Zehn Ordner voll Papier sind Katrin Helds großer Schatz. In diesen zehn Ordnern befinden sich Verträge mit 373 Grundstückseigentümern. Sie alle besitzen große und kleine Grundstücke in einem Bereich, der für die Windkraft beste Bedingungen bietet. Sie alle sind überzeugt, dass Windenergie das Geschäft der Zukunft werden wird. Und sie alle können profitieren, wenn sie gemeinsame Sache machen.
Das Flächenpachtmodell soll Geld an alle ausschütten – egal, ob das Windrad nun gerade auf ihrem Grundstück steht oder auf dem eines anderen. Diese Argumentation hat überzeugt: Neben den Bürgern mit eigenen Grundstücken beteiligen sich auch die Gemeinden Burgsalach, Nennslingen, Bergen und Raitenbuch.
Goldgräberstimmung bei Jura-Dörfern: Beste Lage für Windräder
Die Dörfer liegen auf der Jura-Hochebene oberhalb von Weißenburg und sind jeweils einige Kilometer voneinander entfernt. Die Dimensionen des gemeinsamen Vorhabens sind gewaltig. 14 mögliche Standorte für Windräder werden geprüft, acht bis zehn Windräder könnten realisiert werden. Die Investitionssumme läge dann bei bis zu 100 Millionen Euro.
Der gemeinsame Windpark soll nicht zwischen den Dörfern entstehen, sondern im Südwesten der Ortschaften in einem Waldgebiet. Es befindet sich auf dem Gemeindegebiet von Burgsalach und Raitenbuch im Raitenbucher Forst.
Beispielhaftes Kooperationsprojekt mehrerer Ortschaften
Die Vorarbeiten laufen schon seit einiger Zeit. Das "Energiewerk Jura" wurde gegründet, ein Kommunalunternehmen der vier Gemeinden. Die Dörfer gehören zu einer Verwaltungsgemeinschaft, haben aber jeweils eigene Gemeinderäte und eigene Finanzen.
Es lässt sich erahnen, welcher enorme Aufwand dahintersteht, sie alle zusammenzubringen. Vier Bürgermeister, fast 50 Gemeinderäte, und zusammen rund 5.000 Bürgerinnen und Bürger. Ein Zehntel dieser Menschen werde über die Pacht finanziell profitieren, sagt Burgsalachs Bürgermeister Volker Satzinger (CSU). Doch auch alle anderen können sich beteiligen.
Standorte im Wald – aber wenig Bäume müssen weichen
An den Standorten im Wald gibt es Kritik von der Bürgerinitiative "Seenland in Bürgerhand". Das Waldbinnenklima solle nicht gestört werden, so die Forderung. Regionalplaner Rainer Fugmann von der Regierung von Mittelfranken erklärt dagegen, die Standorte seien so ausgewählt, dass möglichst wenig intakter Wald gestört wird. "Ein wesentlicher Anteil der Anlagen wird im Offenland realisiert werden", erklärt er – also auf bestehenden Lichtungen oder Wiesen und in Bereichen, die ohnehin vom Waldumbau betroffen sind.
"Es ist nicht so, dass wir einen gesunden Bestand abholzen", sagt Burgsalachs Bürgermeister Volker Satzinger. "Man holzt derzeit hektarweise Käferholz ab", erklärt er, während er auf einer breiten Forststraße steht. Wie zum Beweis heulen im Hintergrund die Motorsägen.
Gut angebunden mit Straßen und Stromleitungen
Für das Gebiet spricht, dass es in den Wäldern bereits ausreichend breite Forststraßen gibt – und das Gebiet über eine Bundesstraße gut erreichbar ist. Für die Anfahrt der Lastwagen mit Baumaterialien ist das ein wichtiger Faktor. Jeder Weg, der nicht extra gebaut werden muss, spart Geld. Und nicht zuletzt führt eine 110 Kilovolt-starke Stromleitung in der Nähe vorbei, über die der Windstrom später abtransportiert werden könnte.
Jura-Hochebene: Viele Windräder und viel Enttäuschung
Die Gemeinde Raitenbuch hat bereits Erfahrung mit einem Windpark. Elf Windräder stehen seit einigen Jahren auf Gemeindegebiet. Und trotz anderer Versprechungen ist das große Mitverdienen durch Gewerbesteuer dort ausgeblieben.
Der Windrad-Hersteller Max Bögl hatte den Windpark errichtet, später wurde er verkauft. Man habe eine kleine Entschädigung bekommen, sagt Raitenbuchs Bürgermeister Joachim Wegener. Und gerade, weil die Enttäuschung so groß ist, soll es diesmal anders laufen. "Wir machen es jetzt zusammen, weil ich so etwas nicht mehr allein verantworten will", sagt Wegener.
Gemeinsame Realisierung: Projektbüro mit Erfahrung
Um sehr viele komplizierte Fragen kümmert sich Katrin Held. Die Prokuristin von "Naturenergie Zeilinger" stammt aus einer Landwirtsfamilie, die schon seit vielen Jahren Energieprojekte realisiert. Zu Hause in Markt Erlbach im Landkreis Neustadt/Aisch hält Familie Zeilinger 3.000 Hühner unter Solarmodulen. Aber auch in Sachen Windenergie gibt es reichlich Erfahrung, das NorA Bürgerwindprojekt im Landkreis Ansbach zum Beispiel.
In der Szene gilt Zeiliger Naturenergie als ein Player, "der niemanden über den Tisch zieht", heißt es in der Region. Seniorchef Reinhold Zeilinger spricht die Sprache der Bauern. "Die Leute begreifen das jetzt als Chance", glaubt er. Im Jahr 2015 hat "Zeilinger Naturenergie" vier Anlagen errichtet, berichtet er stolz. "Zehn Millionen Euro sind im Land geblieben".
Kommanditbeteiligung oder Darlehen
Derzeit werden die genauen Vertragsdetails noch ausgearbeitet. Erst wenn die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) das Projekt abschließend geprüft hat, können genauere Angaben gemacht werden. Das Eigenkapital soll von den Gemeinden eingesammelt werden sowie von Bürgerinnen und Bürgern.
Angedacht sind zwei Möglichkeiten, über die Bürger mitfinanzieren und später mitverdienen können. Über eine Kommanditbeteiligung würden Bürger zu Mitunternehmern, würden im Handelsregister eingetragen, die Einnahmen würden als Einkünfte aus Gewerbebetrieb versteuert. Oder als Darlehensbeteiligung. Die Einnahmen würden dann als Einkünfte aus Kapitalvermögen versteuert. Was von der enormen Investitionssumme von Bürgern und Kommunen nicht aufgebracht werden kann, finanzieren Banken in der Region. Wer mitmachen will, kann sich jetzt schon melden und wird dann vom Projektierer Zeilinger auf dem Laufenden gehalten.
Viel Hoffnungen auf dem Jura
Die vier Bürgermeister von Burgsalach, Nennslingen, Bergen und Raitenbuch rechnen schon vorsichtig optimistisch mit den Einnahmen. "Wir brauchen Geld für wachsende Aufgaben", sagen sie. In den Dörfern fehlen große Steuerzahler. "Und wir müssen trotzdem die Kläranlage sanieren", so Walter Gloßner (CSU).
Es lägen bereits tausend Interessensbekundungen vor, von Menschen, die sich beteiligen wollen, erläutert Volker Satzinger. Er geht davon aus, dass es keine Großinvestoren braucht und die Wertschöpfung allein in der Region bleibt. Das Projekt scheint in der Bevölkerung auf breite Zustimmung zu stoßen. Im Frühjahr wurde der Regionalplan für die Windkraft in Westmittelfranken vorgelegt. Einwände sind von hier oben auf dem Jura nur sehr wenige eingegangen.
Anmerkung der Redaktion: Zunächst war in der Überschrift von "Milliardengewinnen" die Rede. Diese könnten in die ländlichen Gebiete in Bayern fließen. Speziell die Jura-Dörfer hoffen hingegen auf Millionengewinne. Wir haben dies angepasst.
Im Video: Bestlage für Windräder: Jura-Dörfer hoffen auf Milliardengewinne
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