80 Jahre nach dem SS-Massaker von Oradour-sur-Glane haben der französische Ort und das bayerische Hersbruck einen Freundschaftspakt geschlossen. "Diese Freundschaft ist ein Akt der Solidarität und des Respekts, der uns dazu aufruft, gemeinsam für ein geeintes und friedliches Europa einzustehen", sagte der Bürgermeister von Hersbruck, Robert Ilg, am Montag anlässlich der Unterzeichnung in Frankreich.
Am Vormittag hatten Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und sein französischer Kollege Emmanuel Macron gemeinsam der 643 Opfer des Massakers von Oradour vom 10. Juni 1944 gedacht. Im fränkischen Hersbruck hatte es eine Außenstelle des NS-Konzentrationslagers Flossenbürg gegeben.
Steinmeier: "Versöhnung findet an konkreten Orten des Leids statt"
Steinmeier begrüßte den ungewöhnlichen deutsch-französischen Freundschaftspakt. "Dafür bin ich unendlich dankbar. Versöhnung nämlich findet an ganz konkreten Orten des Leids statt – oder gar nicht", sagte er. "Ich möchte meine Beschämung darüber eingestehen, dass danach Mörder straflos geblieben sind, dass schwerste Verbrechen nicht gesühnt wurden", fügte er hinzu. Durch die mangelnde Aufarbeitung habe Deutschland "eine zweite Schuld auf sich geladen".
Städtepartnerschaft für Historikerin "bedeutender Schritt"
Die Historikerin Andrea Erkenbrecher, die sich intensiv mit dem Massaker von Oradour-sur-Glane beschäftigt hat, sieht in dem Freundschaftspakt einen bedeutenden Schritt. "Lange Zeit war es für Oradour undenkbar, eine Städtepartnerschaft mit einer deutschen Stadt einzugehen", erklärte sie. Sie habe darin eine Antwort "auf die ausgebliebene Anerkennung des Massakers durch die Bundesrepublik und die dortige Straflosigkeit der Täter" gesehen.
Kein Verantwortlicher des Massakers in Deutschland verurteilt
Tatsächlich wurde in Deutschland keiner der Verantwortlichen des schlimmsten SS-Massakers in Westeuropa vor Gericht gestellt. Der verantwortliche SS-Kommandeur Heinrich Lammerding, der in Frankreich zum Tod verurteilt worden war, wurde nie ausgeliefert. Er lebte unbehelligt in Düsseldorf und bekam als Bauunternehmer sogar öffentliche Aufträge.
2022 ergriff Oradour die Initiative für eine freundschaftliche Annäherung an eine deutsche Stadt, die ebenfalls unter dem Nazi-Regime gelitten hat. Im Rahmen einer Regionalpartnerschaft fiel die Wahl auf Hersbruck, wo ein Außenlager des Konzentrationslagers Flossenbürg angesiedelt war.
"Nie wieder!"
Es fanden erste Treffen zwischen beiden Stadtverwaltungen statt, der Deutsch-Französische Bürgerfonds unterstützte die Annäherung. "Besser kann man das 'Nie wieder!', das Bürger und Bürgerinnen beider Länder vereint, nicht mit Leben füllen", sagte Benjamin Kurc, Leiter des Bürgerfonds.
Auch der letzte Überlebende von Oradour, Robert Hébras, wurde noch Zeuge dieser entstehenden Freundschaft, bevor er im Februar 2023 im Alter von 97 Jahren verstarb.
"Es sind sehr mutige Menschen, die es zugelassen haben, dass wir als Deutsche hier sein können. Und es sind mutige Menschen, die ein besonderes Versöhnungswerk begonnen haben", sagte Steinmeier.
Mit Material von AFP.
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