Deutscher Bundeswehr-Soldat in Afghanistan. (Archivbild)
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Deutscher Afghanistan-Abzug: Vermeidbares Chaos

Deutscher Afghanistan-Abzug: Vermeidbares Chaos

Unvorbereitet, zögerlich, unkoordiniert – der Bundestags-Untersuchungsausschuss zum Ende des deutschen Afghanistan-Einsatzes stellt der damaligen Regierung ein schlechtes Zeugnis aus und schlägt Konsequenzen vor.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Wenn Untersuchungsausschüsse ihre Arbeit beenden, gehen die Sichtweisen der unterschiedlichen Parteien häufig sehr weit auseinander. Auch beim Afghanistan-Untersuchungsausschuss ist das in Teilen so. Es überwiegen aber die Schnittmengen. Mit Ausnahme der AfD einigten sich alle Parteien auf einen gemeinsamen Abschlussbericht. Mehr als 470 Stunden hat sich der Ausschuss mit dem Ende des deutschen Afghanistan-Einsatzes beschäftigt. Würde man die gesammelten Daten ausdrucken, wären es 1,4 Millionen Seiten. Da fällt der Abschlussbericht mit 1.410 Blatt geradezu schmal aus.

Gemeinsames Lagebild fehlte

Die Ausschussmitglieder sehen mehrheitlich Versäumnisse. Die Bundesregierung hätte aus ihrer Sicht besser auf die Ereignisse im Sommer 2021 vorbereitet sein können. Nach dem Abkommen von Doha zwischen den Taliban und der US-Regierung habe festgestanden, dass die Taliban eine Regierung im Wartestand seien, erklärte der Ausschussvorsitzende Ralf Stegner von der SPD nun bei der Vorstellung des Abschlussberichts. Aus seiner Sicht reagierte die damalige Bundesregierung nicht ausreichend auf die veränderte Situation. Während der sich verschärfenden Krise vor Ort habe eine gemeinsame Lageanalyse gefehlt, so Stegner. Die verschiedenen Ressorts hätten ihre Bewertungen zwar regelmäßig vorgetragen. Das habe aber nicht zu einem gemeinsamen Lagebild geführt.

Ministerien zogen nicht an einem Strang

Die verschiedenen Bundesministerien verfolgten unterschiedliche Interessen. Beispiel Ortskräfte: Das Verteidigungsministerium drängte frühzeitig auf ein vereinfachtes Verfahren, um sie nach Deutschland holen zu können. Das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium seien da zurückhaltender gewesen, weil sie gehofft hätten, vor Ort weiter arbeiten zu können, resümierte Ralf Stegner.

Das Innenministerium, damals geführt vom CSU-Politiker Horst Seehofer, meldete Sicherheitsbedenken an, fürchtete eine unkontrollierte Einreise von Ortskräften. Aus Sicht des stellvertretenden Ausschussvorsitzenden Thomas Erndl (CSU) war diese Vorsicht begründet. SPD-Mann Stegner warf den beteiligten Ministerien vor, Bürokratie vor Humanität gestellt und nach Manier eines Katasteramtes gehandelt zu haben. Aus Sicht von Stefan Keuter, der für die AfD im Ausschuss saß, bestand für die afghanischen Ortskräfte gar keine Gefahr. Das sehen die Vertreter der anderen Parteien im Ausschuss anders.

Unterschiedliche Sichtweisen zum BND

Dem BND wird auch im Abschlussbericht des Ausschusses vorgeworfen, die Lage unmittelbar vor dem Fall der afghanischen Hauptstadt Kabul an die Taliban falsch eingeschätzt zu haben. Der Nachrichtendienst habe die zeitliche Dynamik nicht erkannt, bilanzierte der Ausschussvorsitzende Stegner. Sein Stellvertreter Erndl allerdings sieht den BND insgesamt durch den Bericht rehabilitiert. Grundsätzlich habe der Nachrichtendienst die Ereignisse richtig vorhergesagt, betonte Erndl. Dafür, dass die unterschiedlichen Interessen der Bundesministerien Entscheidungsprozesse hemmten und erst spät eine gemeinsame Linie entstand, trägt aus Sicht von FDP und Grünen die damalige Kanzlerin, Angela Merkel, die Verantwortung.

Welche Lehren sind zu ziehen?

Wichtig sind die mehrheitlichen Schlussfolgerungen des Ausschusses: Für Notlagen dieser Art soll ein dauerhaftes Lagezentrum geschaffen werden, das aus den unterschiedlichen Interessen von Ministerien eine gemeinsame Linie entwickelt. Die Informationen der Nachrichtendienste müssen aus Sicht der meisten Ausschussmitglieder einen besseren Überblick bieten als im Fall Afghanistan und Szenarien wie ein schneller Abzug bei jedem Auslandseinsatz schon in der Vorbereitung mitgedacht werden. Gerade in Zeiten, in denen die USA ein unberechenbarer Partner sind, können solche Lehren von großer Bedeutung sein.

Im Video: Ergebnis des Untersuchungsausschusses zum Afghanistaneinsatz

Evakuierung aus Afghanistan (Archivbild)
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Evakuierung aus Afghanistan (Archivbild)

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