Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP).
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Finanzminister Lindner will wegen einer "außergewöhnlichen Notlage" doch noch an der Schuldenbremse drehen und einen Nachtragshaushalt vorlegen.

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Haushaltskrise: Lindner will "reinen Tisch machen"

Haushaltskrise: Lindner will "reinen Tisch machen"

Ein Milliardenloch im Klimafonds, Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bundeshaushalts und unabsehbare Folgen für die Wirtschaft: Die Ampel steht nach dem Haushaltsurteil vor einem Berg von Problemen. Wenigstens eines davon soll bald vom Tisch sein.

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Seitdem Christian Lindner Minister ist, lässt er kaum eine Gelegenheit verstreichen, eine Rückkehr zu soliden Finanzen zu beschwören. Der Staat könne nur ausgeben, was zuvor erwirtschaftet worden sei, so das Mantra des FDP-Chefs. Deshalb war ihm die Einhaltung der Schuldenbremse so wichtig, auch wenn dies bisher nur auf dem Papier gelang. Doch die Idee, Kreditoptionen für mehrere Jahre in Nebenhaushalte auszulagern und so die Obergrenze nach dem Grundgesetz formal einzuhalten: Sie erwies sich vergangene Woche als verfassungswidrig. Das hat Konsequenzen für den Bundeshaushalt 2023.

Das Jahr ist zwar schon fast vorbei, aber der Etat braucht jetzt noch ein Update. "Ich betrachte es als meine Aufgabe, reinen Tisch zu machen", sagt Lindner bei einem knappen Statement am Donnerstagnachmittag. Kommende Woche werde er den Entwurf für einen Nachtragshaushalt vorlegen – in Absprache mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). Lindners Auftritt dauert nur rund eine Minute, aber der Hinweis auf seine Koalitionspartner war ihm offenbar sehr wichtig. Es soll wohl niemand auf den Gedanken kommen, er habe sich die Sache mit dem Nachtragshaushalt allein ausgedacht.

Ampel will Schuldenbremse aussetzen

Was Lindner unerwähnt lässt, später aber eine Ministeriumssprecherin nachreicht: Zweck dieses Nachtragshaushalts wird es sein, eine Notlage für das laufende Jahr zu erklären – um die Schuldenbremse doch noch auszusetzen. Also nicht nur de facto, sondern auch auf dem Papier. Das ist nötig, weil die Ausgaben des Bundes im Kernhaushalt auf einen Schlag um einen zweistelligen Milliardenbetrag steigen werden. Es handelt sich um Geld, das schon ausgegeben wurde – etwa für die Strom- und Gaspreisbremsen.

Die Mittel stammen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), der ähnlich konstruiert ist wie der Klima- und Transformationsfonds (KTF). Nach Überzeugung des Verfassungsgerichts ist die Finanzierung des Klimafonds in großen Teilen rechtswidrig. Wegen der strukturellen Ähnlichkeit beider Geldtöpfe musste die Ampel schnell eine Lösung für den WSF finden. Denn bei den Ausgaben für die Energiepreisbremsen geht es um den laufenden Haushalt, der schleunigst eine verfassungsrechtlich sichere Grundlage braucht.

Nach Haushaltsurteil wachsen Sorgen in der Wirtschaft

Wenn der Nachtragshaushalt wie geplant kommt, hätte die Ampel ein Problem weniger. Aber das Urteil des Verfassungsgerichts wirft noch andere Fragen auf, die den Etat für nächstes Jahr und die Finanzplanung für darauffolgende Jahre betreffen. So ist beispielsweise nach wie vor nicht absehbar, wie genau sich die KTF-Sperre auf die Förderung von Unternehmen auswirkt.

Aus Regierungskreisen verlautet, dass allein die ursprünglich geplante Förderung einer wasserstoffbasierten Industrie etwa 45 Firmen zugutekommen sollte. Allerdings mit Schwerpunkt auf Nord- und Ostdeutschland. Doch in auch in Bayern wachsen die Sorgen, dass das Urteil nötige Investitionen ausbremsen könnte.

Ein Beispiel: Der Chiphersteller Semikron-Danfoss will an seinem Nürnberger Standort 250 Millionen Euro investieren und so mittel- bis langfristig die Kapazität dort verdreifachen. Das macht der Strategiechef des Unternehmens, Thomas Grasshoff, im Gespräch mit BR24 deutlich. Für die geplanten Investitionen brauche man aber "staatliche Unterstützung, um im globalen Wettbewerb gleiche Bedingungen zu haben". Semikron-Danfoss hat in Nürnberg rund 1.800 Beschäftigte.

Auch KfW-Förderprogramme von Haushaltsurteil betroffen

Mittlerweile werden auch Folgen des Haushaltsurteils für die Staatsbank KfW sichtbar, nach eigenen Angaben eine der weltweit führenden Förderbanken. Die KfW verhängte einen vorläufigen Antrags- und Zusagestopp für mehrere Programme aus dem Bereich Wohnen und Bauen. Ein Rückschlag für die Bauwirtschaft, die bereits unter einer Explosion der Materialkosten leidet.

Mit der Entscheidung, die eigentlich für diesen Donnerstag geplanten Schlussberatungen für den Etat 2024 im zuständigen Bundestagsausschuss zu verschieben, hat die Ampel ein wenig Zeit gewonnen. Die wird sie brauchen, um die immer neuen Haushaltslöcher zu stopfen. Das größte bisher bekanntgewordene klafft im KTF – allein hier fehlen nach dem Karlsruher Urteil 60 Milliarden Euro.

Ampel-Parteien vor schwierigen Verhandlungen

Grüne und Teile der SPD wären bereit, Steuern für Wohlhabende zu erhöhen oder klimaschädliche Subventionen abzubauen – etwa durch Änderungen bei der pauschalen Besteuerung von Dienstwagen. Doch davon will die FDP bisher nichts wissen. Steuererhöhungen wären "Gift für die wirtschaftliche Entwicklung", sagt beispielsweise Karsten Klein, FDP-Abgeordneter aus Aschaffenburg.

Für die Liberalen ist schon ein neuerliches Aussetzen der Schuldenbremse eine Kröte, die sie in dieser verzwickten Lage offenbar schlucken. Im Gegenzug dürften sie auf Ausgabenkürzungen pochen. Dass die FDP etwa die geplante Kindergrundsicherung von Grünen-Ministerin Lisa Paus für überdimensioniert hält, ist kein Geheimnis. Der Ampel stehen wieder einmal unruhige Wochen bevor.

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