Windräder ragen aus einem Wald empor.
Bildrechte: BR24/Ulrike Lefherz

Auf dem Jura zwischen Weißenburg und Eichstätt ist noch viel Platz für weitere Windräder. Hier sehen Planer Potenziale, Anwohner haben Sorgen.

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Windkraft im Wald: Widerstand auf der Jura-Hochebene

Auf der Jura-Hochebene zwischen Weißenburg und Eichstätt könnte eines der größten Windkraftgebiete Bayerns entstehen. Die meisten Flächen liegen aber im Wald. Es gäbe keine anderen möglichen Standorten, sagen die einen. Andere wehren sich.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Es ist immer ein bisschen kühler hier oben auf der Hochebene des Jura, ziemlich genau in der Mitte Bayerns. Die Hochebene verläuft zwischen der mittelfränkischen Stadt Weißenburg und dem oberbayerischen Eichstätt, die beiden Städte liegen etwa 20 Kilometer Luftlinie auseinander. Die Gegend ist bekannt für Jurakalksteine, die hier seit Jahrhunderten abgebaut werden. Und sie ist die Fundstätte des Urvogels Archeopteryx. Drei Exemplare sind im Solnhofener Museum ausgestellt. Ansonsten gibt es große Waldflächen und kleine Dörfer. Und es bläst regelmäßig Wind. Für die Region könnte Windkraft also der nächste große Wirtschaftsfaktor werden.

Viel Windkraft auf dem Jura

Im Jahr 2017 wurde hier oben im Raitenbucher Forst Bayerns größter Windpark eingeweiht – elf Windräder auf mittelfränkischer Seite und noch einmal fünf auf oberbayerischer Seite. Der Windradbauer Max Bögl aus Neumarkt hat den Windpark mit errichtet, inzwischen sind die Anlagen an Investoren verkauft.

Für Erwin Hussendörfer ist dieser Wald sein Heimatrevier, er kennt den Wald wie seine Westentasche. Beruflich ist Hussendörfer Professor für Waldbau und ökologische Genetik an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Und im Ehrenamt führt er interessierte Bürgerinnen und Bürger an die Windkraftanlagen, um zu erklären, wie sehr sie dem Wald schaden.

Kritiker: "Windräder schaden dem Waldklima"

Im Raitenbucher Forst kann man sehen, wie sich Windräder auf die Natur auswirken. Es gibt breite Forststraßen und ziemlich gut ausgebaute Kreuzungen von Schotterwegen. Unter der Woche kann es passieren, dass man hier von einem Lastwagen überholt wird. Am Fuß eines Windrads wäre Platz für eine Kundgebung mit Tausend Menschen. 50 sind gekommen, um sich Professor Hussendörfers Vortrag mit Megafon anzuhören. "Wir brauchen einen geschlossenen Wald", sagt er, "wenn sich schon die ganze Welt erwärmt." Im Wald sei es etwa acht Grad kühler als draußen. Durch die Forststraßen würde Boden versiegelt, kritisiert er, der Wald wärme sich auf, und das schade dem Waldbinnenklima und der Artenvielfalt. Jeder Hektar für ein Windrad bedeute einen Verlust des Waldes als CO2-Speicher.

Windräder helfen beim CO2-Sparen

Windkraft ist die effizienteste erneuerbare Energie. Ein Windrad liefert um ein Vielfaches mehr Strom als ein Solarfeld und braucht dabei viel weniger Fläche. "Die Effektivität pro Hektar ist enorm", schwärmt Rainer Fugmann von der Regierung von Mittelfranken. "Wir werden jetzt einen großen Schritt weiterkommen." Er hat als Regionalplaner zwei Jahre lang über Karten gebrütet und hunderte Gespräche geführt. Vor ein paar Wochen hat er für die Region Westmittelfranken einen Plan vorgelegt, wo geeignete Standorte für Windräder wären. Solch einen Plan gibt es bisher sonst noch für keine Region in Bayern. Es war schwer, überhaupt mögliche Standorte zu finden. "Die größten und wichtigsten Potenziale liegen oben beim Raitenbucher Forst", betont Fugmann.

"Flächen im Wald sind unvermeidbar"

Die Klimafunktion des Waldes sei ihm bewusst, sagt Rainer Fugmann. Doch die freien Flächen ohne Bäume würden meistens von der Landwirtschaft gebraucht, oder sie liegen in Tälern ohne Wind. Auch sollen landschaftlich schöne Bereiche und Sehenswürdigkeiten wie das Schloss Ellingen oder die Eichstätter Willibaldsburg optisch nicht beeinträchtigt werden. "Da, wo wir weit weg sind von Siedlungen, sind wir regelmäßig im Wald." Er habe, weil es unvermeidlich sei, Waldgebiete ausgesucht, die ohnehin vom Borkenkäfer geschädigt seien oder direkt neben einem Steinbruch liegen, sagt Fugmann.

Gegner nicht überzeugt

Diese Argumente überzeugen die Gegner der Pläne nicht. Die Bürgerinitiative "Seenland in Bürgerhand" ist in der Sache aktiv geworden, Erwin Hussendörfer wurde zum neuen Vorsitzenden gewählt. Die Initiative schreibt sich auf die Fahnen, das Feriencamp Center Parcs am Brombachsee verhindert zu haben. Die Bürgerinitiative reichte Einwände zum Regionalplan ein, auch eine Delegation von Einwohnern Bieswangs übergab dem Regionalplaner knapp 200 Briefe. "Die Konzentration hier oben ist viel zu groß", sagt Fritz Gronau-Weddige, einer der Aktivisten. "Ein gutes Fünftel von der Fläche, die für ganz Westmittelfranken vorgesehen ist, liegt hier bei uns". Man habe angekündigt, nur behutsam in den Wald eingreifen zu wollen. "Fakt ist, dass knapp 80 Prozent jetzt wohl in den Wald kommen werden", so Gronau-Weddige.

Ein Hektar Fläche pro Windrad nötig

Etwa einen Hektar Fläche braucht es, um ein Windrad zu bauen. Für einen Windpark mit zehn Anlangen rechnet Regionalplaner Rainer Fugmann im Auftrag des Freistaats Bayern mit 600 Hektar Wald. Weil von der Baustelle ein Teil wieder bepflanzt werden kann, bleibt pro Windrad nur ein halber Hektar versiegelt. Somit würden, so rechnet es Fugmann vor, bei einer Waldfläche von 600 Hektar am Ende für den Windpark nur fünf Hektar verbraucht. Zum Vergleich: für den Steinabbau bekam das Weißenburger Schotter- und Steinwerk die Genehmigung für weitere 35 Hektar. Hier werden in den nächsten 20 Jahren ebenfalls Bäume weichen müssen, die später wieder angepflanzt werden sollen.

Gegner fühlen sich "umzingelt" von Windrädern

Bei den Dorfbewohnern im südlichsten Zipfel Mittelfrankens wird das Thema heiß diskutiert. Die Dörfer Bieswang und Göhren könnten künftig "umzingelt" werden von Windrädern, heißt es. "Das ist nicht schön", sagt Landwirtin Sandra Wufka. "Wir wollen, dass unsere Heimat so bleibt, wie sie ist." Andere stehen den Plänen grundsätzlich positiv gegenüber. "An der Windkraft führt kein Weg mehr vorbei", sagt eine Frau aus Bieswang. "Es sollte halt bürgerverträglich sein." Um die Ortschaften herum wurden gleich drei Gebiete für Windkraft in Fugmanns Karte eingezeichnet. Der Pappenheimer Stadtrat beschloss einstimmig, dass zwei von diesen drei bitte wieder aus der Planung gestrichen werden sollen. "Jetzt müssen wir einfach abwarten", sagt Astrid Weddige aus Bieswang, die für die Grünen im Pappenheimer Stadtrat sitzt, "ob dieses klare Votum des Stadtrats einen Einfluss auf die Planungen hat."

Weitere Gebiete in Oberbayern möglich

Neben den ausgewiesenen Gebieten in Mittelfranken könnten auf der oberbayerischen Seite weitere Windkraftanlangen entstehen. Von der Ortschaft Bieswang ist die Grenze nur drei Kilometer entfernt. Nördlich der Gemeinde Schernfeld sind bereits 145 Hektar Fläche für die Windkraft auf den Weg gebracht. Und im Staatsforst daneben stünden weitere Tausend Hektar zur Verfügung. "Wer vertritt uns eigentlich im Regionalen Planungsverband Oberbayern?", fragt Astrid Weddige.

Aiwanger streicht Vetorecht für Kommunen

Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) will den Windrad-Ausbau in Bayern erleichtern. Bisher konnten angrenzende Kommunen bei Projekten in den Staatsforsten ihr Veto einlegen und den Bau damit verhindern. Dieses Vetorecht hat Aiwanger jetzt abgeschafft. Betroffen davon sind Wälder, die im Besitz des Freistaats Bayern sind. Bei den Bürgern auf dem Jura schürt das große Ängste. "Ich bin sprachlos", sagt die Pappenheimer Grünen-Stadträtin Astrid Weddige, "wir fühlen uns ausgeliefert".

Für Oberbayern liegen noch keine Planungen vor

Der Regionale Planungsverband für die Region 10 Ingolstadt-Eichstätt gibt sich auf Nachfrage von BR24 noch bedeckt. Frühestens Ende des Jahres könne man erste Planungen vorlegen, sagte der Geschäftsführer des Planungsverbands, Eric Fischer. Doch es deutet einiges darauf hin, dass auch diese Region die Flächen auf dem Jura brauchen wird, um das Ziel der Bundesregierung zu erreichen: zwei Prozent der Fläche in Deutschland für die Windkraft zur Verfügung zu stellen.

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