Die oppositionelle Unionsfraktion hat für ihre Forderungen nach einer drastischen Verschärfung der Asylpolitik eine Mehrheit im Bundestag erhalten. Das Parlament beschloss am Donnerstag einen fünf Punkte umfassenden Antrag, der unter anderem "dauerhafte" Grenzkontrollen, "konsequente" Zurückweisungen von Schutzsuchenden und eine Inhaftnahme vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer verlangt.
Die Vorlage wurde in namentlicher Abstimmung von 348 Abgeordneten unterstützt, 345 stimmten dagegen, zehn enthielten sich. Neben 187 Abgeordneten von CDU/CSU votierten 75 AfD-Abgeordnete, 80 Angehörige der FDP-Fraktion sowie 6 fraktionslose Abgeordnete dafür. Ein zweiter Antrag der Union für weitreichende Reformen zur Stärkung der Innen Sicherheit wurde vom Bundestag abgelehnt.
Scharfe Kritik an der Union: "Zäsur"
Nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses kritisierten Vertreter von SPD, Grünen und Linken die Union und deren Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz scharf für die Bereitschaft, eine Mehrheit mit Stimmen der AfD in Kauf zu nehmen. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sprach von einer "Zäsur", nach der man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen könne. Die Union sei "aus der politischen Mitte dieses Hauses ausgebrochen". Auf Antrag von Mützenich wurde die Bundestagssitzung wenig später für eine halbe Stunde unterbrochen.
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann beklagte: "Heute sind zum ersten Mal Mehrheiten gesucht und billigend in Kauf genommen worden jenseits der demokratischen Mitte." Deutliche Worte an Merz richtete die Spitzenkandidatin der Linken für die Bundestagswahl, Heidi Reichinnek: "Herr Merz, aller politischen Differenzen zum Trotz hätte ich mir niemals vorstellen können, dass eine christlich-demokratische Partei diesen Dammbruch vollzieht und mit Rechtsextremen paktiert!"
Merz "bedauert" Mehrheit mit AfD
CDU-Chef Merz äußerte sein Bedauern, dass es eine Mehrheit für den Antrag der Union mithilfe der AfD gegeben hat: "Ich suche in diesem Deutschen Bundestag keine anderen Mehrheiten als die in der demokratischen Mitte des Parlaments. Wenn es hier heute eine solche Mehrheit gegeben hat, dann bedauere ich das."
Zudem erklärte er, dass er SPD und Grünen ein Angebot über einen gemeinsamen Weg in der Migrationspolitik unterbreiten wolle. Am Freitag steht ein Gesetzesentwurf der Union zur Abstimmung im Bundestag.
AfD: Historischer Moment
Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, sprach von einem historischen Moment. "Herr Merz, Sie haben geholfen, den hervorzubringen", rief Baumann dem CDU-Chef zu. "Jetzt und hier beginnt eine neue Epoche. Jetzt beginnt etwas Neues. Und das führen wir an, das führen die neuen Kräfte an, das sind die Kräfte von der AfD."
Die FDP-Abgeordnete Judith Skudelny verteidigte die Haltung ihrer Fraktion. "Meine Fraktion wird Ihre Meinung zu Anträgen einer demokratischen Partei wie der CDU/CSU nicht von radikalen Parteien in diesem Haus abhängig machen", sagte sie.
Scholz attackiert Merz
Schon vor der Abstimmung hatte es einen Schlagabtausch im Plenum gegeben: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warf Unions-Kanzlerkandidat Merz vor, angesichts einer möglichen gemeinsamen Abstimmung mit der AfD einen "Grundkonsens der Republik im Affekt" zu brechen. "Sie haben gesagt, Ihnen sei es 'gleichgültig', wer Ihren rechtswidrigen Vorschlägen zustimmt. Aber es ist nicht gleichgültig, ob man mit den extremen Rechten zusammenarbeitet. Nicht in Deutschland!", sagte der SPD-Politiker in einer Regierungserklärung.
Scholz warf Merz vor, es sei ein "unverzeihlicher Fehler", mit denen zu stimmen, die Europa verachteten und die Demokratie bekämpften. Dabei schlage Merz wie Populisten Maßnahmen vor, die offensichtlich gegen das deutsche und europäische Recht verstießen. Dies hätten frühere Bundeskanzler nie gemacht.
Habeck: "Stimmen Sie nicht mit denen ab"
Auch Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck appellierte an Union und FDP, mit der AfD keine gemeinsame Sache zu machen. "Stimmen Sie nicht mit denen ab, in dieser entscheidenden Frage", sagt Habeck. Das hieße, mit "Rassisten" gemeinsame Sache zu machen, sagt Habeck. Und wenn Union und FDP in einer solch wichtigen Frage gemeinsame Sache mit der in Teilen rechtsextremistischen Partei machten, dann werde dies auch in anderen Fragen passieren, warnte der Vize-Kanzler und Wirtschaftsminister.
Merz weist Vorwurf von Rechtsbruch zurück
Merz wies den Vorwurf zurück, er betreibe mit seinen Vorschlägen zur Migrationspolitik einen Rechtsbruch. Es sei nicht die Aufgabe des Bundeskanzlers festzustellen, dass bestimmte Dinge nach geltendem Recht nicht gingen, sagte der CDU-Chef. Wenn es Missstände gebe, müsse die Regierung darauf hinarbeiten, die Gesetze zu ändern.
Mit Blick auf die EU betonte der Unions-Kanzlerkandidat, die europäische Asyl- und Migrationspolitik sei bereits dysfunktional. Länder wie Dänemark oder die Niederlande machten bereits genau das, was er jetzt vorschlage.
Weidel wirft Scholz "Migrationschaos" vor
Die AfD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Alice Weidel warf der Bundesregierung und der oppositionellen Union schwere Fehler in der Migrationspolitik vor. Kanzler Scholz hinterlasse ein "auf die Spitze getriebenes Migrationschaos", sagte Weidel. "Dieser politisch gewollte Kontrollverlust kostet Menschenleben und hinterlässt verletzte, geschundene, traumatisierte Körper und Seelen", sagte Weidel mit Blick auf Straftaten von Migranten.
Mit Informationen von dpa und AFP
Im Video: Antrag der CDU angenommen - mit Stimmen der AfD
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!