Nach dem früheren Wirecard-Manager wird nach wie vor international gefahndet.
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Hat Jan Marsalek einen von Großbritannien aus operierenden Spionage-Ring gesteuert?

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Marsaleks Spionagering? Prozessauftakt in London

Marsaleks Spionagering? Prozessauftakt in London

Spionage für Russland – so lautet der Vorwurf gegen sechs Bulgaren, die seit 2023 in Großbritannien in Haft sitzen. Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek soll diesen mutmaßlichen Agentenring gesteuert haben. In London beginnt heute der Prozess. 

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Zu Beginn wird es nach Angaben der britischen Justiz um organisatorische Dinge gehen. Der eigentliche Prozess, inklusive Verlesung der Anklage ist für Mittwoch und Donnerstag geplant. In den vergangenen Monaten hat es am Central Criminal Court in London zur Vorbereitung mehrere Anhörungen gegeben. Dabei haben die sechs inhaftierten bulgarischen Staatsbürger zunächst ihre Unschuld beteuert. Dem Vernehmen nach ist nicht ausgeschlossen, dass zumindest einige von ihnen davon abrücken.

Die sechs bulgarischen Staatsbürger sitzen seit dem vergangenen Jahr in Großbritannien in Haft. Gemeinsam sollen sie nach Überzeugung der britischen Ermittlungsbehörden zwischen August 2022 und Februar 2023 für einen Agenten Russlands Dokumente und Informationen zum Schaden des Vereinigten Königreichs gesammelt haben. Orlin R. gilt dabei als Kopf der Gruppe. Er ist ein ehemaliger Tech-Unternehmer und Ex-Direktor einer zeitweise in London registrierten Firma.

Hat Marsalek die Spionage-Zelle angeleitet?

Nach den bisherigen Ermittlungen soll Orlin R. bis zu seiner Verhaftung mit einem russischen Agenten namens "Rupert Ticz" in Kontakt gestanden haben. Medienberichten zufolge soll sich dahinter Marsalek verbergen.

Bereits im September vergangenen Jahres von den britischen Behörden veröffentlichte Informationen hatten den Schluss nahegelegt, dass es sich bei dem russischen Agenten um Jan Marsalek gehandelt haben dürfte. Der frühere Wirecard-Manager habe demnach die mutmaßliche Spionage-Zelle angeleitet. Er verfüge über Verbindungen zum russischen Staat und gilt als Bindeglied zu den dortigen Einrichtungen.

Den Ermittlern vorliegende Beweise machten deutlich, dass Orlin R. auf Anweisung von Marsalek gehandelt habe, unter anderem über den Messenger-Dienst Telegram. So soll sich der ehemalige Wirecard-Manager mit R. im Dezember 2022 über den Transport eines speziell gesicherten SINA-Laptops von Berlin zum russischen Geheimdienst FSB in Moskau ausgetauscht haben. Am Ende sei alles gut gegangen, die mit dem Transport beauftragte Botin sei allerdings ein "dummes Risiko" eingegangen: "Sie ist mit einem gefälschten Pass durch die Sicherheitskontrolle gelaufen", schrieb Marsalek den Ermittlungsunterlagen zufolge am 13. Dezember 2022 um kurz nach 22.00 Uhr an den bulgarischen Kontaktmann. Von Marsalakes Anwalt war dazu keine Stellungnahme zu bekommen.

Die mutmaßliche bulgarische Spionage-Zelle soll nach Erkenntnissen der Behörden in Großbritannien zudem versucht haben, gegen Bezahlung an Informationen über Nato-Basen in Deutschland zu kommen. Und sie soll im September 2022 die kasachische Botschaft in London ausspioniert haben.

Marsalek und Orlin R.: Schon 2015 in Kontakt

Der Tech-Unternehmer und Marsalek kennen sich seit Jahren. Dem BR liegen E-Mails aus dem Jahr 2015 vor, in denen sich beide über besonders robuste und abhörsichere Mobiltelefone ausgetauscht haben. Marsalek war damals noch Wirecard-Vorstandsmitglied.

Im Zuge des Zusammenbruchs des Aschheimer Zahlungsdienstleisters setzte sich Marsalek am 19. Juni 2020 von einem Kleinflughafen nahe Wien in Richtung Minsk ab. Seitdem wird er in Russland vermutet. Die britischen Behörden schreiben dazu, "sein genauer Aufenthaltsort ist unbekannt".

Prozessbeginn um einen Monat verschoben

Die britischen Behörden haben bei der Festnahme von drei Mitgliedern der Gruppe im Februar vergangenen Jahres mehrere mutmaßlich gefälschte Pässe sichergestellt – unter anderem aus Spanien, Kroatien und Italien.

Ursprünglich sollte der Prozess gegen R. und die weiteren fünf Beschuldigten Ende Oktober am Central Criminal Court in London beginnen. Weil die britischen Behörden zuletzt zusätzliche umfangreiche Beweismittel vorgelegt haben, erklärte sich das Gericht auf Antrag der Verteidiger bereit, den Beginn des Prozesses um einen Monat auf Ende November zu verschieben.

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