Insgesamt 80 gemeinsame Beratungsstunden in den vergangenen Wochen in Sachen Haushalt liegen hinter Olaf Scholz, Christian Lindner und Robert Habeck, als sie zusammen auf dem Podium der Bundespressekonferenz Platz nehmen. Früh ist klar, welches Zeichen von der Präsentation der Einigung ausgehen soll. Ja, es geht um den Haushalt. Es geht aber auch um den Haussegen.
Am deutlichsten bringt das der Bundesfinanzminister auf den Punkt: "Das hier waren keine Haushaltsberatungen", bilanziert Christian Lindner - und der FDP-Vorsitzende fährt fort: "Wir haben uns neu auf die gemeinsamen Grundlagen unseres Regierungshandels verständigt." Diese Verständigung – sie ist aus Sicht der drei auf dem Podium erfolgreich verlaufen.
Zähe Gespräche
Robert Habeck beschreibt das Klima bei den Gesprächen. Mehrfach waren die Verhandlungen offenbar zäh und eher festgefahren, aber, sagt Habeck, man habe "die Verpflichtung gefühlt, in unruhiger Zeit nicht ständig Dinge zu überhöhen". Prägend und gut nennt der Bundeswirtschaftsminister von den Grünen die Beratungen und der Kanzler sieht die Ampelkoalition nun sogar gestärkt.
Die Einigung im Haushaltsstreit ist für Olaf Scholz eine "Lösung aus einem Guss" und ein "gelungenes Kunstwerk". Hätte es keine Einigung gegeben, wäre der Eindruck einer Regierungskoalition entstanden, die zerstritten in die Bundestags-Sommerpause geht. Dieses Bild hat die Ampel nun vermieden.
Erfolge für Alle
Alle drei Koalitionspartner können Teile der Haushaltseinigung als Erfolge verbuchen. Die FDP konnte sich mit ihrer Forderung nach dem Festhalten an der Schuldenbremse durchsetzen und die Liberalen können zudem auf das beschlossene Wachstumspaket verweisen. Es enthält Elemente der Entbürokratisierung – einem FDP-Kernanliegen.
Die Grünen sehen die Erhöhungen bei Kindergeld und Kinderzuschlag sowie die Kita-Investitionen als eigenen Erfolg. Diese Maßnahmen schreibt sich allerdings auch die SPD auf die Fahnen. Die Kanzlerpartei wertet auch die vorgesehenen Milliarden-Investitionen in Digitalisierung, Schiene und Straße als Erfolg – ebenso wie die Koalitionspartner FDP und Grüne. Im SPD-geführten Innenministerium freut sich Ressortchefin Nancy Faeser über zusätzliches Geld für die innere Sicherheit.
Kritik aus der Koalition
Es gibt aber auch Unzufriedenheit mit dem Kompromisswerk. Schon jetzt ist aus den Reihen von Grünen und SPD Kritik daran zu hören, dass vor allem beim Etat des Auswärtigen Amtes und beim Haushalt des Entwicklungsministeriums gespart werden soll. Verteidigungsminister Boris Pistorius muss zwar nicht sparen, soll aber sehr viel weniger Geld bekommen, als er wollte.
Der Unmut wird viele Abgeordnete nun in die Sommerpause begleiten. Die Beratungen über den Haushaltsentwurf im Bundestag dürften zäh und hitzig werden. CDU-Chef Friedrich Merz nennt die nun präsentierte Einigung einen "Burgfrieden" und prophezeit der Ampel weiteren Streit.
Streit über den richtigen Kurs bleibt
Der Grundkonflikt in der Koalition darüber, welche Haushaltspolitik in dieser von Krisen geprägten Zeit die richtige ist, ist nicht befriedet. Die FDP setzt auf eine Politik der restriktiven Ausgaben mit der Einhaltung der Schuldenbremse als oberstem Gebot. Bei Grünen und SPD wird dieser Kurs weiter als der falsche angesehen, um den aktuellen Herausforderungen, vom Klimawandel über den Ukraine-Krieg bis zur Wirtschaftslage, gerecht zu werden.
An diesen grundverschiedenen Positionen hat sich durch die aktuelle Einigung über den Haushalt nichts verändert. In der übernächsten Woche soll der Haushaltsentwurf das Kabinett passieren und dann im Herbst im Bundestag beraten werden.
Im Video: Korrespondentin Barbara Kostolnik zur Etat-Einigung
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