Das israelische Militär bereitet sich laut Generalstabschef Herzi Halevi auf einen möglichen Bodeneinsatz im Libanon vor. In einer Ansprache an die Truppen an der Nordgrenze zum Libanon sagte Halevi am Mittwoch, die jüngsten israelischen Luftangriffe dienten dazu, den Boden für einen möglichen Einmarsch vorzubereiten und die Hisbollah weiter zu schwächen.
Israel werde nicht aufhören, betonte Halevi. "Wir werden sie weiterhin angreifen und ihnen überall Schaden zufügen." Das "gewaltsame Eindringen" der Soldaten werde der Hisbollah-Miliz zeigen, "wie es ist, auf eine professionelle Kampftruppe zu treffen". Weiter sagte der Armeechef: "Gehen Sie rein, zerstören Sie den Feind dort, und zerstören Sie die Infrastruktur".
Israel mobilisiert zwei Reservisten-Brigaden
Die israelische Armee mobilisierte weitere Reservisten. Zwei Brigaden sollen im Norden des Landes eingesetzt werden. Die Ankündigung war ein Anzeichen dafür, dass Israel seine Militäreinsätze gegen die Hisbollah ausweiten könnte. Ob es wirklich zu einer Bodenoffensive kommt, ist unklar: Sie birgt das Risiko hoher Opferzahlen auch in den eigenen Reihen, zudem würde sich Israel international weiter isolieren.
Pentagon zweifelt
Laut Einschätzung des US-Verteidigungsministeriums steht eine Bodenoffensive nicht unmittelbar bevor, wie die stellvertretende Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh betonte. Nach Angaben eines US-Regierungsbeamten führen die USA jedoch derzeit "aktive Gespräche mit Israel und anderen Ländern", um eine Waffenruhe zwischen Israel und Hisbollah-Miliz im Libanon zu erreichen.
Nach eigenen Angaben griff die israelische Armee am Mittwoch mehr als 280 Ziele der pro-iranischen Hisbollah-Miliz im Libanon an. Das libanesische Gesundheitsministerium sprach von mindestens 51 Toten und 223 Verletzten auch in Bergregionen außerhalb der traditionellen Hochburgen der Hisbollah. Seit Beginn der intensiven israelischen Angriffe am Montag sind inzwischen mehr als 600 Menschen getötet worden, darunter auch Frauen und Kinder.
Zehntausende Libanesen auf der Flucht
Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind seit Montag Zehntausende Menschen auf der Flucht. Das UN-Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (Ocha) meldete unter Berufung auf libanesische Behörden, viele der mehr als 90.000 registrierten Vertriebenen hätten nicht das erste Mal ihre Wohnorte verlassen müssen.
Zahlreiche Libanesinnen und Libanesen zeigten sich solidarisch: Sie boten Schlafplätze an, Hotels stellten Geflüchteten kostenlos Zimmer zur Verfügung. Doch Augenzeugen berichteten auch von Versuchen, die Notlage der Vertriebenen auszunutzen: Matratzen und elektronische Geräte wurden zu überhöhten Preisen verkauft.
Hisbollah feuert Rakete auf Tel Aviv
Auch in der israelischen Küstenmetropole Tel Aviv heulten am frühen Mittwochmorgen die Sirenen. Nach Angaben eines Militärsprechers war es das erste Mal überhaupt, dass die Hisbollah-Miliz eine Rakete auf Tel Aviv feuerte. Diese sei abgefangen worden. Die Miliz erklärte, der Angriff habe dem Hauptquartier des israelischen Auslandsgeheimdiensts "Mossad" in einem Vorort von Tel Aviv gegolten. In der Metropole war zuletzt Ende Mai Raketenalarm ausgelöst worden, damals wegen eines Angriffs der Hamas.
Papst Franziskus: Eskalation nicht hinnehmbar
Weltweit äußerten Staatenlenker ihre Besorgnis darüber, dass der Konflikt – parallel zum Krieg Israels im Gazastreifen gegen die Hamas – sich verschärft. US-Präsident Joe Biden warnte erneut vor einem "umfassenden Krieg" im Nahen Osten. Er sehe aber weiterhin Potenzial für eine diplomatische Lösung, sagte er in einem Interview mit dem Sender "NBC".
Papst Franziskus forderte die Weltgemeinschaft zum Handeln auf. "Ich hoffe, dass die internationale Gemeinschaft alles tun wird, um diese schreckliche Eskalation zu stoppen. Sie ist nicht hinnehmbar", sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche in seiner wöchentlichen Generalaudienz auf dem Petersplatz in Rom. Er sei betrübt über die Luftangriffe der vergangenen Tage. Zu viele Tote und zu viel Zerstörung seien im Libanon zu beklagen.
Mit Informationen von dpa und AFP
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