Schon länger gibt es Anhaltspunkte dafür, dass der ehemalige Wirecard-Vorstand Jan Marsalek aktiv Kontakte zu ausländischen Nachrichtendiensten gepflegt hat. Das möchte die Verteidigung von Markus Braun nun vor Gericht anbringen, um den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des untergegangenen Zahlungsdienstleisters zu entlasten.
Verbindungen nach Moskau und Bulgarien?
Vor fast genau vier Jahren hat sich der frühere Wirecard-Vorstand Jan Marsalek von einem Kleinflughafen nahe Wien aus abgesetzt – zunächst in die weißrussische Hauptstadt Minsk. Von dort ging es wohl weiter nach Moskau. Nach Erkenntnissen von Ermittlungsbehörden im In- und Ausland hält Marsalek sich bis heute dort auf. Spätestens seit Marsaleks Flucht gibt es zahlreiche Hinweise auf Verbindungen des Ex-Wirecard-Managers zu mehreren Nachrichtendiensten.
So soll der ehemalige Wirecard-Vorstand bis Anfang des vergangenen Jahres eine Gruppe von in Großbritannien lebenden, bulgarischen Staatsbürgern gesteuert haben. Gegen sechs dieser Personen beginnt im Oktober ein Prozess, weil britische Behörden sie der Spionage für Russland beschuldigen. In den vergangenen Wochen haben die mutmaßlichen Agenten in mehreren Anhörungen ihre Unschuld beteuert.
Marsalek hat sich schon 2015 über abhörsichere Telefone informiert
Die britischen Nachrichtendienste haben unter anderem 78.000 Chat-Nachrichten zwischen dem Leiter der Gruppe, Orlin R. und Jan Marsalek sichergestellt. Sie sollen vom Mobiltelefon des Bulgaren stammen. Nach BR-Informationen standen Orlin R. und Marsalek schon in dessen aktiver Zeit bei Wirecard in Kontakt. So tauschten sich beide zum Beispiel 2015 per E-Mail über abhörsichere Mobiltelefone aus.
Schon länger bekannt ist auch, dass Marsalek noch in seiner aktiven Zeit bei Wirecard zu russischen Söldner-Truppen und zu Mitarbeitern österreichischer Sicherheitsbehörden engen Kontakt gehabt haben soll – angeblich alles ohne Wissen seines Chefs, Markus Braun.
Nutzte Marsalek Wirecard-Gelder für Geheimdienst-Aktivitäten?
Deswegen hat Brauns Verteidigerin Theres Kraußlach beantragt, Erkenntnisse der britischen und österreichischen Behörden zu den Sachverhalten in den am Landgericht München laufenden Prozess einzubeziehen und weitere Zeugen vorzuladen. Dazu zählt nicht nur Orlin R., sondern auch Martin W., ein ehemaliger führender Mitarbeiter des österreichischen Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Die Sicherheitsbehörde wurde Ende 2021 nach diversen Skandalen aufgelöst und durch die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) ersetzt.
Ziel der Braun-Verteidigerin ist, ihren Mandanten zu entlasten: "Schlussendlich werden sich durch die Beiziehung der Akten Beweismittel ergeben, welche die fehlende Beteiligung sowie die fehlende Kenntnis des Angeklagten Dr. Braun belegen", so steht es in dem heute an das Landgericht übermittelten Beweisantrag. Es handele sich um ein "miteinander verwobenes Konstrukt".
Anklage: Braun Teil einer Bande
Die Staatsanwaltschaft München hat Braun angeklagt, weil er Teil einer Bande sein soll. Sie wirft ihm unter anderem Marktmanipulation und bandenmäßigen Betrug vor. Genauso auch dem früheren Wirecard-Chefbuchhalter Stephan von Erffa und dem ehemaligen Statthalter des Aschheimer Zahlungsdienstleisters in Dubai, Oliver Bellenhaus.
Während Bellenhaus als Kronzeuge der Staatsanwaltschaft gilt und Braun im Laufe des Verfahrens wiederholt seine Unschuld betont hat, hat von Erffa bislang geschwiegen und lediglich seine Anwälte für sich sprechen lassen. Das könnte sich aber ändern. Im Juli könnte er aussagen, so die jetzige Planung. Wann der seit Dezember 2022 laufende Prozess zu Ende geht, ist offen.
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