- Zum aktuellen Artikel: "Klima-Witz": Scharfe Kritik an Söders Regierungserklärung
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat angekündigt, dass Bayern an der umstrittenen 10H-Regel für Windräder festhalten werde. Sie definiert, in welchem Abstand zu einer Ortschaft ein Windrad gebaut werden kann - wegen der großen Distanz gab es in den vergangenen Jahren im Freistaat kaum neue Windräder. Man wolle den Wind nutzen, "im Rahmen der vorhandenen Gesetze", sagte Söder bei einer Regierungserklärung im Bayerischen Landtag.
Der Ministerpräsident kündigte zwar eine Reform der 10H-Regel an - und verwies auch auf eine neuere Generation von Windrädern. Im Staatswald, in vorbelasteten Gebieten und auf Truppenübungsplätzen, soll demnach künftig nur noch ein Mindestabstand von 1000 Metern eingehalten werden müssen. Söder räumte gleichzeitig ein, dass der Ausbau derzeit kaum vorangehe. Selbst in Umweltverbänden würde über Windkraft gestritten, genau wie bei den Menschen vor Ort.
Mehr Photovoltaik in Bayern
Söder betonte: "Erneuerbare Energien müssen Vorfahrt haben". Erreicht werden soll das vor allem durch mehr Photovoltaik in Bayern. Die schon länger angekündigte Photovoltaik-Pflicht auf Neubauten soll es aber zunächst nicht geben. Der Ministerpräsident will erst einmal auf Bundesebene für eine solche Solarpflicht kämpfen, wie er ankündigte. Verpflichtend soll Photovoltaik in Bayern allerdings bei staatlichen Gebäuden zum Einsatz kommen, was eigentlich schon seit diesem Jahr der Fall sein sollte. Ein "ganz klares Signal" für Sonnenenergie solle durch eine stärkere Förderung von Photovoltaik-Batterien in Privathäusern gesetzt werden - die Förderung werde verdoppelt.
Es gehe nicht um eine Maßnahme, sondern um alles, sagte Söder. Bayerns Ministerpräsident kündigte auch einen deutlichen Ausbau der Geothermie-Nutzung an. Er bekräftigte, dass der Freistaat bis zum Jahr 2040 klimaneutral werden solle - und forderte abermals einen "Klimaruck". Söder kündigte auch einen weiteren Ausbau der Elektromobilität und des öffentlichen Nahverkehrs an, die Renaturierung von Mooren und die weitere Aufforstung von Wäldern. Zudem erneuerte er seine Forderung, bundesweit früher aus der Kohlekraft auszusteigen als bisher geplant - statt 2038 hält Söder einen Ausstieg 2030 für sinnvoll und machbar.
Söder: Rat der Wissenschaft einhellig
Beim Thema Hochwasserschutz schlug Söder einen verpflichtenden "Hochwasser-TÜV" vor. Dieser solle bewerten, wie eine Gemeinde gegen Hochwasser geschützt sei - und bei Bedarf eine Empfehlung für weitere Maßnahmen abgeben. Der Ministerpräsident warnte grundsätzlich vor den Folgen des Klimawandels - und forderte mehr Klimaschutz, "um ein Kippen des Klimas zu verhindern". Der Rat der Wissenschaft sei einhellig, sagte Söder. "Wer Klimaveränderung leugnet, versündigt sich an der nächsten Generation."
Söder verwies auf gestiegene Durchschnittstemperaturen, kürzere Winter, Dürre und Hochwasser - wie zuletzt im Berchtesgadener Land. Bayern sei vom Klimawandel besonders betroffen, weil die Alpen besonders betroffen seien. "In zehn Jahren sind die Gletscher komplett weg aus Bayern", sagte Söder. Insgesamt 50 Maßnahmen soll das bayerische Klimaprogramm laut Söder umfassen. Eine Milliarde Euro werde Bayern dafür im nächsten Jahr aufbringen, bis 2040 insgesamt 22 Milliarden Euro. Söder mahnte allerdings: Klimaschutz dürfe unter keinen Umständen ein "Eliteprojekt für Vermögende werden".
Hartmann: "Haben nur diesen einen Planeten"
Bayerns Grünen-Fraktionschef und Oppositionsführer Ludwig Hartmann zeigte sich enttäuscht über Söders Regierungserklärung. Er habe wenig Neues gehört, sagte Hartmann. Seine Vermutung: Söder habe beim Klimaschutz nicht die volle Rückendeckung der Regierungsfraktionen. Der Ministerpräsident sei für eine Solarpflicht und gegen Windkraft, bei Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sei es umgekehrt. Hartmann warf Söder in diesem Zusammenhang mangelnde Führungsstärke vor. "Wir haben nur diesen einen Planeten", warnte er. Immer mehr Menschen spürten die Auswirkungen der fortschreitenden Erdüberhitzung.
Der Grünen-Fraktionschef betonte, seit Söders Amtsbeginn als Ministerpräsident sei beim Klimaschutz wenig passiert. Das am 1. Januar 2021 in Kraft getretene Klimaschutzgesetz habe die Staatsregierung schon kurz darauf nach dem Klimaschutz-Urteil des Bundesverfassungsgerichts "in die Tonne getreten". Es sei ohnehin "unverbindlich und unkonkret" gewesen, monierte Hartmann. "Grüne Ideen für echten Klimaschutz liefern wir gerne", sagte er – und brachte erneut eine Sonderplenarwoche des Landtags kommende Woche ins Spiel. Eigentlich treffen sich die Abgeordneten an diesem Donnerstag zur letzten Plenarsitzung vor der Sommerpause.
AfD pro Kernkraft, SPD fordert Mobilitätswende
AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner kritisierte den politischen Umgang mit den jüngsten Hochwasser-Ereignissen. Die Politik könne derartige Katastrophen nicht verhindern - das nahezulegen sei "Irreführung" der Wähler. Ein tragisches Naturereignis werde missbraucht für den "Totalumbau" von Gesellschaft und Wirtschaft, erklärte Ebner-Steiner mit Blick auf die jüngsten Hochwasser-Ereignisse in Deutschland. Sie forderte die Nutzung moderner Kernkraftwerke: "Wer keine Atomkraft will, der muss verzichten." Die AfD-Politikerin kritisierte auch einen zu starken Fokus auf E-Mobilität und sprach sich für Methanol-betriebene Fahrzeuge aus.
Auch SPD-Fraktionschef Florian von Brunn bezeichnete Söders Pläne als unzureichend. Wenn Söder eine Milliarde Euro pro Jahr für den Klimaschutz ankündige, seien das "Peanuts" im Vergleich zu den "Steuergeschenken", die die Union laut ihrem Wahlprogramm für Konzerne plane. Es müssten jedes Jahr mehrere Milliarden in den Klimaschutz investiert werden. Der SPD-Fraktionschef verlangte mit Blick auf die 10H-Regelung, der klimafeindliche Windkraft-Stopp müsse endlich aufgehoben werden, nötig sei auch eine "ambitionierte Wärmewende" für einen Ausbau der Geothermie. Das größte Klimaproblem habe Bayern aber im Verkehrssektor: Es brauche massive Investitionen in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, der E-Lade-Struktur und des Carsharings.
Hagen: "Kleinteilig, teuer, ineffizient"
"Die deutsche Klimapolitik ist kleinteilig, teuer und ineffizient", kritisierte FDP-Fraktionschef Martin Hagen. Er warf Söder "teure Symbolpolitik" in Bayern und "bayerisches Strebertum" vor. Hagens Forderung: "Statt Planwirtschaft und Verboten müssen wir den Europäischen Emissionshandel mit festem CO2-Limit auf alle Sektoren ausweiten."
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