Lange Zeit hatte es den Anschein, als ob die bundesweiten Proteste der vergangenen Wochen gegen Rechtsextremismus und für Demokratie und Toleranz keinerlei politische Konsequenz haben würden, obwohl sich daran an Spitzentagen hunderttausende Bürgerinnen und Bürger beteiligten. Nun will Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) aber ein deutliches Zeichen setzen.
Zusammen mit dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutzes und dem Chef des Bundeskriminalamtes hat sie einen Maßnahmenkatalog vorgelegt. Der soll die Ausbreitung von Rechtsextremismus stärker eindämmen.
Strategie für eine "wehrhafte Demokratie"
Insgesamt 13 Punkte umfasst das Paket mit dem Titel "Rechtsextremismus entschlossen bekämpfen – Instrumente der wehrhaften Demokratie nutzen", das am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Es knüpft dabei vielfach Elemente aus dem Aktionsplan gegen Rechtsextremismus von 2022 an. Kern der Strategie bleibe "Prävention und Härte", so Innenministerin Nancy Faeser. Man wolle alle Instrumente des Rechtsstaats nutzen, um "rechtsextremistische Netzwerke zu zerschlagen, ihnen ihre Einnahmen zu entziehen und ihnen die Waffen wegzunehmen".
Konkret will Faeser etwa die Geldquellen von Rechtsextremisten aufspüren und trockenlegen. Dafür sollen unter anderem die Befugnisse des Bundesverfassungsschutzes für Finanzermittlungen ausgeweitet und so Verfahren beschleunigt werden. Bisher konnten die Ermittlungsbehörden Überwachungen nur bei nachweislich "volksverhetzenden und gewaltorientierten Bestrebungen" einsetzen. Laut den Plänen der SPD-Politikerin soll künftig schon das Gefährdungspotenzial für ein Vorgehen bis zur Stilllegung von Konten ausreichen.
Waffen entziehen, Vernetzung verhindern
Laut dem Papier aus dem Bundesinnenministerium sollen kriegswaffenähnliche Halbautomatikwaffen darüber hinaus komplett verboten und gesetzlich geregelt werden, dass die Mitgliedschaft in einer vom Verfassungsschutz als extremistischer Verdachtsfall geführten Organisation dazu führt, dass der Waffenschein entzogen wird. Widerstand aus der FDP sorgte bislang dafür, dass der Plan seit einem Jahr im Stand eines Entwurfs verharrt.
Zudem will die Ministerin das Bundesverfassungsgericht stärken, indem "die zentralen Regelungen zu Organisation und Verfahren in das Grundgesetz" aufgenommen werden. Auch sollen transnationale Vernetzungen der Rechtsextremisten gestört werden, indem es Ein- und Ausreisen von Rechtsextremisten gemeinsam mit den Bundesländern so weit wie möglich verhindert werden.
Vorgehen wie bei organisierter Kriminalität
Nach Faesers Worten sollen im Rahmen der Maßnahmen rechtsextremistische Netzwerke künftig so behandelt werden, wie die organisierte Kriminalität. Ordnungsbehörden wie die Gaststätten- oder Gewerbeaufsicht sollen Treffen rechtsextremer Gruppen klar untersagen. Außerdem sollen Verfassungsfeinde in Zukunft leichter aus dem öffentlichen Dienst entfernt und Amts- und Mandatsträger, die Ziel von Anfeindungen und Angriffen sind, stärker unterstützt werden. Antisemitismus soll zudem entschieden entgegengetreten werden.
Desinformation und Manipulation früher erkennen
Weitere Punkte des Maßnahmenpakets sind der Ausbau der Zentralen Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet beim Bundeskriminalamt, die Stärkung der Demokratieförderung und das Vorgehen gegen ausländische Einflussnahme und Desinformation. Beim Kampf gegen die Manipulation durch Fake-Accounts oder KI-basierte Bilder baut das Bundesinnenministerium demnach eine neue Früherkennungseinheit auf. Sie soll ausländische Manipulations- und Einflusskampagnen frühzeitig identifizieren.
Neuer Höchstwert: Über 23.000 Rechtsextremisten bekannt
Laut Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang steigt die Zahl von Rechtsextremisten seit Jahren kontinuierlich. Besorgniserregend sei in jüngster Zeit die zunehmende Vernetzung und ein Drang in die gesellschaftliche Mitte. Das geschehe durch eine "mentale und verbale Grenzverschiebung". Nach Angaben des Bundeskriminalamtes und seinem Leiter Holger Münch hat die Zahl von Rechtsextremisten im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht, der über die Zahl von 23.600 Personen im Jahr 2020 hinausgehe.
Der Rechtsextremismus bleibe "die größte Bedrohung" für die freiheitliche Grundordnung in Deutschland, ergänzte Bundesinnenministerin Faeser. Zur Förderung der Demokratie appellierte die SPD-Politikerin deshalb auch erneut an die FDP-Fraktion, das Demokratiefördergesetz im Bundestag ebenfalls zu verabschieden. Ein Großteil der aufgelisteten Vorhaben ist allerdings bereits bekannt und teils auch schon beschlossen.
- Zum Artikel: Faeser: "Höchste Zeit" für Demokratiefördergesetz
Mit Informationen von dpa, AFP und Reuters.
Im Video: Bundesinnenministerin Faeser stellt Maßnahmenpaket für eine "wehrhafte Demokratie" vor
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