(Archivbild) Olaf Scholz (SPD, r.) und Robert Habeck (Grüne) traten als letzte Zeugen beim Atom-Ausschuss auf.
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(Archivbild) Olaf Scholz (SPD, r.) und Robert Habeck (Grüne) traten als letzte Zeugen beim Atom-Ausschuss auf.

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Wirbel um "Habeck-Akten": Endspurt im Ausschuss zum Atomausstieg

Wirbel um "Habeck-Akten": Endspurt im Ausschuss zum Atomausstieg

Wie liefen die Entscheidungen zur Atomenergie nach dem russischen Überfall auf die Ukraine ab? Die Frage beschäftigt einen Untersuchungsausschuss des Bundestags, vor dem heute die letzten Zeugen auftreten: Bundeskanzler Scholz und Vizekanzler Habeck.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Drei Tage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine versprach Robert Habeck: Eine mögliche Verlängerung der Laufzeit der verbliebenen drei Kernkraftwerke, darunter Isar 2 bei Landshut, werde ergebnisoffen geprüft. "Es gibt keine Denkverbote", sagte der Grünen-Politiker am 27. Februar 2022 im ARD-Bericht aus Berlin.

Doch schon wenige Tage später, am 7. März, kamen Habecks Wirtschaftsministerium sowie das ebenfalls von den Grünen geführte Umweltministerium zum Ergebnis, eine Laufzeitverlängerung sei unter Abwägung von Nutzen und Risiken "auch angesichts der aktuellen Gaskrise nicht zu empfehlen". War die zugesagte "ergebnisoffene Prüfung" also nur vorgeschoben, wie die CDU/CSU-Fraktion vermutet, die den Untersuchungsausschuss beantragt hat?

Lindner stützt Zweifel an ergebnisoffener Prüfung

Gestützt wird diese Vermutung durch Aussagen von Ex-Finanzminister Christian Lindner. Der FDP-Vorsitzende sagt am Mittwochabend im Ausschuss, er habe zwar keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit von Habecks Aussage. Doch das Thema der Kernenergie sei für die Grünen so identitätsstiftend gewesen, dass "undogmatische Lösungen" innerhalb der Ampel-Koalition schnell an Grenzen gestoßen seien. Lindner kritisiert, dass sein Ministerium von Habecks Haus nur einseitig informiert worden sei und sich daher selbst um Expertise für eine mögliche Laufzeitverlängerung kümmern haben müssen.

Umweltministerin Lemke: Es ging um Sicherheit

Ganz anders die Position von Umweltministerin Steffi Lemke von den Grünen. Ihr Ministerium habe nie bestritten, dass eine Laufzeitverlängerung möglich gewesen sei. Aber es sei ihre Pflicht gewesen, auf die damit verbundenen Risiken hinzuweisen. Mit dem Ukraine-Krieg habe sich nicht nur die Versorgungslage Deutschlands verändert, sondern auch die Sicherheit der bestehenden Kernkraftwerke. Beispielsweise habe der Beschuss des Atomkraftwerks Saporischschja in der Ukraine ein Risiko aufgezeigt, das ebenfalls berücksichtigt werden musste.

Ideologischen Einfluss habe es nicht gegeben, sagt Lemke. Mehrfach erinnert sie daran, dass der für Ende 2022 geplante Atomausstieg 2011 von der schwarz-gelben Bundesregierung unter Angela Merkel beschlossen wurde. Insofern handele es sich beim Atomausstieg auch nicht um ein "Vermächtnis der Grünen".

CSU-Politiker Lenz: Ernsthafte Prüfung hätte mehr Zeit gebraucht

Unions-Politiker bleiben auch nach der fast siebenstündigen Befragung Lemkes skeptisch: Andreas Lenz (CSU) verweist auf Vermerke und Mails aus den grün geführten Ministerien, die seiner Ansicht nach auf wenig Interesse an einer ernsthaften Prüfung einer Laufzeitverlängerung deuten: "Wenn beispielsweise der damalige Staatssekretär Graichen E-Mails an die 'Freunde des geordneten Atomausstiegs' schreibt, dann wird deutlich, dass aus den Ministerien heraus nie ein Weiterbetrieb gewünscht war". Außerdem hätte eine ernsthafte Prüfung einer Laufzeitverlängerung nicht innerhalb weniger Tage abgeschlossen werden können, so Lenz zum Vermerk der Ministerien vom 7. März 2022.

Auch die SPD-Politiker im Ausschuss äußern sich, je länger der Untersuchungsausschuss läuft, kritischer gegenüber den Aussagen aus den von den Grünen geführten Ministerien. Es sei auffallend, wie sich die politischen Einschätzungen von der fachlichen Expertise in den Ministerien unterschieden, zum Teil sogar die Aussagen von Lemke und Habeck, sagt der SPD-Obmann im Ausschuss, Jakob Blankenburg.

Warten auf die Befragung von Habeck und Scholz

Dennoch zieht Blankenburg nur einen geringen Erkenntnisgewinn aus der Arbeit des Ausschusses. Schließlich sei der Streit um die Atomkraft durch ein Machtwort von Kanzler Scholz Mitte Oktober 2022 entschieden worden. Es blieb zwar grundsätzlich beim Atomausstieg, doch die Laufzeit der drei verbliebenen Kernkraftwerke wurde um dreieinhalb Monate verlängert.

Es schien eine Art Kompromiss zu sein – zwischen der ablehnenden Haltung der Grünen, die die Atomkraftwerke allenfalls als Reserve vorhalten wollten und den Liberalen, die für eine deutliche Laufzeitverlängerung warben. Nach Angaben von Lindner bestand aber bereits vor diesem Machtwort ein "informelles Einvernehmen" der Ampel-Spitzen. Gerade vor diesem Hintergrund dürfte die Befragung von Habeck und Scholz am heutigen Donnerstag auf großes Interesse stoßen.

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