Anlässlich der heutigen Prag-Reise von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warnen Umweltverbände eindringlich vor einer bayerisch-tschechischen Atomkraft-Partnerschaft. "Atomkraft ist und bleibt gefährlich, die Atommüllfrage ist ungeklärt. Das ist in Bayern nichts anderes als in Tschechien", sagt der Landesbeauftragte des Bunds Naturschutz Bayern, Martin Geilhufe, dem BR. "Gerade in der Grenzregion zu Bayern ist so ein Vorgehen unverantwortlich für Mensch und Umwelt."
Die Energie-Expertin von Greenpeace Bayern, Saskia Reinbeck, mahnt: "Bayern braucht keine Partnerschaften mit tschechischen Schrott-Reaktoren." Der Freistaat benötige stattdessen einen zügigen Ausbau von Windenergie, Stromnetzen und Speichern. "Dass dieses Jahr in ganz Bayern erst vier Windenergieanlagen ans Netz gegangen sind, ist ein Armutszeugnis!"
Kritik von FW-Abgeordnetem
Auch aus der schwarz-orangen Regierungskoalition gibt es Kritik an einer Atom-Allianz. "Man muss ganz klipp und klar sagen, dass das natürlich für unsere Region keine tolle Nachricht ist", sagt der niederbayerische Freie-Wähler-Abgeordnete Martin Behringer. Statt "Verträge zu machen, die kein Mensch braucht", müssten erneuerbare Energien, Speicher und Netze ausgebaut werden. "Wenn wir da auch wirklich vorankommen, dann können die bauen dort drüben, was sie wollen, weil sie den Strom gar nicht verkaufen können, weil sie ihn gar nicht so günstig herstellen können."
Behringer verweist auf die Nähe des Atomkraftwerks Temelín zur bayerischen Grenze. "Wenn mit Temelín was ist, und die haben genug Störfälle, dann gibt es unsere Region, also den gesamten Bayerischen Wald, nicht mehr." Von Söder würde Behringer sich wünschen, dass er in Prag die Frage des tschechischen Atommüll-Endlagers anspricht, das an der Grenze zu Bayern entstehen könnte. "Die Tschechen spielen da nicht mit offenen Karten."
Söder will Absicherung durch tschechische Kernkraft
Söder hatte angekündigt, in Tschechien für eine "strategische Partnerschaft" bei der Atomkraft zu werben. "Um die bayerische Stromversorgung auf Dauer besser abzusichern, wollen wir eine mögliche Nutzung von tschechischer Kernkraft für unseren Strommarkt ausloten", sagte der Ministerpräsident. Im Gegenzug sei eine Zusammenarbeit in der Sicherheitstechnologie sowie bei Wissenschaft und Forschung "für Zukunftsfelder wie der Kernfusion" denkbar.
Tschechien gewinnt Strom aus insgesamt sechs Reaktoren sowjetischer Bauart im mährischen Dukovany sowie im südböhmischen Temelín, 60 Kilometer Luftlinie von Bayern entfernt. In Temelín soll in den nächsten Jahren ein erster modularer Klein-Reaktor entstehen, weitere sollen folgen. Geplant ist zudem, dass ein südkoreanischer Konzern in Dukovany zwei neue große Atomreaktoren baut, über zwei weitere in Temelín soll noch verhandelt werden. Der niederbayerische CSU-Landtagsabgeordnete Stefan Ebner beklagte kürzlich in der "Passauer Neuen Presse", in Tschechien würden Reaktoren mit "niedrigeren Sicherheitsstandards" gebaut.
Holetschek: "In unser aller Interesse"
Der CSU-Fraktionsvorsitzende Klaus Holetschek verweist darauf, dass die Wirtschaft und die Bürger in Bayern jederzeit eine sichere Energieversorgung und günstige Strompreise benötigten. Beides sei auch wegen des voreiligen deutschen Atomausstiegs in Gefahr. "Es ist gut, dass der Ministerpräsident hier im Sinne des Standorts Bayern Gespräche führt." Bayern baue die erneuerbaren Energien so stark aus wie kein anderes Bundesland. Gleichzeitig sei auch in Zukunft eine sichere Grundlastfähigkeit nötig, möglichst ohne CO2-Ausstoß. "Dies bietet kurzfristig nur die Kernkraft."
Die Kernkraftwerke an der tschechischen Grenze seien da. Und weitere geplant – "ob wir wollen oder nicht", sagt der CSU-Fraktionschef. Neben günstigen Stromimporten wolle Söder auch den Austausch von Knowhow und Sicherheitstechnologie besprechen. "Das ist doch nur in unser aller Interesse." Und es zeige, dass Sicherheitsbedenken vor Ort sehr erst genommen werden. "Wir setzen daher auf Beteiligung der Grenzlandkreise durch Austausch und grenzüberschreitende Zusammenarbeit." Bayern sitze dann mit am Tisch und könne aktiv seine Interessen einbringen. "Das ist allemal besser, als nur passiv zuzuschauen."
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