Eine Stimmkarte wird beim Bundesparteitag von Bündnis 90/Die Grünen hochgehalten.
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In Karlsruhe haben die Grünen heute ihren Bundesparteitag fortgesetzt. dabei ging es vor allem um die Asyldebatte.

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Mit einer starken EU - Grüne fordern europäische Asylpolitik

"Europa schützen, damit es uns schützt" - mit diesem Satz aus ihrem Wahlprogramm zeigen die Grünen, worum es ihnen bei der Europawahl geht. Brüssel wirkt dabei wie ein Sehnsuchtsort, der von der Unbeliebtheit ihrer Koalition im Bund ablenkt.

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Der dritte Tag des Grünen-Bundesparteitags in Karlsruhe stand voll im Zeichen Europas. In ihrem Wahlprogramm für die Europawahl 2024 rufen die Grünen dazu auf, die Europäische Union zu stärken und ihre Handlungsfähigkeit zu sichern. Doch die Delegierten wirken nach einer langen Nachtsitzung gestern mit Dutzenden Abstimmungen müde. Zudem schwebt über allem die aktuelle Unbeliebtheit des Regierungsbündnisses mit SPD und FDP auf Bundesebene.

Grüne wollen für stärkere EU kämpfen

"In einer Welt, deren Herausforderungen mitnichten an nationalen Grenzen haltmachen, kann ein starkes und geeintes Europa die Sicherheit bieten, nach der sich so viele Menschen sehnen", heißt es in der Präambel des Programms, die am Samstag auf dem Bundesparteitag in Karlsruhe mit breiter Mehrheit beschlossen wurde. Der Text hat die Form eines "Briefes an die Wählerinnen und Wähler" mit der Überschrift "Was uns schützt".

Darin verweisen die Grünen auf die neue Gefährdung für den Frieden in Europa durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. "Vor diesem Hintergrund wollen wir Europa schützen, damit es uns schützt. Wir wollen es stärken, weil es uns stark macht. Wir wollen seine Handlungsfähigkeit sichern, um Freiheit zu wahren", heben die Grünen hervor. Co-Parteichefin Ricarda Lang bringt es auf den Punkt: "Europa ist nichts, was man irgendwie noch am Seitenrand macht, sondern die Grundlage unseres politischen Handelns".

Einstimmigkeitsprinzip soll abgeschafft werden

Die Zukunft der EU sehen die Grünen langfristig zusammen mit der Ukraine. Lang sagte, der Ukraine-Krieg habe gezeigt, "was für ein verdammtes Wunder diese Europäische Union ist, dass man es damals hinbekommen hat, Frieden zu schaffen". Dass diese Freiheit in der Ukraine verteidigt wird, dürfe "nicht aus dem Fokus" verloren werden.

Außenministerin Baerbock ergänzte in ihrer Rede, dass die Ukraine die EU in absehbarer Zeit verstärken werde. Dies sei "in unserem eigenen geopolitischen Interesse". Nachdrücklich bekannte auch sie sich zu weiterer, auch militärischer Unterstützung des Landes. Ebenso müsse die EU-Perspektive gelten für die Republik Moldau, für Georgien und die Länder des westlichen Balkans. Allerdings "brauchen wir nicht nur eine stärkere, sondern auch eine reformierte Union", sagte Baerbock. Gerade mit dem Blick auf die angestrebte Erweiterung sei es wichtig, "dass wir das Einstimmigkeitsprinzip überwinden können", das bisher unter anderem für die Außenpolitik der EU gilt.

Schwerpunkt auf Migrationspolitik

Europa wirkt für viele Grüne auf ihrem Parteitag wie ein Sehnsuchtsort, an dem sich die eigene Politik jenseits irgendwelcher Rücksichten auf tatsächliche oder mögliche Koalitionspartner verfolgen - oder zumindest formulieren lässt. Doch in der Praxis wird manches von dem, worüber aktuell auf EU-Ebene verhandelt wird, für die Grünen intern zu einer Belastungsprobe. So ist auch die Suche nach dem richtigen Asyl-Kurs in Karlsruhe Thema.

Bei diesem Punkt wurde es hitzig im Saal. Teile der Grünen weigern sich vehement gegen eine restriktivere Migrationspolitik. "Wir dürfen keiner weiteren Verschärfung des Asylrechts zustimmen", rief Alicia Böhm aus Stuttgart vom Rednerpult. Als die junge Delegierte von ihrem Einsatz in einem Zentrum für Geflüchtete auf der griechischen Insel Lesbos berichtet, erntete sie donnernden Applaus.

Die Parteispitze versuchte im Anschluss zu besänftigen. Parteivorsitzende Lang erklärte, Herausforderungen wie etwa die Migrationspolitik "können wir nur europäisch bewältigen". Außenministerin Baerbock warb um Zustimmung für das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS), das deutliche Verschärfungen für Einreisen von Geflüchteten in die EU vorsieht. "Schmerzhafte Kompromisse" seien notwendig, ansonsten werde weder das Grundrecht auf Asyl verteidigt, noch könne die Verteilung von Asylbewerbern erreicht werden, so die Ministerin.

Partei fordert "Infrastrukturunion" auf EU-Ebene

In der Präambel des Europawahlprogramms wird zudem die Bedeutung des Kampfes gegen den Klimawandel auf EU-Ebene betont. Dessen Folgen "haben wir in den letzten Jahren europa- und weltweit immer drastischer zu spüren bekommen", heißt es unter Hinweis auf Extremwetter mit Hitzewellen und Überschwemmungen. "Deswegen wollen wir das Klima schützen, uns aber auch vor den veränderten klimatischen Bedingungen schützen und daran anpassen".

Die EU sei unter Mitwirkung der Grünen bei dem europäischen "Green Deal" wichtige Schritte in diese Richtung gegangen. "Diesen Weg wollen wir fortsetzen." Gefordert wird zudem eine europäische Infrastrukturunion "aus Solaranlagen und Windparks, aus Wasserstoffnetzen und Glasfaserleitungen, aus Stromtrassen und Schienen, aus Solarpanelen und Windparks, aber auch aus modernen Krankenhäusern und verlässlichen Kitas".

Klare Kante gegen rechtsextreme Kräfte

Klar abgrenzen will sich die Partei von antidemokratischen Kräften. Parteivorsitzende Lang rief die Grünen auf, im Wahlkampf nicht nur die "demokratische Pflicht" zu erfüllen und gegen Rechtsextremismus aufzustehen. Mit Blick auf den Wahlsieg des Rechtspopulisten Geert Wilders in den Niederlanden betonte sie an die Adresse der konservativen Parteien gerichtet: "Es darf keine Zusammenarbeit mit rechtsextremen Parteien geben". Dies gelte auch für die Landtagswahlen im Herbst 2024 in Thüringen, Sachsen und Brandenburg.

Enden soll der Parteitag am Sonntag mit der Abstimmung der rund 800 Delegierten über das gesamte Europawahlprogramm. Dabei soll es noch um das Kapitel zu Justizthemen und Innenpolitik gehen. Zudem ist der 16-köpfige Parteirat neu zu wählen. Das Gremium soll den Bundesvorstand beraten und die Arbeit mit Fraktionen und Landesverbänden koordinieren.

Mit Informationen von dpa und AFP.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne)
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Grünen-Parteitag: Baerbock wirbt für Asylkompromiss.

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