Die deutsche Fußballmannschaft hat "richtig einen Lauf" bei der EM in Deutschland: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hofft im ARD-Sommerinterview auf einen Sieg beim Spiel gegen die Schweiz.
Scholz: SPD muss "für bessere Wahlergebnisse kämpfen"
Eine Niederlage hingegen musste die Kanzler-Partei bei der Europawahl hinnehmen: Die SPD hat mit 13,9 Prozent das schlechteste Ergebnis eingefahren, seit es die Bundesrepublik gibt. Das Ende der Ära der Sozialdemokratie? "Nein", meint Scholz. Er verweist auf die vielen Krisen im Land und auf der Welt, die die Bürger verunsichern – daher brauche es gerade jetzt aus seiner Sicht die Sozialdemokraten.
Doch die haben jetzt die Aufgabe, "für bessere Wahlergebnisse zu sorgen und darum zu kämpfen." Keine einfache Aufgabe in Zeiten des Ukraine-Kriegs, des Kriegs im Nahen Osten, der Inflation und des Klimawandels: "Das ist viel, wenn es darum geht, miteinander Sicherheit zu gewährleisten."
Landtagswahlen im Osten: Klare Kante gegen AfD
Ein Miteinander scheint derzeit jedoch schwierig, sowohl in der Ampel-Regierung als auch in der Bevölkerung: Das Land ist – angesichts von Wahlumfragen und Ergebnissen – in Ost und West geteilt. Die anstehenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg werfen ihren Schatten voraus.
Eine aktuelle infratest dimap Umfrage zeigt: In Sachsen liegt die AfD bei 30 Prozent, das Bündnis um Sahra Wagenknecht (BSW) kommt auf 15 Prozent. Dahinter liegen abgeschlagen die Ampel-Parteien SPD (7 Prozent) und Grüne (7 Prozent). Eine Zusammenarbeit mit dem BSW beispielsweise in Thüringen schließt der Kanzler nicht aus, will sich aber nicht "einmischen" und die Entscheidung dem Land überlassen. Klartext hingegen bei der AfD: "Die AfD ist nicht akzeptabel als Partner, mit denen darf nicht kooperiert werden."
Kanzler hält an Unterstützung für Ukraine fest
Scholz weiß: Viele Bürger im Osten sind nicht mit der Ukraine-Hilfe oder den Sanktionen gegen Russland einverstanden. "Und das schlägt sich auch unter anderem in den Wahlergebnissen nieder." Trotz schlechter Umfragen hält der Kanzler im ARD-Sommerinterview an seinem Kurs mit der Ukraine-Unterstützung fest: "Aber da gibt es aus meiner Sicht nicht die Alternative, dass wir das jetzt ändern."
Eine generelle politische Kurskorrektur fordern hingegen viele SPD-Mitglieder. Sie sind insgesamt unzufrieden mit dem Kanzler. Eine infratest dimap Umfrage von Anfang Juni zeigt: Nur 23 Prozent der Gesamtbevölkerung finden, Olaf Scholz sei ein guter Bundeskanzler. Selbst unter den eigenen SPD-Anhängern denken das demnach nur 64 Prozent. Mehr Sozialdemokratie, mehr Klartext, so der Wunsch. Die SPD-Linke hat sogar ein Mitgliederbegehren angesichts der aktuellen Bundeshaushalts-Debatte angestoßen. Sie fordern: keine Kürzungen beim Sozialen.
Haushaltsdebatte: "Wir müssen mit dem Geld auskommen, das wir haben"
Und Scholz? Wie so oft verteidigt er: Der Mindestlohn wurde bereits erhöht, ebenso das Kindergeld, der Kinderzuschlag und die Renten. "Wir werden den Sozialstaat verteidigen und wir werden ihn auch entwickeln." Doch wie – das lässt er unbeantwortet. Gleichzeitig betont er: "Wir müssen mit dem Geld auskommen, das wir haben – daran führt nun mal kein Weg vorbei."
Der Blick nach vorne für den Kanzler: herausfordernd. Viele Probleme treiben die Menschen um, von der Wohnungsnot über Bürgergeld-Diskussionen bis hin zur Klimakrise. Vieles werde unternommen bei den Themen, so der SPD-Politiker, beispielsweise härtere Sanktionen gegen Job-Verweigerer. Beim Bürgergeld verspricht der Kanzler zudem Treffsicherheit, "dass nicht sowas passiert, dass jemand arbeitet, das Einkommen verschweigt und dann noch gleichzeitig Bürgergeld kriegt." Dafür wurde die Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Zoll ausgebaut und es werden weitere "klare Gesetzesverschärfungen" kommen.
Und wie sieht es bei Wohnungen aus? Es müssten mehr und bezahlbare Wohnungen entstehen, dafür brauche es mehr Bauland. Verabredungen seien bereits getroffen, so Scholz. Denn klar sei: Es gebe zu viele Vorschriften.
Corona-Aufarbeitung: Scholz für Bürgerrat
Auch beim Blick zurück sind strenge Vorgaben Thema: Die Corona-Pandemie hat Spuren hinterlassen. "Es hat ein paar Entscheidungen gegeben, die drüber waren", resümiert Scholz. Untersagte Spaziergänge im Freien, keine Teilnahme bei Beerdigungen, Diskussionen über eine Impfpflicht – der Kanzler spricht sich für eine Aufarbeitung der Pandemie aus, in Form eines Bürgerrats. "Da sind nicht nur Experten und Abgeordnete und all die, die man schon kennt, dabei, sondern Bürgerinnen und Bürger – das finde ich nicht schlecht."
Die Bürger sind es auch, die nächstes Jahr entscheiden: bei der Bundestagswahl. Wen stellt die Union als Kanzlerkandidaten auf? NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) oder CDU-Chef Friedrich Merz? Der Kanzler meint: "Die Entscheidung überlasse ich der Partei". Er gehe aber davon aus, dass es der CDU-Vorsitzende Merz wird.
Merz macht Ampel für Erstarken der AfD verantwortlich
Dabei sind Scholz und Merz nicht bei allen Themen unterschiedlicher Meinung: Das Festhalten an der Schuldenbremse etwa unterstützt der CDU-Chef. Auch bei der Ukraine-Hilfe ist er auf Scholz' Seite, wie er im ZDF-Sommerinterview klarmacht.
Doch das war es mit den Gemeinsamkeiten. Merz macht die Ampel-Parteien für das Erstarken der AfD verantwortlich: "Die Opposition kann die AfD nicht halbieren, wenn die Regierungspolitik die AfD verdoppelt." Als Gründe nennt er ungelöste Probleme des Alltags, wie die Flüchtlingspolitik. Die Union liegt im Osten derzeit auf Platz 2. Merz' Strategie für die anstehenden Wahlen ist ein ungewöhnlicher Appell an die Wähler der Ampel-Parteien, "die allesamt einstellig sind und möglicherweise alle drei unter fünf Prozent bleiben". Er appelliert "jetzt in dieser Situation die CDU zu wählen".
Kanzlerfrage: Scholz gegen Merz?
Weder Scholz noch Merz stehen in der Beliebtheits-Skala derzeit gut da: Nur 20 Prozent glauben nach einer infratest dimap Umfrage, dass der Unions-Chef ein guter Bundeskanzler wäre. Selbst unter CDU/CSU-Wählern glauben nur 45 Prozent, dass er ein guter Kanzler wäre.
Beim sportlichen Tipp hingegen reagiert der Kanzler verhaltener: Beim Tippspiel zur Fußball-EM im Kanzleramt macht er nicht mit. Scholz meint bezogen auf den Fußball: Da sei er mehr Fan, nicht Experte.
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