Nach einer kontroversen Debatte, in der die konträren Positionen zur Legalisierung von Cannabis noch einmal heftig aufeinanderprallten, hat der Bundestag dem Gesetzentwurf der Ampel-Koalition zugestimmt. Mit Ja stimmten 407 Abgeordnete, 226 mit Nein, vier enthielten sich der Stimme.
Lauterbach: Der Weg "weg von der Tabuisierung" ist der richtige
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte zu Beginn der Debatte noch einmal für den Gesetzentwurf geworben. Ziele seien die Bekämpfung des Schwarzmarktes und ein besserer Kinder- und Jugendschutz. Die jetzige Lage am Cannabis-Markt sei "in keiner Weise akzeptabel", die Zahl der Konsumenten steige, ebenso die der Cannabis-Delikte.
"Wir können so nicht weitermachen", sagte Lauterbach, der Gesetzentwurf stelle sich den Problemen und schaffe "eine Alternative zum Schwarzmarkt", auf dem oft problematische Cannabis-Produkte vertrieben würden. Die Wissenschaft zeige, dass die Ampel-Koalition mit ihrem Gesetzentwurf den "richtigen Weg" gehe, "weg von der Bestrafung, weg von der Tabuisierung".
Für die neue Regelung sei zwar ein hoher Kontrollaufwand nötig, sie sei aber unumgänglich um Cannabis-Konsumenten zu entkriminalisieren. Zudem werde die Aufklärung gerade für Jugendliche über die Gefahren des Cannabis-Konsums verstärkt, so Lauterbach. Der Opposition warf der Minister eine polemische Ablehnungshaltung gegenüber dem neuen Gesetz vor.
CDU wirft Lauterbach "Fake-News" vor
Der CDU-Gesundheitsexperte Tino Sorge sagte, Lauterbachs Rede sei "die Absurdeste, die ich hier seit langem gehört habe". Lauterbach agiere mit "Fake-News", praktisch alle Experten warnten vor dem Vorhaben der Ampel, das großen Schaden anrichten werde. Lauterbach sei einer offenen Debatte aus dem Weg gegangen und habe mit dem Gesundheitsausschuss nicht diskutiert.
Simone Borchardt von der CDU nannte das Gesetz "völlig überflüssig", Polizei und Behörden seien nicht auf die neuen Regelungen vorbereitet, die angekündigte Verstärkung der Prävention sei nur "ein Lippenbekenntnis" und das Personal dafür gar nicht vorhanden. Das neue Gesetz sei "eine Steilvorlage für alle Dealer", auch weil die Abgabe über Clubs erst mit Verzögerung komme. Stephan Pilsinger von der CSU ging die Befürworter des Gesetzentwurfs hart an. "Sie wollen nur die Dealer schützen und nicht die Konsumenten", warf er ihnen vor.
Grüne: Neuregelung ist Maßnahme gegen den Schwarzmarkt
Kirsten Kappert-Gonther (Güne) sagte, der "Paradigmenwechsel" in der Drogenpolitik sei angesichts von "gepanschtem Cannabis" vom Schwarzmarkt und steigenden Konsumentenzahlen dringend nötig. Über die geplanten Cannabis-Clubs werde Cannabis mit kontrollierbarem THC-Gehalt abgegeben, das sei echter "Gesundheitsschutz". Mit "Prohibition" gegen Cannabis sei dem Konsum nicht beizukommen. Das Gesetz sei ein "Meilenstein einer vernunftgeleiteten Drogenpolitik.
Maria Klein-Schmeink fügte für die Grünen hinzu, Jugendliche wüssten heute oft nicht, welche Gefahren Cannabis-Konsum mit sich bringe, für sie gebe es bisher zu wenig Aufklärung, sie seien abhängig vom Schwarzmarkt und von Dealern. Ein "vernunftgeleiteter Paradigmenwechsel" sei daher geboten, der diese Abhängigkeiten löse.
SPD und FDP: Neue Regelung bringt "echten Jugendschutz"
Kristine Lütke, die Drogenexpertin der FDP, erklärte, das neue Gesetz erkenne lediglich Realitäten an. Der Schwarzmarkt beherrsche die Szene und zwinge Konsumenten zum Konsum problematischer Produkte. Nun könne Cannabis aus kontrolliertem Anbau und unter Beachtung des Jugendschutzes erworben werden. Ein "echter und ernstgemeinter Jugendschutz" sei nur mit der neuen Regelung möglich, die individuelle Entscheidungsfreiheit der Konsumenten werde gestärkt. Das neue Gesetz sei der "historische Schritt weg von der gescheiterten Verbotspolitik".
Heike Baehrens von der SPD warf der Opposition vor, "wutschnaufend" und irrational auf die Gesetzespläne zu reagieren und attestierte ihr ebenso wie Lütke, die Realität in Deutschland zu verleugnen. "Strafandrohung hilft nicht", sagte Baehrens, "wir erkennen die Realität an und stellen den Gesundheitsschutz ins Zentrum unserer Drogenpolitik". Suchthilfe, Beratungsangebote, Alternativen zum Schwarzmarkt und die Strafen für Dealer würden verstärkt, das sei "aktiver Kinder- und Jugendschutz".
AfD: Der Schwarzmarkt wird boomen
Jörg Schneider von der AfD hielt dem entgegen, der Gesetzentwurf werde das Gegenteil von dem erreichen, was er angeblich beabsichtige. Die Nachfrage werde steigen und ebenso das Angebot. Ab dem 1. April werde der Schwarzmarkt einen Boom erleben und das Cannabis-Angebot dort "dreckiger" sein als zuvor, auch weil die legalen Cannabis-Clubs unsinnigerweise später kämen als die Legalisierung der Droge. Das Beispiel Niederlande zeige, dass die "Cannabis-Mafia" von einer Legalisierung profitiere. Die Gesetzesvorlage sei "ein Konjunkturprogramm für das organisierte Verbrechen".
Ates Gürpinar von der Linken führte die Heftigkeit des konservativen Widerstandes gegen die Neuregelung hingegen als Beleg für deren Richtigkeit an. Es sei eine Heuchelei, Alkohol in Supermärkten zu verkaufen und Cannabis in den Schwarzmarkt abzudrängen.
Zum Nachsehen: Debatte und Abstimmung zum neuen Cannabis-Gesetz
Gesetz geht jetzt in den Bundesrat
Nach dem Gesetzentwurf aus dem Haus von Gesundheitsminister Lauterbach sollen Erwachsene künftig 50 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum im privaten Raum besitzen dürfen. In der Öffentlichkeit liegt die Grenze bei 25 Gramm. Die Regelung erlaubt den privaten Besitz von drei Cannabispflanzen pro Person zum Eigenkonsum. Anbauvereinigungen mit bis zu 500 Mitgliedern dürfen die Droge zum Eigenbedarf und zur nichtgewerblichen kontrollierten Weitergabe anbauen. Für Minderjährige sollen Besitz und Konsum aber verboten bleiben.
Die Bundesländer müssen die neuen Regeln nun umsetzen. Der Bundesrat berät am 22. März über das neue Gesetz und kann noch Einspruch einlegen. Dann könnte sich das Inkrafttreten des Gesetzes über das geplante Datum am 1. April hinaus verzögern, stoppen kann die Länderkammer das Gesetz aber nicht, da es nicht zustimmungspflichtig ist.
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