Bundeskanzler Olaf Scholz begrüßt Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, vor einem gemeinsamen Abendessen in einem Sterne-Restaurant in Potsdam, der Wahlheimat des Kanzlers (Archivbild).
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Scholz und Macron - hier bei einem Treffen vor einem Jahr in Potsdam

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Auf Gedeih und Verderb – Macron auf Staatsbesuch in Deutschland

Auf Gedeih und Verderb – Macron auf Staatsbesuch in Deutschland

Zum 75. Jahrestag des Grundgesetzes kommt heute auch Frankreichs Präsident Macron nach Berlin - für einen dreitägigen Staatsbesuch. Dabei trifft er auch Kanzler Scholz. Man darf auf die Begegnung dieser gegensätzlichen Persönlichkeiten gespannt sein.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

"Erst die Arbeit, dann das Vergnügen": Dieses urdeutsche Motto wirft man beim Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Deutschland getrost über den Haufen. Denn: Erst wird gefeiert - in Berlin, Dresden und Münster -, dann wird gearbeitet, und zwar beim deutsch-französischen Ministerrat in Meseberg.

Zunächst einmal gehe es feierlich um die Botschaft, dass die deutsch-französische Beziehung wichtiger sei denn je, erklärt der Politikwissenschaftler Eric-André Martin vom Französischen Institut für internationale Beziehungen (IFRI): "Sie ist wichtig, um in Europa die Energien zu bündeln." Außerdem erwarteten die europäischen Partner ein Signal der Übereinstimmung zwischen Paris und Berlin.

Zwei Männer, ein Ziel: ein souveränes Europa

Übereinstimmung herrscht bei den großen Linien. Europa muss unabhängiger werden, souveräner. Dieses Ziel teilen beide, Scholz und Macron. Bloß der Weg birgt Konflikte. Grob gesagt geht es um zwei große Felder.

Zum einen die Wirtschaft: Zwar haben Paris und Berlin gerade eine gemeinsame Initiative für mehr Wachstum angestoßen. Sie wollen etwa das Projekt einer europäischen Kapitalmarktunion vorantreiben, damit die hiesigen Unternehmen leichter an Kredite kommen.

Doch sobald es um den internationalen Wettbewerb geht, ist die Lesart Macrons eine ganz andere als die von Scholz. In seiner zweiten großen Europa-Rede an der Pariser Universität Sorbonne forderte der französische Präsident Ende April einen Paradigmenwechsel: "Offener Markt ja, aber wir müssen unsere Interessen verteidigen. Wir können nicht die einzigen sein, die sich an die alten Handelsregeln halten. Wenn China und die USA sich nicht mehr daran halten und ihre strategischen Wirtschaftssektoren übersubventionieren, dann können wir nicht weiter machen wie bisher. Das wird nicht funktionieren."

Frankreich will protegieren, Deutschland exportieren

Das klingt nach Protektionismus und ist auch so gemeint. Ein No-Go für die auf Export ausgerichtete deutsche Wirtschaft, die stark mit China kooperiert und einen Wettlauf der Schutzzölle nicht gebrauchen könnte. Für Politikwissenschaftler Martin stellt sich die entscheidende Frage: "Werden Deutschland und Frankreich in der Frage europäischer Zölle eine gemeinsame Antwort finden?"

Dem französischen Magazin "L'Express" sagte Macron jüngst, er werde versuchen, die Deutschen von einem neuen Wirtschafts- und Wachstumsmodell zu überzeugen. Die EU brauche ein umfangreiches Budget für Investitionen etwa in Klimaschutz und in künstliche Intelligenz, aber auch in Verteidigung.

Verteidigung - der zweite Knackpunkt zwischen Deutschland und Frankreich.

"Rien ne doit être exclu" - alles für die Ukraine-Verteidigung?

"Man sollte nichts ausschließen": Dieser kurze Satz von Macron hatte in Berlin Ende Februar erst Wallungen ausgelöst und dann harsche Abwehr hervorgerufen. Es ging um Bodentruppen für die Ukraine. Der IFRI-Politologe Martin spricht von einer Irritation, die Distanz zwischen die beiden engen Partner gebracht habe. Hinzu komme das unterschiedliche Vorgehen bei Mittelstreckenraketen - Stichwort "Taurus" - und dann die in Berlin gerne geäußerte Frage, ob Frankreich nicht im Vergleich viel zu wenig für die Ukraine tue.

Zwar hätten Deutschland und Frankreich endlich Fortschritte mit dem gemeinsamen Panzerprojekt MGCS gemacht. Aber das verdecke ein bisschen die unterschiedliche Herangehensweise, die unterschiedlichen Persönlichkeiten von Scholz und Macron. Ein entscheidender Punkt in den deutsch-französischen Beziehungen.

Scholz und Macron - diametrale Persönlichkeiten

Scholz und Macron - das ist eine Geschichte von stetem Hin und Her, wie Ebbe und Flut. Hier der dynamische, hyperaktive Franzose, Spitzname "Jupiter" oder auch "L'Élu" (der Auserwählte), wie ihn seine geliebte Großmutter nannte. Dort der stoische, unterkühlte Hanseate, Spitzname "Scholzomat": Unterschiedlicher können Temperamente nicht sein. Der eine hüpft wie ein Gummiball von Termin zu Termin, von Vision zu Vision, hält stundenlang geschliffene Reden. Der andere brütet lieber lange und intensiv, hält Visionen für schädlich und kommuniziert nach außen ausgesprochen ungern. Überzeugt von sich selbst sind sie allerdings beide. Sehr.

Im Kanzleramt in Berlin rollt man gelegentlich die Augen über den Weltverbesserungsdrang des französischen Präsidenten. Dessen bisweilen arg morbide Ausführungen zur Zukunft der Nato - Stichwort "hirntot" - oder zu Europa - Stichwort "kann sterben" - werden im nüchternen Berlin als im Kern zwar richtig, in der Sprache aber als alarmistisch erachtet.

Macron bedient sich oft und gerne bei französischen Dichtern, in der Rede an der französischen Sorbonne-Universität Ende April war es Paul Valéry. Scholz liest zwar auch gerne und viel, aber käme kaum auf die Idee, in seinen Reden deutsche Dichter zu zitieren. Pathos ist dem Bundeskanzler so fremd wie es dem französischen Präsidenten lieb ist.

"Schocron"? Vielleicht in kleinen Schritten

Zur Erinnerung: Auch Scholz' Amtsvorgängerin Angela Merkel und Macron fremdelten zu Beginn stark. Am Ende stand "Mercron", ein Duo, das trotz fundamentaler Unterschiede in Wirtschaftsfragen - siehe Corona-Fonds und auch Temperamenten - zusammengefunden hatte. Oder wie Merkel es gegen Ende ihrer Amtszeit trocken formulierte: "Wir haben uns zusammengerauft".

Dass es in naher Zukunft zu einem "Schocron" kommen könnte, einem zusammengerauften Scholz und Macron, ist jedoch nicht ausgemacht.

Der politische Wille dazu scheint immerhin vorhanden. Der Bundeskanzler hat schnell auf Macrons zweite große Europa-Rede reagiert. Auf der Plattform X bedankte er sich für die guten Impulse. Und: Gerade veröffentlichte Scholz im britischen "The Economist" einen Gastbeitrag. Darin lobt er ausdrücklich Macrons Vorschlag, die gemeinsame europäische Verteidigung zu stärken. Er begrüßt, dass Macron die französische Abschreckung durch Nuklearwaffen auch in den Dienst Europas stellen will. Das wird beim französischen Präsidenten gut angekommen sein. Noch lieber wäre es Macron sicher gewesen, der Kanzler hätte diese Zeilen in einer französischen Zeitung veröffentlicht.

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