Nach dem Sturz des Machthabers Baschar al-Assad in Syrien hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion einen zügigen Rückkehrplan für syrische Flüchtlinge gefordert. Nach Einschätzung von Migrationsforschern ist eine größere Rückkehrwelle aber nicht zu erwarten.
Die Migrationsforscherin Prof. Yuliya Kosyakova forscht am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit, kurz IAB. Sie hat für eine Langzeitstudie viele Syrerinnen und Syrer seit 2016 begleitet und sagt, dass die überwiegende Mehrheit der Syrerinnen und Syrer zum Zeitpunkt ihrer Ankunft "Bleibeabsichten" geäußert hätten. Die Geflüchteten würden schon sehr früh den Wunsch äußern, längerfristig zu bleiben.
Willkommensgefühl wichtig für Integration
Hat sich diese Einstellung im Lichte der aktuellen Ereignisse nun geändert? Nicht für Osama Kezzo. Er ist Lehrer für Demokratie an einer Grundschule. 2016 ist er nach Deutschland geflohen und will hier bleiben. Für Kezzo kommt eine Rückkehr nicht infrage, er sagt, er fühle sich wohl in Deutschland, "wo ich auch die Kultur genieße. Es ist ein Teil meiner Identität geworden, Deutscher zu sein."
Yuliya Kosyakova, die selbst 2002 als jüdischer Kontingentflüchtling nach Deutschland eingewandert ist, betont, wie wichtig ein Willkommensgefühl für den Integrationsprozess ist. Die aktuelle Debatte sei da kontraproduktiv. Sie sagt, ihre Studien hätten gezeigt, dass das Willkommensgefühl auch positiv mit der Integration in den deutschen Arbeitsmarkt zusammenhänge. Die Debatte um Abschiebungen könnte Kosyakova zufolge daher "insbesondere für Neu-Zugewanderte ziemlich negative Auswirkungen haben".
Juana Zadas Herz schlägt syrisch
Aber es gibt auch Menschen, die perspektivisch in ihre alte Heimat nach Syrien zurückkehren wollen. So wie Juana Zada. Zada lebt seit 2008 in Deutschland. Sie sei zwar zur Hälfte Deutsche, sagt Zada, aber ihr Herz "schlägt syrisch". Darum ist ihr Wunsch auf jeden Fall, nach Syrien zurückzugehen, sollte es wieder stabil und sicher sein.
Wie sicher ist Syrien?
Die Sicherheit der Lage in Syrien ist jedoch aktuell ein entscheidender Faktor, denn: Sollte die islamistische HTS ein streng-religiöses Regime errichten, werden Menschen wie Juana Zada dort nicht so leben können, wie sie es von früher kennt. Sie ist muslimischen Glaubens, lebt jedoch unverschleiert, Bilder in ihrer Küche zeigen sie und ihre Schwester im Bikini. Die Zeit wird zeigen, ob dieses Leben in Zukunft in Syrien möglich sein wird – für Zada kommt die Debatte um die Rückkehr auch daher zu früh.
Expertin: "Debatte ist verfrüht"
Migrationsexpertin Kosyakova hält die Debatte zum jetzigen Zeitpunkt für falsch – auch aus praktischen Gesichtspunkten. Sie sagt: "Diese Debatte ist verfrüht." Man müsse zunächst die Lage vor Ort klären. Zudem sei es nicht einfach, sofort allen geflüchteten Personen ihren Status anzuerkennen und sie abzuschieben.
Die Mehrheit der Syrer in Deutschland haben einen subsidiären Schutz, man müsse quasi in Einzelfallentscheidungen klären, ob dieser Schutz weiterhin Bestand habe, so Kosyakova und "das kann dauern". Auch bei Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern führe diese Debatte zu Ungewissheit.
Im Audio: Zurück nach Syrien? Migrationsforscherin findet Debatte "falsch"
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