Dass die AfD dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk generell kritisch gegenübersteht, ist kein Geheimnis. Doch der rechtsextreme Björn Höcke und seine AfD-Fraktion im Thüringer Landtag wollen noch einen Schritt weitergehen: "Was passiert denn, wenn der Höcke dann Ministerpräsident wird? Kündigt der denn die Medien-Staatsverträge?" Diese rhetorische Frage warf Höcke auf dem Parteitag der als rechtsextrem eingestuften Thüringer AfD im November 2023 auf, um sie sofort selbst zu beantworten: "Ja, das macht der Höcke dann!"
Den Medien-Staatsvertrag kündigen – wäre das das Ende des Mitteldeutschen Rundfunks, kurz MDR? Und wenn Höcke, was im Moment unwahrscheinlich erscheint, in Thüringen zum Ministerpräsidenten gewählt würde: Könnte er dann überhaupt so einfach den Medien-Staatsvertrag kündigen?
"Komplett im Alleingang"
Die Juristin Marie Müller-Elmau beantwortet diese Frage mit einem klaren: Ja. Der Landtag müsse zwar dem Abschluss dieser Staatsverträge zustimmen, nicht aber deren Kündigung. Marie Müller-Elmau ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des "Verfassungsblogs" und beschäftigt sich mit der Frage: Welche Spielräume haben autoritäre Parteien, um ihre Macht zum Schaden der Demokratie einzusetzen? Beispiele aus Polen oder der Slowakei zeigten, dass autoritäre Parteien, sobald sie die Regierung stellen, versuchen, die Berichterstattung von öffentlich-rechtlichen Medien in ihrem Sinne zu beeinflussen.
Der "Verfassungsblog" wird von verschiedenen Forschungseinrichtungen finanziert. Müller-Elmau sagt: In Thüringen gelte die Besonderheit, dass der Ministerpräsident den Medien-Staatsvertrag sogar ohne die Zustimmung seines Kabinetts, also komplett alleine, kündigen könne.
Wie reagiert der MDR?
Jens-Ole Schröder ist juristischer Direktor des MDR. Er sagt zu Höckes Plänen: "Solche Ankündigungen sind ernst und sie sind ernst zu nehmen, weil: Wenn so eine politische Mehrheit bestünde, dann könnte ein solches Kündigungsszenario herbeigeführt werden." Allerdings würde der MDR als Dreiländer-Anstalt auch nach dem Austritt Thüringens weiterbestehen. Schließlich sind am MDR auch noch Sachsen und Sachsen-Anhalt beteiligt. Laut Schröder bleibt die technische und redaktionelle Infrastruktur in Thüringen von der Kündigung unberührt.
Der Sendebetrieb über Satellit, Kabel und Internet dürfe ebenfalls weiterlaufen. Entzogen werden könne hingegen die Lizenz, den MDR in Thüringen terrestrisch auszustrahlen. Also zum Empfang über Radio und Antenne. Aber: "Da gibt es durchaus die Möglichkeit: Dass wir aus der Nachbarschaft mit starken Sendern nach Thüringen hineinsenden können", fügt Jens-Ole Schröder hinzu.
Höckes "Grundfunk"
Nach der Kündigung müsste sich das Land Thüringen um einen neuen Rundfunk kümmern. Björn Höcke hat auch schon eine Vorstellung, wie dieser aussehen könnte: "Da müssen wir eben mal die Keule rausholen und dann wird das erstmal gekündigt, dieses Vertragswerk. Und dann wird es neu aufgesetzt." Es solle nach seiner Vorstellung künftig nur noch einen "Grundfunk" geben, führt Höcke weiter aus. Dieser werde auf etwa zehn Prozent des aktuellen öffentlich-rechtlichen Rundfunks reduziert. Der Rundfunkbeitrag oder "Zwangsbeitrag", wie Höcke ihn nennt, würde durch eine Steuer ersetzt.
Steuer statt Rundfunkbeitrag?
Den Rundfunkbeitrag durch eine Steuer zu ersetzen, über deren Höhe die Politik befinden könnte, ist aber juristisch kaum möglich, wie Jens-Ole Schröder vom MDR betont: "Das wäre grundsätzlich sehr, sehr schwierig. Weil dem grundsätzlich entgegensteht: das Gebot der Staatsferne der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks." Außerdem betont der Jurist Jens-Ole Schröder: Den Rundfunkbeitrag müssten die Thüringerinnen und Thüringer sogar im Falle einer Kündigung weiterhin zahlen. Das Bundesverfassungsgericht habe der Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in mehreren Urteilen enge Grenzen gesetzt.
Im Video: Warum zahlen? Darum gibt es den Rundfunkbeitrag
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