Grün angestrichen ist das Nördlinger Frauenhaus. Grün wie die Farbe der Hoffnung. Doch auch die Angst wohnt hier.
Mit acht Frauen und sechs Kindern ist das Haus voll belegt. Eine Bewohnerin, deren Namen wir hier nicht nennen, fürchtet, ihr Ex-Mann könnte sie finden. "Als ich hierhergekommen bin, war meine Psyche sehr kaputt", sagt sie. "Er hat gedroht, mich umzubringen und mir meine Kinder zu nehmen." Wäre sie nicht hier, wäre sie entweder nicht mehr am Leben oder in der Psychiatrie – davon ist die junge Frau überzeugt.
Ins Frauenhaus zu kommen, sei sicher nicht der Wunsch einer Frau. Doch die Zeit, die sie hier verbracht hat, sei für sie sehr wertvoll gewesen. Mit Unterstützung der hauptamtlichen Mitarbeiterinnen habe sie gelernt, ihr Leben als Alleinerziehende zu meistern.
Frauenhaus Nordschwaben mit ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen.
Erfahrung: Viele Menschen wissen nicht, was ein Frauenhaus ist
Doch noch immer wüssten viele nicht, dass es überhaupt Frauenhäuser gibt, berichtet Maja Pauer, ehrenamtliche Vorsitzendes des Vereins Projekt Frauenhaus Nordschwaben. Auch aus diesem Grund habe man sich mit dem Umzug des Hauses von Donauwörth nach Nördlingen vor gut einem Jahr für ein neues Konzept entschieden. Das Frauenhaus Nordschwaben ist das zweite in Bayern nach dem Haus in Germering, dessen genaue Adresse bekannt ist.
Wer im Netz nach Frauenhäusern (externer Link) sucht, findet dort sonst meist nur die Städte, in denen sie sich befinden, keine konkrete Adresse. 41 solcher staatliche geförderten Frauenhäuser gibt es in Bayern mit insgesamt 393 Plätzen für Frauen und rund 450 für Kinder.
"Die Frauen sind die Opfer, nicht die Täter"
Ziel des neuen Konzeptes sei, so die Nördlinger Mitarbeiterin Andrea Seilz, dass man die Gewalt gegen Frauen nicht weiter verstecken wolle. "Im Gegenteil, man möchte ja darauf aufmerksam machen, um etwas verbessern zu können, an der Situation der Opfer", sagt die Sozialpädagogin.
Ein Haus mit bekannter Adresse heiße natürlich nicht, dass jeder ein- und ausgehen könne, so die Vereinsvorsitzende Maja Pauer. Man habe ein Sicherheitskonzept mit der Polizei entwickelt, unter anderem Überwachungskameras installiert, um die Frauen so gut wie möglich zu schützen. Aber sich nicht mehr weiter verstecken zu müssen, das heiße eben, dass "das ganze Thema Frauenhaus mehr an die Öffentlichkeit kommt".
Schließlich, ergänzt die ehrenamtliche Mitarbeiterin Gertraud Kappler, seien die Frauen die Opfer, nicht die Täter. Was Frauen alles erleiden, bis sie sich für den Gang ins Frauenhaus entscheiden, weiß sie von ihrer Arbeit am Notfalltelefon. Abends und am Wochenende besetzt sie oft dieses Telefon, hört zu und bringt auch Frauen ins Frauenhaus – sofern dort ein Platz frei ist.
Wohnungsmarktkrise verschärft die Probleme
Das ist allerdings selten der Fall. Man bräuchte mehr Plätze, sagen die Verantwortlichen – auch weil Frauen ihr Zimmer oft länger als nötig belegten, da sie wegen des angespannten Wohnungsmarkts keine Wohnung fänden. Allerdings könnten nur acht Plätze staatlich gefördert werden, so Pauer. Berechnet werde das nach der Einwohnerzahl des entsprechenden Gebietes.
Finanzierung kostet kleinen Verein viel Kraft
Die Finanzierung bereitet den Mitarbeiterinnen Sorge: An den Grundkosten für das Haus sowie die Personalkosten für die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen muss sich der aus ehrenamtlichen Mitgliedern bestehende Verein zu zehn Prozent beteiligen. 90 Prozent kämen von den beiden Landkreisen Dillingen und Donau-Ries sowie als freiwillige Leistung auch vom Freistaat. Dafür sei der Verein auch dankbar, so Pauer.
Allerdings flössen diese Gelder nur, wenn der Verein zehn Prozent der insgesamt 300.000 Euro jährlich selber stemme, etwa durch Spendenaktionen. Für einen kleinen Verein sei das nicht einfach, so Pauer. Große Verbesserungen werde wohl auch das ab 2027 geltende Gewalthilfegesetz nicht bringen: Dann sind nicht mehr die Landkreise, sondern der Freistaat für die Finanzierung zuständig.
Mehr Öffentlichkeit für Gewalt gegen Frauen - auch zur Prävention
Ihr wichtigstes Anliegen ist mehr Öffentlichkeit für das Thema. Deshalb auch das neue Konzept, das Haus mit bekannter Adresse. Denn, da sind sich die Mitarbeiterinnen einig: Gewalt gegen Frauen dürfe nicht mehr unter den Tisch gekehrt werden.
💡 Wer selbst Opfer von Gewalt ist, kann sich an das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" unter der Nummer 08000 116 016 wenden.
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