Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will nach einer Möglichkeit suchen, die Mehrwertsteuer auf die geplante Gasumlage an die Bürger zurückzugeben. "Diesen Weg werden wir jetzt ganz schnell mit der (EU-)Kommission besprechen", sagte Scholz am Dienstag in Berlin.
Die Brüsseler Behörde hatte zuvor dem ursprünglichen Plan der Bundesregierung eine Absage erteilt: EU-rechtlich sei es nicht möglich, dass Deutschland auf die Erhebung der Mehrwertsteuer verzichte.
Die Bundesregierung will mit der Gasumlage Gasimporteure entlasten, die wegen der gedrosselten Lieferungen aus Russland anderswo für viel Geld Gas einkaufen müssen, um ihre Verträge zu erfüllen. Ab Oktober sollen ihnen diese Mehrkosten zu 90 Prozent erstattet werden. Die Kosten dafür werden mittels eines Aufschlags auf alle Gaskunden verteilt - und auf diesen kommt zusätzlich noch die Mehrwertsteuer.
EU-Kommission lehnte Ausnahmeregelung ab
Bei der EU-Kommission hatte Berlin um eine ausnahmsweise Befreiung von der Pflicht zum Erheben der Mehrwertsteuer gebeten. Dies sei jedoch nicht möglich, sagte ein Brüsseler Sprecher dazu am Dienstag und verwies auf eine entsprechende Reform der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie, die erst im vergangenen Jahr einstimmig von den Mitgliedstaaten verabschiedet worden war.
"Wir teilen mit Deutschland den Wunsch, dass diese Maßnahme keine unbeabsichtigten steuerlichen Folgen hat", sagte der Kommissionssprecher weiter. Brüssel sei an einer Lösung im Sinne der Endverbraucher interessiert. Laut Scholz wird nun darüber geredet", wie wir das Geld den Bürgern wieder zurückkommen lassen können".
Ermäßigter Satz auf Gasumlage?
Die reformierte EU-Mehrwertsteuerrichtlinie schreibt einen Mindestsatz von 15 Prozent vor. In vielen Fällen sind aber ermäßigte Sätze von mindestens fünf Prozent möglich. "Das Mindestmaß von fünf Prozent sollte genutzt werden", sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen, Dieter Janecek, dem "Handelsblatt". Der Vize-Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, Hannes Walter (SPD), sprach sich für eine Senkung der Mehrwertsteuer insgesamt aus, vor allem für Gas, aber auch für Strom.
CDU-Chef Merz attackiert Ampel-Koalition
Der Fraktionsvorsitzende der Union, Friedrich Merz (CDU), kritisierte die Ampel-Regierung wegen der Gasumlage scharf. Der Düsseldorfer "Rheinischen Post" sagte er: "Gibt es in dieser Bundesregierung eigentlich irgendjemanden, der angesichts der immer weiter steigenden Belastungen und der immer neuen Ankündigungen von Entlastungen noch den Überblick hat?" Das Problem der Mehrwertsteuer bei der Gasumlage sei bekannt gewesen und "es hätte von Herrn Habeck vor der Verkündung der Umlage geklärt werden müssen", fügte er mit Blick auf Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hinzu.
Aiwanger kritisiert Brüssel und Berlin
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) kritisierte im Interview mit BR24 die Entscheidung der EU-Kommission. Dies führe zu mehr Politikverdrossenheit. Denn der Staat verdiene mit der Mehrwertsteuer kräftig mit an den hohen Energiepreisen. Der Bundesregierung warf Aiwanger vor, zu wenig zur Entlastung der Bürger beizutragen. Der Staat solle nun an allen Schrauben drehen, bei denen er Brüssel nicht um Erlaubnis fragen müsse.
Konkret forderte der Wirtschaftsminister, die Einkommenssteuer erst ab 2.000 Euro Einkommen im Monat zu erheben - und nicht schon ab 860 Euro. Darüber hinaus sprach sich Aiwanger für eine Reform der Unternehmenssteuer aus.
Aiwanger geht davon aus, dass das Gas im Winter reichen wird. Er forderte aber erneut, wo immer es möglich sei, Gas durch Holz, Kohle, Öl oder Kernenergie zu ersetzen. Laut Aiwanger müsse die Bundesregierung nun endlich eine Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke beschließen. Bleiben die Energiekosten hoch, kann es Aiwanger zufolge zur Abwanderung von Betrieben aus Bayern kommen.
Sozialverbände: Gasumlage überfordert ärmere Haushalte
Ärmere Haushalte könnten die Gasumlage nicht schultern, warnt indes der Paritätische Gesamtverband. Nach Ansicht des Wohlfahrtsverbandes drohen Gassperren und eine Armutsspirale. Der Paritätische fordert deshalb gezielte Entlastungen für einkommensschwache Haushalte, unter anderem durch höhere Hartz-IV-Sätze und mehr Wohngeld. Damit dürfe die Bundesregierung nicht bis nächstes Jahr warten, heißt es vom Paritätischen.
Auch der Sozialverband VdK fordert eine schnelle Erhöhung des Wohngeldes. Zudem müsse jeder Haushalt ein Wärmekontingent von 10.000 Kilowattstunden erhalten, für das ein fairer Preis gelten soll, fordert der VdK – das entspricht etwa dem Durchschnittsverbrauch einer 70-Quadratmeter-Wohnung. Außerdem müsse die Regierung Wege finden, um die Energiepreispauschale von 300 Euro auch an Rentner zu zahlen, heißt es vom VdK. Bisher ist die Auszahlung an die Einkommenssteuer gekoppelt, was eine große Zahl von Rentnern durchs Raster fallen lässt.
BR24live: Die Gasumlage kommt im Oktober - Wer muss sie bezahlen?
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- Zum Artikel: "EBU-Projekt Europäische Perspektiven"
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