftprojekte einlegen.
Bisher fehlen die Ansprechpartner
Andere Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen seien da schon viel weiter, so die Grünen. "In Bayern wurde das Thema lange liegen gelassen. Man muss jetzt nachholen, was andere hinter sich haben", sagt Martin Stümpfig. Und der Regionalplaner der Regierung von Mittelfranken spricht von Pionierarbeit beim Aufbau von Dialog-Kanälen, die derzeit überall in Bayern am Laufen sei. "Man muss erstmal das Vertrauen schaffen, dass sensible Daten auch vertraulich behandelt werden", so Fugmann. Detail-Informationen seien jedoch wichtig, um überhaupt ausreichend Standorte für die Windkraft ausweisen zu können. 1,8 Prozent der Fläche sind nach dem Willen der Bundesregierung bis zum Jahr 2032 für die Windkraft bereitzustellen. "Ohne dass sich die Bundeswehr bewegt, sind diese Ziele schwer zu erreichen", sagt Fugmann.
US-Army hat Flugrouten verlegt
Im Fall der US-Armee in Katterbach bei Ansbach hat Mittelfrankens Regionalplaner dabei erhebliche Erfolge erreichen können. "Vor allem in den Randbereichen, bei Dinkelsbühl, Feuchtwangen, Bad Windsheim hat die US-Army Flugrouten verlegt und Radarführungsmindesthöhen angepasst", so Fugmann. Manchmal hätte eine Übungsroute 20 bis 30 mögliche Windanlagen verhindert. "In solchen Fällen ist uns die US-Army weit entgegengekommen." Für Oberdachstetten sieht Fugmann wenig Spielraum. Außer es verbessern sich die technischen Anlagen in der Zukunft so, dass die Fluglotsen im Tower per Knopfdruck Windräder ausschalten können, wenn ein Flugzeug drüber muss. Doch das ist Zukunftsmusik.
Staatsregierung: "Kommunikation mit den Streitkräften verbessern"
Die Staatsregierung hat die Verbesserung der Kommunikation mit den Streitkräften bereits als Ziel ausgegeben. Bisher wurde ein geplanter Windpark erst im Lauf des Genehmigungsverfahrens von der Bundeswehr geprüft. Bei Ablehnung waren oft jahrelange Planungen umsonst gewesen. In den Bezirksregierungen sind dazu jetzt Koordinatoren benannt worden, teilt das Bayerische Wirtschaftsministerium auf Anfrage mit. Die sollen dann auch für Projektierer und Windanlagenplaner als Ansprechpartner dienen. Man habe eine Liste wichtiger Projekte bereits an die Bundeswehr übergeben und arbeite auf eine institutionalisierte Zusammenarbeit hin, so das Wirtschaftsministerium.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!