Bayerischer Landkreistag 2024 im oberfränkischen Wunsiedel: Die Chefs von fast allen 71 Landkreisen im Freistaat diskutieren seit dem Vormittag über die Energie- und Verkehrswende im Freistaat. Damit diese gelinge, aber auch generell stellte Landkreistagspräsident Thomas Karmasin (CSU), Landrat aus dem oberbayerischen Fürstenfeldbruck, im BR-Interview und in seinem Grußwort drei Kernforderungen an die Politik auf.
Weniger Gesetze und weniger Vorschriften gefordert
Zuallererst fordern die Landkreischefs weniger Gesetze, weniger Vorschriften und weniger Bürokratie. Damit einher gehe die zweite Forderung nach mehr Verlässlichkeit der politischen Rahmenbedingungen und Förderkulissen. Und drittens verlangen die bayerischen Landräte vom Gesetzgeber, einen stärkeren Fokus auf die Frage zu legen, wer am Ende die Kosten neuer Regelungen tragen müsse beziehungsweise wie diese Kosten zu finanzieren seien.
Nachholbedarf beim Ausbau von Windkraftanlagen in Bayern
Am Nachmittag wurde Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zugeschaltet, der eine Grundsatzrede zum Thema Energiezukunft in Deutschland hielt. Darin appellierte Habeck an die bayerischen Regionen, den Ausbau erneuerbarer Energieanlagen keinesfalls zu verschleppen. Dies würde negative wirtschaftliche Folgen haben, warnte der Bundeswirtschaftsminister. Bereits jetzt träfen viele Unternehmen, insbesondere die energieintensiven, ihre Standortentscheidungen auch auf der Basis der Verfügbarkeit von selbst erzeugter, preiswerter Energie. Bayern habe dahingehend insbesondere bei den Windkraftanlagen Aufholbedarf.
"Es schlägt zurück, wenn man sich jetzt nicht am Aufbau der zukünftigen, günstigen Energieformen beteiligt." Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne)
Netzentgelte sollen ans Engagement angepasst werden
Der Bundeswirtschaftsminister warb dafür, die Bürger etwa über Bürgerwindparks stärker auch an den Renditen zu beteiligen. Anschließend beantwortete er Fragen der bayerischen Landräte und Teilnehmer. Dabei merkte Habeck auf eine Frage des Chamer Landrats Franz Löffler (CSU) an, dass der Bund für das kommende Jahr Änderungen an der Verteilung der Netzentgelte plane. Kommunen, die sich stark am Ausbau der erneuerbaren Energien beteiligen, sollen demnach entlastet werden, dies betreffe meist vor allem den ländlichen Raum. Kommunen, die wenig in den Ausbau investieren oder investieren können – meist größere Städte – sollen dagegen leicht erhöhte Netzentgelte entrichten müssen.
"Wunsiedler Weg": Vorreiterrolle in Sachen Energiewende
Vor mehr als 20 Jahren ist in der Kleinstadt der sogenannte "Wunsiedler Weg" zur kommunalen Energie-Unabhängigkeit auf den Weg gebracht worden, mittlerweile ist die Stadt für ihre Vorreiterrolle in Sachen Energiewende bekannt: Wunsiedel kann sich theoretisch bereits jetzt autark versorgen. Im Energiepark Wunsiedel werden heimische Produkte wie Holzabfälle des nahegelegenen Sägewerks, Solar- und Windkraft genutzt. Das Besondere: Dabei werden sowohl der entstandene Strom als auch die entstandene Wärme immer genutzt und miteinander vernetzt.
Konkret zeigt sich das so: Die anfallenden Holzreste des Sägewerks können ohne Transport direkt weiterverarbeitet werden. Im Biomasse-Heizwerk wird mit ihrer Verbrennung Strom erzeugt. Die dabei entstehende Hitze wird genutzt, um weitere Holzreste zu trocknen und zu Pellets zu pressen. Diese Pellets wandern dann unter anderem in kleinere Satellitenkraftwerke in Wunsiedler Ortsteilen. Dort wird aus ihnen wieder Strom erzeugt und die dabei anfallende Wärme versorgt den jeweiligen Ortsteil mit Fernwärme. Wunsiedel gilt deshalb als eine Art Labor, um die Energiewende zu erproben.
Größte Elektrolyseanlage Bayerns
Mit der bisher größten Elektrolyseanlage Bayerns, deren Leistung bei neun Megawatt liegt, hat Wunsiedel vor zwei Jahren den Weg zur Energiespeicherung durch Wasserstoff begonnen. Der produzierte Wasserstoff soll in Zukunft auch durch Liquid organic hydrogen carrier-Moleküle gespeichert werden. Diese Moleküle können Wasserstoff durch eine chemische Reaktion aufnehmen und bei Bedarf wieder abgeben, so Stadtwerke-Chef Marco Krasser zum BR.
Am Donnerstag wird Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mit dem Präsidenten des Bayerischen Landkreistags, Landrat Thomas Karmasin (CSU) aus Fürstenfeldbruck über die allgemeine Situation der Landkreise diskutieren. Es soll laut bayerischem Landkreistag unter anderen auch um die Themen Krankenhausreform und Asylpolitik gehen. Die Tagung in Wunsiedel endet am Donnerstagmittag.
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