Im Bundestag (16.12.2024): Robert Habeck, Olaf Scholz, Friedrich Merz (v.l.n.r.)
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Debatte über Migration: Bundestag wird zur Wahlkampfbühne

Debatte über Migration: Bundestag wird zur Wahlkampfbühne

Nach dem Anschlag von Aschaffenburg hat sich das Thema Migration im Wahlkampf nach vorne geschoben. In der letzten Sitzungswoche des Bundestags gibt es mehrere Anträge und einen Gesetzentwurf der Union. Worum geht es? Und welche Rolle spielt die AfD?

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Am Mittwoch um 14 Uhr will Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Regierungserklärung zur Migration abgeben – für die Union der richtige Zeitpunkt, um ihrerseits sogenannte "Entschließungsanträge" einzubringen. Solche Anträge sind eine nicht bindende Aufforderung an die Regierung, neue Gesetze auf den Weg zu bringen. Angesichts der knappen Zeit vor der Bundestagswahl gilt es als ausgeschlossen, dass die rot-grüne Minderheitenregierung hier noch etwas auf den Weg bringt. Sicher ist aber: Die Debatte wird hitzig sein.

Entschließungsanträge: Union will Zustimmung von SPD und Grünen

In ihren Anträgen fordert die Union eine radikale Wende in der Asylpolitik – unter anderem die Zurückweisung aller Flüchtlinge an den Grenzen, auch wenn sie Asyl beantragen. Die Union hält das für europarechts- und verfassungskonform – anders als SPD und Grüne, die das strikt ablehnen.

Zusätzlich geht es unter anderem auch um mehr Kompetenzen für die Sicherheitsbehörden. Zu Gesprächen über die innere Sicherheit sind zwar alle Parteien bereit – eine Verabschiedung neuer Gesetze vor der Wahl aber ist so gut wie unmöglich.

Wer stimmt den Anträgen zu Migration zu – und was bedeutet das?

CDU-Chef Friedrich Merz hat den Unions-Anträgen ein Vorwort vorangestellt, in dem er die AfD scharf kritisiert, ihr zum Beispiel vorwirft, Rassismus zu schüren. Die Hoffnung: Das würde die AfD davon abhalten, den Anträgen zuzustimmen. Doch weit gefehlt: Die AfD will mit der Union stimmen und sich dafür – so der AfD-Fraktionsvize Stefan Keuter im Deutschlandfunk – "zum Wohle des deutschen Volkes auch beleidigen lassen". Ob die AfD-Abgeordneten der Parteispitze vollständig folgen, ist zwar noch offen, aber erstmals könnte die AfD einem Bundestagsantrag der CDU/CSU zu einer Mehrheit verhelfen.

"Brandmauer" gegen rechts – wie stabil ist sie?

SPD, Grüne und Linke sind empört. Eine solche gemeinsame Abstimmung wäre ein historischer Tabubruch. Die sogenannte "Brandmauer" gegen rechts – also der kategorische Ausschluss einer Zusammenarbeit mit der AfD im Bundestag – stehe "in hellen Flammen", so die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken. Merz habe sein "Wort gebrochen", sagt die grüne Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge. Scholz geht im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF so weit, Zweifel zu säen: "Was, wenn es (nach der Wahl) nicht doch eine schwarz-blaue Koalition gibt?" Dies allerdings hat Merz glasklar ausgeschlossen.

Zuwanderung – auch über einen Gesetzentwurf soll abgestimmt werden

Neben den Anträgen, über die am Mittwoch abgestimmt werden soll, will die Union für Freitag auch einen Gesetzentwurf einbringen: das sogenannte "Zustrombegrenzungsgesetz". Ein Entwurf der Union wurde bereits im Herbst eingebracht und beraten. Über ihn könnte final abgestimmt werden.

Im Kern geht es um die Änderung bestehender Gesetze: So soll "Begrenzung der Zuwanderung" wieder ein gesetzliches Ziel werden, der Familiennachzug für "subsidiär Schutzberechtigte" (Migranten, die nur vorübergehend Schutz bekommen) ausgesetzt werden und die Bundespolizei selbst Abschiebungen durchführen dürfen, wenn sie ausreisepflichtige Personen aufgreifen. Dafür könnte es mit CDU/CSU, AfD, FDP und BSW eine Mehrheit geben. Die Union würde also nicht nur einen Antrag, sondern ein Gesetz mit Stimmen der AfD beschließen! Das würde auch in Kraft treten, wenn es tatsächlich eine Mehrheit gibt und auch der Bundesrat zustimmt.

Wahlkampf – wird die Union beim Thema Migration Punkte machen?

"Das, was in der Sache richtig ist, wird nicht falsch dadurch, dass die Falschen zustimmen", so verteidigt Unions-Kanzlerkandidat Merz sein Vorgehen in der Migrationspolitik. Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, ergänzt gegenüber BR24: "Die Bürger in Deutschland haben ein Anrecht darauf, vor der Wahl zu erfahren, wie die Parteien zu einer Neuordnung der Migration stehen."

Doch in dieser Art "Showdown" im Bundestag liegt auch ein Risiko: Es könnte sein, dass sich eher liberale Anhänger der Union abwenden und CDU und CSU Wählerstimmen in der Mitte verlieren. Die Hoffnung der Wahlkämpfer ist allerdings eine andere: dass es gelingt, Wähler vom rechten Rand zurückholen und vor allem glaubwürdig zu vermitteln, dass die Union eine echte Wende in der Asylpolitik will. Ob sich der Kurs von Merz auszahlt oder der Union eher schadet, wird sich spätestens am Wahlabend zeigen.

Im Video: Aschaffenburg – Debatte um Konsequenzen

Zahlreiche Kerzen und Blumen stehen am Eingang des Parks Schöntal in Aschaffenburg.
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Zahlreiche Kerzen und Blumen stehen am Eingang des Parks Schöntal in Aschaffenburg.

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