In seiner Regierungserklärung Mitte Juni hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) neben vielem anderem angekündigt, Bayern müsse bei der Energiewende schneller werden. Dafür will er auch die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger einschränken. Heißt: Bürgerentscheide sollen künftig erschwert werden. Das beträfe viele kommunale Streitpunkten wie etwa den Erhalt von Krankenhäusern – aber eben auch den Bau neuer Solarparks oder Windräder.
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Runder Tisch soll Lösungen finden
Der Vorstoß des Ministerpräsidenten hat für Diskussionen gesorgt. Söder kündigte daher einen runden Tisch an, der die Regeln zu Bürgerentscheiden weiterentwickeln soll. Geleitet werden soll dieser vom ehemaligen bayerischen Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU); zur Beteiligung eingeladen sind auch Opposition, Vereine und Umweltverbände. Denn wie SPD, Grüne und die ÖDP kritisiert auch der Bund Naturschutz die Pläne. Dass es Gesprächsbedarf zur künftigen Vorgehensweise gibt, sehen die Umweltschützer aber auch.
Auch die Freien Wähler zeigen sich skeptisch
Ob die Ideen tatsächlich so umgesetzt werden, ist derzeit noch völlig offen. Sogar der eigene Koalitionspartner, die Freien Wähler, gibt sich skeptisch. Schließlich sei die direkte Bürgerbeteiligung ein hohes Gut in der Demokratie, sagte etwa Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger.
Beckstein selbst erklärt die Notwendigkeit der von Söder geforderten Neuausrichtung mit einem Beispiel: "Stellen Sie sich vor, am Oberlauf eines Flusses ist eine kleine Gemeinde mit 1.000 Einwohnern", sagt Beckstein. Weil diese Gemeinde sich in einem Bürgerentscheid aber gegen einen Flutpolder entschieden habe, werde eine 100.000-Einwohner-Stadt weiter flussabwärts regelmäßig bei Hochwassern überflutet. Das könne "eigentlich ja nicht richtig sein", meint Beckstein.
Söder: keine "Blockade" durch Bürgerentscheide mehr
In seiner Regierungserklärung am 13. Juni hatte sich Markus Söder mit Wirtschaftspolitik beschäftigt. Es ging um Bauvorschriften, um Ehrenamt, um Wirtschaftsförderung, aber auch um die Notwendigkeit, dass Bayern bei der Energiewende schneller werden müsse. Dabei erwähnte er die Bürgerentscheide, die nicht "als Blockade" eingesetzt werden dürften, so der Ministerpräsident. "Ich finde, wir müssen die richtige Balance finden zwischen Allgemeinwohl und Partikularinteressen", sagt Söder.
Auch das Verbandsklagerecht will Söder beschneiden
Auch ein weiteres wichtiges Werkzeug der Naturschutz-Organisationen ist Söder ein Dorn im Auge: das Verbandsklagerecht. Er fordert in seiner Regierungserklärung "eine Modifizierung, ja sogar eine Abschaffung". Es könne nicht sein, dass ortsfremde Organisationen "in jeder Gemeinde das Vorankommen behindern", so Söder.
Raitenbucher Forst: Windkraftausbau soll Fahrt aufnehmen
Zuletzt war der Ausbau der Windkraft in Bayern nahezu zum Erliegen gekommen. Im vergangenen Jahr kamen im Freistaat nur sieben neue Anlagen hinzu. Damit sich das ändert, muss Bayern bis zum Jahr 2027 1,1 Prozent seiner Fläche als mögliche Ausbaufläche für die Windkraft ausweisen.
Mittelfranken ist der erste Bezirk, der das bereits gemacht hat. Der südöstlichste Zipfel des Bezirks, der Raitenbucher Forst auf der Jura-Hochebene, wird als besonders geeignet angesehen, um hier Windkraft anzusiedeln. Bis zu 25 neue Windräder könnten hier entstehen, besonders viele rund um den kleinen 650-Einwohner-Ort Bieswang im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen. Ungeachtet Söders Vorstoß, Bürgerentscheide zu erschweren, hat sich hier eine Bürgerinitiative gegründet. Sie sieht den Raitenbucher Forst als überproportional belastet, sollten die Windräder hier tatsächlich in diesem Umfang gebaut werden.
Bund Naturschutz: "Ablenkungsmanöver" und "Nebelkerze"
Wenn Ministerpräsident Söders Forderung, die Hürden für Bürgerentscheide heraufzusetzen, so kommt, wäre auch der Widerstand gegen Windparks deutlich erschwert. Der Bund Naturschutz hält das nicht für den richtigen Weg. Söders Vorstoß sei vielmehr "ein billiges Ablenkungsmanöver vom eigenen Politikversagen", meint Richard Mergner, der Vorsitzende des Bund Naturschutz in Bayern. Statt zu blockieren, würden Bürgerentscheide vielmehr dazu beitragen, dass Entscheidungen "besser werden", so Mergner.
Söders Forderung, das Verbandsklagerecht zu beschneiden oder gar ganz abzuschaffen, würde den Bund Naturschutz hart treffen. Der Landesvorsitzende Richard Mergner gibt sich allerdings entspannt. Darüber hätte nicht der Freistaat zu entscheiden, sondern der Bund und die EU. Söders Äußerung diesbezüglich bezeichnete er daher als "völlige Nebelkerze".
Erstes Treffen noch vor der Sommerpause geplant
Auch wenn der Bund Naturschutz Söders Vorstoß insgesamt kritisch sieht: Dass es Gesprächsbedarf gibt, kann der Vorsitzende Richard Mergner nachvollziehen. Der geplante runde Tisch unter der Leitung von Alt-Ministerpräsident Günther Beckstein sei "sinnvoll". Über Modalitäten könne man reden – der Bund Naturschutz werde aber keinem "Demokratie-Abbau" zustimmen, so Mergner. Eingeladen, sich am "runden Tisch" zu beteiligen, sind neben der Opposition auch die kommunalen Spitzenverbände und Umweltschutz-Organisationen. Ein erstes Treffen soll es noch vor der Sommerpause geben. Bis Jahresende werde es erste Ergebnisse geben, so Beckstein.
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