Trump will die Welt verändern. In seiner Inaugurationsrede wiederholte Trump seine Panama- und Golf-Rhetorik – von Grönland sprach er nicht mehr. Hat er erkannt, dass er in Bezug auf Grönland dieselbe Logik vorlegte wie Putin, wenn er seine Invasion der Ukraine verteidigt?
Thomas Jäger, Professor für internationale Politik und Außenpolitik an der Universität Köln, hat Trumps Amtsantritt beobachtet und gibt im BR24-Interview Antworten auf die drängendsten Fragen der neuen US-amerikanischen Außenpolitik, die auch Auswirkungen auf Deutschland haben.
BR24: Schenkt Trump jetzt Putin die Ukraine?
Thomas Jäger: Nein, das sieht nicht so aus. Er hat ja angekündigt, diesen Krieg relativ rasch zu beenden, aber er hat jetzt inzwischen verstanden, dass das rasch nicht geht. Und man hat in der amerikanischen Administration, die vorher nachgeschaut hat, was möglich ist, verstanden, dass Putin sich auf das, was die Vereinigten Staaten vorhaben, überhaupt nicht einlassen will. Putin geht es darum, dass die Ukraine keine Sicherheitsgarantien hat, dass sie demilitarisiert ist, dann ist ihm der Rest egal. Aber genau das sind die zwei Punkte, an denen die Amerikaner nicht mitspielen.
BR24: Was wäre ein Europa ohne die USA?
Jäger: Ein Europa ohne die USA wäre momentan ein Europa, das sich nicht verteidigen kann; ein Europa, das den Mächten, die militärischen Druck ausüben, letztlich ausgeliefert wäre. Europa ist ein großer Markt, es gibt hier viel Wohlstand.
"Europa hängt an der Ukraine"
Das ist attraktiv für Unternehmen. Das ist aber auch attraktiv für Staaten, die dieses Territorium dominieren wollen: Russland will das, ist aber letztlich am Ende zu schwach dazu. China ist nicht zu schwach dazu. China kann das, und das weiß man in den Vereinigten Staaten. Letztlich ist es die Auseinandersetzung zwischen den USA und China, die die jeweiligen Handlungen in dieser Auseinandersetzung mitprägt. Und da ist wiederum die entscheidende Frage: Versteht Trump den geopolitischen Wert Europas?
BR24: Verstehen wir denn den geopolitischen Wert Europas?
Jäger: Man tut immer noch so, als würde mit irgendeinem Verhandlungsergebnis Europa wieder in den Zustand zurückfallen können, der vor 2020 war. Das ist nicht der Fall. Wenn das in den europäischen Gesellschaften verstanden wird, dann wird man auch die Konsequenzen daraus ziehen können, sich nämlich militärisch zu ertüchtigen, sich ökonomisch, technologisch zu ertüchtigen, um eine eigenständige Rolle spielen zu können. Dazu sind die Europäer momentan nicht in der Lage. Das macht sie so schwach. Und wenn das nicht erreicht werden kann, bleibt man halt in irgendeiner Art und Weise von stärkeren Staaten abhängig. Und da muss man sich dann in Zukunft entscheiden, denn da gibt's nur noch zwei: die Vereinigten Staaten und China.
"Trump will den Friedensnobelpreis"
BR24: Trump sprach davon, Friedensstifter sein zu wollen. Gleichzeitig will er die USA als wachsende Nation verstanden wissen, die ihr Territorium erweitert. Ist das noch Rhetorik, die vom Wahlkampf gefärbt ist, oder sind das ernstzunehmende Ankündigungen?
Jäger: Das ist in beiderlei Hinsicht ernst zu nehmen. Das Erste ist ernst zu nehmen in einer ganz persönlichen Hinsicht: Donald Trump will den Friedensnobelpreis. Das ist etwas, was er wirklich anstrebt. Und das in direkter Konkurrenz zu Barack Obama, mit dem er sich ja in mehrerlei Hinsicht immer gemessen hat.
Und auch die zweite Ankündigung ist ernst, wenn Trump sagt: Wir nehmen uns den Panamakanal zurück. Nicht in dem Sinne, dass da morgen Truppen losgeschickt werden, sondern, dass er das Ziel ernst verfolgt, wieder die Kontrolle über den Kanal zu bekommen. Das ist ja auch ganz ähnlich bei Grönland, wo er gesagt hat, er schließt nicht aus, dass man da militärisch vorgehen wird.
BR24: Womit Trump die territoriale Integrität Dänemarks infrage stellt …
Jäger: Wenn Trump sagt, Grönland brauchen wir für unsere nationale Sicherheit, deshalb muss es zu den Vereinigten Staaten gehören, ist das dasselbe Argument, das Putin macht: Die Ukraine brauchen wir für unsere nationale Sicherheit, es muss zu Russland gehören. Und dass Trump dieses Argument so gemacht hat, war gerade mit Blick auf die Legitimation Russlands für seinen Krieg in der Ukraine eine Katastrophe.
Im Video: Schenkt Trump jetzt Putin die Ukraine – und dann den Rest Europas? Possoch klärt!
BR24: Welche Rolle spielt die Ukraine für Trump?
Jäger: Ohne Joe Biden gäbe es die Ukraine nicht mehr. Trump hat ein anderes Verhältnis zur Ukraine. Er hat immer wieder verkündet, dass die Ukraine zu viel kostet; da geht unser Geld hin, das brauchen wir eigentlich selbst. Jetzt aber wird die Administration Trump sehr wohl erkennen, dass an der Ukraine nicht nur die Ukraine hängt, sondern Gesamteuropa. Und hier ist die entscheidende Frage: Werden sich die USA darauf einlassen, die Beziehungen zu Europa, zur EU stabil zu halten? Oder wird man das nicht tun? Wird das folgen, was Trump ja auch im Wahlkampf sagte: "Putin, nimm dir die Länder, die du haben willst." Wenn das Regierungslinie wird, wird man Europa verlieren.
BR24: Danke für das Gespräch.
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