Eine wochenlange Hängepartie ist beendet. Joe Biden will sich aus dem Präsidentschaftsrennen zurückziehen. Das verkündete er über die sozialen Medien Instagram, Facebook und X.
"Es war die größte Ehre meines Lebens, euer Präsident zu sein", schreibt Biden in dem Beitrag. "Und auch wenn es meine Absicht war, eine Wiederwahl anzustreben, glaube ich, dass es im Interesse meiner Partei und des Landes ist, wenn ich mich zurückziehe und mich ausschließlich darauf konzentriere, meine Aufgaben als Präsident für den Rest meiner Amtszeit zu erfüllen."
Biden kündigte an, im Laufe der Woche seine Entscheidung ausführlich zu begründen. Zugleich lobte er seine politische Bilanz, die USA seien "niemals in einer besseren Position gewesen, um zu führen".
Debatte nach Debakel beim TV-Duell nahm an Fahrt auf
Die Debatte um Biden nahm spätestens seit seinem katastrophalen Auftritt im TV-Duell gegen Donald Trump an Fahrt auf. Biden wirkte fahrig und war teilweise kaum zu verstehen. In der Folge wurden die Zweifel, ob der 81-Jährige dem Amt mental noch gewachsen ist, immer lauter.
Biden wehrte sich erst. "Nur der Allmächtige" könne ihn davon abhalten, noch mal anzutreten, erklärte er in einem TV-Interview mit dem Sender ABC. Doch der Druck wurde immer größer. Zuletzt wurde deutlich, dass auch die ehemalige Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, Bidens Kandidatur nicht mehr unterstützt.
Biden unterstützt Kandidatur von Harris
Biden erklärte, dass er seine Vize-Präsidentin Kamala Harris unterstützen werde. Sie habe seine "volle Unterstützung", teilte er mit. Es sei Zeit, zusammenzukommen und Donald Trump zu besiegen. Harris zu seiner Vize-Präsidentin zu machen, sei die beste Entscheidung gewesen, die er gemacht habe.
Harris hat inzwischen ihre Bereitschaft bekundet, die Kandidatur zu übernehmen. Sie werde sich die Nominierung durch die Demokratische Partei verdienen und Trump schlagen, teilte Harris mit. Die 59-Jährige erklärte, sie fühle sich "geehrt durch die Unterstützung des Präsidenten".
Parteitag der Demokraten im August
Die Entwicklung, dass Harris Kandidatin wird, falls Biden sich zurückzieht, zeichnete sich zuletzt ab. Innerhalb der Partei schienen sich nach und nach mehr für eine Kandidatur von Harris begeistern zu können. Allein aus pragmatischen Gründen, um parteiinternen Streit zu verhindern.
Allerdings muss auch Harris erst offiziell von den Parteidelegierten gewählt und damit nominiert werden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass noch andere prominente Demokraten ihren Hut in den Ring werfen. Der Nominierungsparteitag der Demokraten findet vom 19. bis 22. August in Chicago statt.
Da in manchen Bundesstaaten der Präsidentschaftskandidat allerdings bereits vor diesem Termin gemeldet werden muss, dürfte es ein beschleunigtes Verfahren geben, um vorher das Kandidaten-Ticket festzulegen. Hier dürfte sich die Partei zeitnah äußern und einen Prozess vorstellen.
Harris mit besseren Chancen als Biden
Harris’ Beliebtheitswerte sind nicht sonderlich gut. Biden gab ihr die undankbare Aufgabe, sich um das Thema Immigration an der Grenze zu Mexiko zu kümmern. Ein Spagat, da der linke Teil der Demokraten eine humanere Einwanderungspolitik fordert, die Republikaner aber viel Angriffsfläche sehen, wenn die Politik der Demokraten zu nachlässig erscheint.
Zudem gibt es Zweifel an ihrem Führungsstil. In den vergangenen dreieinhalb Jahren gab es mehrere Mitarbeiter im Team Harris, die ihren Job gekündigt hatten.
Dennoch gab es zuletzt Umfragen, die Harris in einem Duell mit Donald Trump bessere Chancen als Biden einräumen - allerdings liegt auch Harris in den meisten Umfragen hinter dem Republikaner.
Demokraten loben Biden
Aus seiner demokratischen Partei kamen lobende und wertschätzende Worte für Biden. Der Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, nannte Biden "einen großartigen Menschen", der "sein Land, seine Partei und unsere Zukunft an erste Stelle" gestellt habe. Ähnlich äußerte sich Ex-Präsident Barack Obama: Biden habe "wieder einmal die Interessen des amerikanischen Volkes über seine eigenen stellt".
Michigans Gouverneurin Gretchen Whitmer nannte Biden "einen großartigen Staatsdiener, der wie kein Zweiter weiß, was es braucht, um Donald Trump zu besiegen".
Jill Biden teilte den Post ihres Mannes in den sozialen Netzwerken und kommentierte ihn mit einem Herz-Emoji.
Republikaner fordern sofortigen Rückzug
Auch die republikanische Partei reagierte auf Bidens Ankündigung. So forderte der Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, einen sofortigen Rückzug von Biden. "Wenn Joe Biden nicht fit genug ist, um zu kandidieren, ist er auch nicht fit genug, um Präsident zu sein". Biden müsse unverzüglich zurücktreten.
Donald Trump reagierte ebenfalls auf Bidens Ankündigung, seine Kandidatur zurückzuziehen. Im Gespräch mit dem Fernsehsender CNN nannte er Biden den "bei Weitem schlechtesten Präsidenten in der Geschichte unseres Landes". Auf seinem eigenen Netzwerk "Truth Social" schrieb er zudem, sein Wahlkampfteam habe Zeit und Geld in die Kampagnen gegen Biden investiert - jetzt müsse man wieder von vorn anfangen. Trump sprach von Betrug an seiner Partei und äußerte Entschädigungsforderungen.
Reaktionen aus Deutschland
Aus Deutschland gibt es ebenfalls Reaktionen: Bundeskanzler Scholz lobte Bidens Leistungen. "Dank ihm ist die transatlantische Zusammenarbeit eng, die Nato stark, die USA ein guter und verlässlicher Partner für uns. Sein Entschluss, nicht noch einmal zu kandidieren, verdient Anerkennung", schrieb Scholz auf X. Biden habe viel erreicht, "für sein Land, für Europa, die Welt".
Ähnlich äußerte sich CDU-Chef Friedrich Merz: "Seine heutige Entscheidung verdient größten Respekt", schrieb er ebenfalls auf X. Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang erklärte, Joe Biden habe als Präsident seinem Land auf beeindruckende Art und Weise gedient. "Mein größter Respekt!", schrieb sie über seine Ankündigung, sich zurückzuziehen.
Biden: Ende einer langen Karriere
Für Joe Biden steht eine über 50-jährige politische Laufbahn vor dem Ende. 1972 zog er als Senator in den Kongress ein. In den Jahren 2008 bis 2016 war er Vize-Präsident unter Barack Obama.
Er bewarb sich bereits zweimal um die demokratische Präsidentschaftskandidatur, aber erst 2019 setzte er sich in den parteiinternen Vorwahlen durch. Biden erklärte vor seiner Wahl, ein "Übergangspräsident" sein zu wollen. Für manche kam sein Wunsch, erneut anzutreten, deswegen überraschend. Nun hat er sich dem parteiinternen Druck gebeugt, nach dem immer mehr Demokraten ihre Sorge äußerten, mit ihm als Kandidaten bei der Wahl im November zu verlieren.
Zum Hören: Einschätzungen von Washington-Korrespondent Martin Ganslmeier zu Bidens Rückzug
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!