Wer sich künftig nach dem Konsum von Cannabis ans Steuer setzt, muss, ähnlich wie beim Alkohol, einen Grenzwert beachten. Der Bundestag hat jetzt mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP das im Februar beschlossene Gesetz zur Cannabis-Legalisierung nachgebessert, das am 1. April in Kraft getreten war. Die neue Regelung sieht aber nicht nur das, sondern auch zusätzliche Bestimmungen für die neuen Anbauvereine vor. So soll das Entstehen von Großplantagen verhindert werden.
THC-Grenzwert künftig bei 3,5 Nanogramm
Analog zur Promillegrenze beim Alkohol gibt es künftig für Cannabis am Steuer einen Grenzwert von 3,5 Nanogramm des berauschenden Wirkstoffs THC. THC ist der Stoff, der hauptsächlich für die Rauschwirkung von Cannabis verantwortlich ist. Wer mit höheren Werten erwischt wird, soll in der Regel 500 Euro Bußgeld zahlen und einen Monat den Führerschein abgeben.
Wegen der Risiken des Mischkonsums gilt nach dem Cannabis-Genuss ein komplettes Alkoholverbot im Straßenverkehr. Und für Fahranfänger ist Cannabis am Lenkrad vollständig tabu. Für die Probezeit und bis zum 21. Lebensjahr heißt das also: Fahren unter Cannabiseinfluss ist verboten. Dasselbe gilt, wie bereits jetzt, bei Alkohol. Das heißt: ein bisschen Kiffen und dazu noch Alkohol trinken und dann Autofahren, das geht nicht. Wer das tut, soll mindestens 1000 Euro Bußgeld und einen Monat Fahrverbot erhalten.
Außerdem wird den Bundesländern jetzt noch ein größerer Handlungsspielraum eingeräumt, etwa bei der Überprüfung der Anbauvereine, die die Droge ab dem 1. Juli gemeinschaftlich anbauen und an Mitglieder abgeben dürfen.
Koalition folgt Expertenkommission
Mit dem Grenzwert folgt die Ampelkoalition der Empfehlung einer unabhängigen Expertenkommission, die das Verkehrsministerium beauftragt hatte. Die Experten kamen zu dem Schluss, dass ab dem Grenzwert von 3,5 Nanogramm THC eine "verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeuges nicht fernliegend" sei. Dieser Wert sei recht konservativ angesetzt und in etwa vergleichbar mit 0,2 Promille Alkohol. Bei Verstößen drohen Geldstrafen bis zu 3.000 Euro.
Bekifft Autofahren tabu
"Eines ist klar", erklärt der FDP-Abgeordnete Jürgen Lenders, Fachmann für Verkehrsrecht in seiner Fraktion. "Jemand, der zur Tüte greift, muss auch weiterhin die Finger vom Steuer lassen." Das würde der bisher üblichen Rechtspraxis mit einem Grenzwert von einem Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum entsprechen. Doch aus Sicht der Koalitionäre würde eine solche Regelung die Falschen bestrafen.
Die Begründung: Der Cannabis-Wirkstoff THC wird anders als Alkohol im Körper zum Teil sehr langsam abgebaut. Er kann noch tagelang im Blut nachweisbar sein, selbst wenn die Wirkung nicht mehr zu spüren ist. Das betrifft besonders regelmäßige Cannabis-Konsumenten. Aus Sicht der Koalition soll aber niemand bestraft werden, der freitags Cannabis konsumiert und montags ohne jede Beeinträchtigung zur Arbeit fährt.
Union: Verkehrssicherheit gefährdet
Bei der Union in der Opposition sieht man das anders. Die Schwanthaler CSU-Abgeordnete Martina Englhardt-Kopf ist Mitglied im Verkehrsausschuss. Ihre Unionsfraktion fordert eine Nulltoleranzgrenze für alle. Die Oberpfälzerin hat große Zweifel, dass Autofahren mit dem Ampel-Grenzwert wirklich sicher ist. "Viele Experten haben eine völlig andere Einschätzung, außerdem fehlen fundierte Langzeitstudien", kritisiert die CSU-Abgeordnete. Auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann hatte bereits Widerstand gegen den Grenzwert angekündigt.
Dünne Studienlage
Die Legalisierung sei in der Tat Neuland und die Studienlage vergleichsweise dünn, stimmt der FDP-Abgeordnete Jürgen Lenders zu. Allerdings stütze man sich auf verlässliche Einschätzungen eines unabhängigen Expertenrats. Der besteht aus Fachleuten aus Medizin, Recht und Verkehrswesen. Allerdings weisen verschiedene Mediziner darauf hin, dass die THC-Konzentration im Blut nicht unbedingt etwas über die Fahrtüchtigkeit aussage. Anders als bei Alkohol gibt es bei Cannabis keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen THC-Konzentration im Blut und tatsächlicher Wirkung.
Polizei gegen neuen Grenzwert
Nicht nur die Union, auch Vertreter der bayerischen Polizei sehen den neuen Grenzwert kritisch. Thomas Grimme, stellvertretender Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft Bayern, befürchtet steigende Unfallzahlen. Der Grenzwert könne ein falsches Signal senden, so der Polizeibeamte. Konsumenten könnten annehmen, dass sie trotz Cannabis-Konsum Auto fahren könnten.
Die Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin empfiehlt, nach dem Konsum von Cannabis mindestens zwölf Stunden zu warten. Wer mehr als einen Joint raucht, sollte mindestens 24 Stunden kein Fahrzeug lenken. Regelmäßigen Konsumenten von Cannabis raten die Experten, das Auto ganz stehenzulassen.
Im Audio: Cannabis-Gesetz im Fokus bei internationaler Anti-Drogen-Tagung
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