Wagenknecht (M), Prarteivorsitzende vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und Bundestagsabgeordnete, Amira Mohamed Ali (r), Prarteivorsitzende vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und Bundestagsabgeordnete, und Christian Leye, BSW-Generalsekretär, kommen zur Pressekonferenz nach der Europawahl.
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Wagenknecht (M), Parteivorsitzende (BSW), Amira Mohamed Ali (r), Parteivorsitzende (BSW) und Christian Leye, BSW-Generalsekretär.

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Nach der Europawahl: Womit hat die Wagenknecht-Partei gepunktet?

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) gibt es gerade einmal seit fünf Monaten. Jetzt hat es bei der Europawahl aus dem Stand rund sechs Prozent der Stimmen bekommen. Auch ein Kandidat aus Bayern hat für die neue Partei einen Sitz in Brüssel gewonnen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Es ist wie so oft, wenn Sahra Wagenknecht bei einem Termin auftaucht. Fotografen bringen sich in Stellung, die prominente Bundestagsabgeordnete betritt unter Blitzlichtgewitter den Raum – in diesem Fall ein Konferenzsaal im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin. Doch eines ist diesmal anders: Bisher lag bei Wagenknechts Auftritten als Vorsitzende der nach ihr benannten Partei eine gewisse Anspannung in der Luft. Doch am Tag nach der Europawahl wirkt die 54-Jährige erleichtert. Aus ihrer Sicht hat der Wahlsonntag gezeigt, dass die Entscheidung für eine Parteigründung "absolut richtig" gewesen sei.

Wahlergebnis übertrifft Wagenknechts Erwartungen

Es war das erste Mal, dass das BSW bundesweit bei einer Wahl antrat. Aus dem Stand kam die neue Partei auf 6,2 Prozent der Stimmen. Und damit auf mehr, als Wagenknecht nach eigenen Worten erwartet hatte. Die erste Bewährungsprobe sei überstanden – und das BSW eine neue politische Kraft, mit dem Anspruch, die Politik in Deutschland zu verändern. Auch die Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali betont: "Wir sind gekommen, um zu bleiben."

Ob es das BSW schafft, sich auf Dauer einen Platz in der deutschen Parteienlandschaft zu sichern, muss sich noch zeigen. Klar ist: Eine Partei wie das BSW hat es in der Bundesrepublik noch nicht gegeben. Das Bündnis will zugleich Protest- und Programmpartei sein, es verbindet linke Positionen in der Sozialpolitik mit konservativen in Sachen Einwanderung. Und das BSW ist ganz auf seine Namensgeberin zugeschnitten.

Denkzettel-Strategie von Wagenknecht verfängt

Eine Mischung, die in Teilen der Wählerschaft offensichtlich einen Nerv getroffen hat. 71 Prozent der BSW-Anhänger haben die Wahl als Denkzettel genutzt. Das zeigt eine Nachwahlbefragung des Meinungsforschungsinstituts infratest dimap im Auftrag der ARD. Damit ist Wagenknechts Strategie in einem wichtigen Punkt voll aufgegangen: Sie hatte während des Wahlkampfs die Europawahl immer wieder als Möglichkeit bezeichnet, die Ampel-Regierung abzustrafen.

In einem anderen Punkt ist die Sache nicht so eindeutig: Das betrifft die Frage, inwiefern es dem BSW gelungen ist, der AfD Wähler abspenstig zu machen – so, wie es Wagenknecht wiederholt als Ziel ausgegeben hatte. Aus der Nachwahlbefragung geht nun hervor, dass die Wagenknecht-Partei bei der EU-Wahl vor allem enttäuschte Anhänger der SPD, der Linken und auch der Unionsparteien an sich binden konnte. Bezugspunkt ist allerdings die Bundestagswahl im Jahr 2021. Die AfD aber erlebte erst rund um den zurückliegenden Jahreswechsel einen Höhenflug in den Umfragen. Es bleibt also offen, ob und wie das BSW dazu beigetragen hat, dass die AfD bei der EU-Wahl unter diesen Umfragewerten blieb - ungeachtet ihres an sich starken Ergebnisses.

Viele wählen BSW aus Überzeugung

Anders als man bei einer so jungen politischen Formation vermuten könnte, haben viele Menschen das BSW nicht bloß aus Enttäuschung über andere Parteien gewählt. Rund die Hälfte der befragten Wagenknecht-Wähler machte ihr Kreuz, weil sie vom BSW überzeugt ist. Eine herausragende Rolle spielt für Anhänger der neuen Partei die Sicherung des Friedens, wie Meinungsforscher schon vor der Wahl herausgefunden haben. Oder mit anderen Worten: die Angst vor einer weiteren Eskalation des russischen Angriffskriegs in der Ukraine, zu dem Wagenknecht umstrittene Ansichten vertritt.

Aber auch wirtschaftliche und soziale Themen treiben die BSW-Anhänger um. Die Parteispitze nennt bei der Pressekonferenz am Tag nach der Wahl faire Löhne und auskömmliche Renten, aber auch die Inflation. Während des Wahlkampfs hätten viele am Infostand das Gespräch gesucht, die angesichts der Preisentwicklung nur noch schwer über die Runden kämen.

Auch den anhaltenden Unmut mancher über die Corona-Politik nimmt die Wagenknecht-Partei auf. Dafür steht nicht zuletzt ein BSW-Kandidat aus Bayern: Friedrich Pürner. Der frühere Chef des Gesundheitsamts im Landkreis Aichach-Friedberg kritisierte zu Beginn der Pandemie die staatlichen Schutzmaßnahmen und wurde dann versetzt. Im Gespräch mit BR24 fordert Pürner, die Politik zur Eindämmung des Virus auf europäischer Ebene aufzuarbeiten: "Wie kam es zu bestimmten Entscheidungen bezüglich Corona?" Beispielsweise will er wissen, auf welcher Datengrundlage Reisebeschränkungen verhängt wurden. Der 57-Jährige steht auf Listenplatz sechs. Das reicht für einen Einzug ins Europäische Parlament.

BSW richtet den Blick nach Osten

In Bayern schnitt das BSW zwar mit 3,8 Prozent schlechter ab als im Bundesdurchschnitt. Allerdings erhielt die neue Partei damit deutlich mehr Zuspruch als die Linke bei der vergangenen Landtagswahl. Und von der Linken hatte sich das BSW ja zu Jahresbeginn abgespalten. Wichtiger aber als das Ergebnis für Bayern ist aus Sicht der Wagenknecht-Partei der Blick nach Ostdeutschland. Dort schnitt das Bündnis jetzt überdurchschnittlich gut ab.

Mit der EU-Wahl hat die Wagenknecht-Partei die erste große Hürde genommen. Die nächste Etappe sind die anstehenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im kommenden Herbst. Und die Mehrheitsverhältnisse dort sind Umfragen zufolge so knapp, dass das BSW das Zünglein an der Waage sein könnte. Keine schlechte Ausgangslage für eine Partei, die es erst seit fünf Monaten gibt.

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