Plenarsaal im Sächsischen Landtag
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Minderheitsregierung: Wie funktioniert sie und was ist möglich?

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Minderheitsregierung: Wie funktioniert sie und was ist möglich?

Minderheitsregierung: Wie funktioniert sie und was ist möglich?

Nach den Landtagswahlen stehen Thüringen und Sachsen vor einer schwierigen Regierungsfindung. Die stellt vor allem die CDU vor Fragen. Kommt es zu einer Minderheitsregierung? Welche Vorbilder gibt es und wie funktioniert das überhaupt?

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Nach der Landtagswahl in Thüringen könnte es in Erfurt die nächste Minderheitsregierung geben. CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt will die nächste Regierung anführen. Doch eine Koalition mit Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und SPD hat keine Mehrheit – und ein Bündnis mit der Linkspartei oder der AfD schließt die CDU aus.

Auch in Sachsen wird es nach dem offiziellen Endergebnis nicht einfach. Denn mit der AfD möchte auch hier keine der übrigen Parteien zusammenarbeiten. Und für eine Neuauflage der derzeitigen Koalition aus CDU, Grünen und SPD reicht es nicht.

Was heißt Minderheitsregierung überhaupt?

Wenn es keine klaren Mehrheiten gibt, kann es nach einer Wahl zur Bildung einer Minderheitsregierung kommen. Der Regierung fehlt dann die nötige Mehrheit im Parlament. Sie ist auf die Kooperation mit oppositionellen Fraktionen oder einzelnen Abgeordneten angewiesen. Das heißt, bei Abstimmungen und Verabschiedungen von Gesetzen muss sich die Regierung immer neue Partner suchen. Das macht das Regieren meist deutlich komplizierter, weil die Regierung regelmäßig mit anderen Parteien verhandeln und Kompromisse schließen muss.

Historische Beispiele für Minderheitsregierungen

Das aktuellste Beispiel ist Thüringen selbst. Das Land wird derzeit noch von einer Minderheitsregierung aus Linkspartei, SPD und Grünen unter Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) regiert. Nach der Landtagswahl 2019 wurde im Februar 2020 zunächst überraschend der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit Stimmen von CDU und AfD zum Regierungschef gewählt. Das sorgte für große Empörung, denn es war das erste Mal, dass die AfD einem Ministerpräsidenten an die Macht verhalf. Kemmerich trat schon nach wenigen Tagen auf Druck der Bundespartei zurück, es kam zur Minderheitsregierung unter Ramelow.

Aber auch andere Bundesländer kennen Minderheitsregierungen. In Sachsen-Anhalt etwa bildete die SPD 1994 unter Reinhard Höppner eine rot-grüne Minderheitsregierung, die von der PDS (Partei des Demokratischen Sozialismus) toleriert wurde. Als die Grünen 1998 aus dem Landtag flogen, wurde das Modell mit einer reinen SPD-Minderheitsregierung fortgesetzt, die bis 2002 hielt. Nachdem bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2010 die schwarz-gelbe Koalition unter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) ihre Mehrheit verlor, wurde eine rot-grüne Minderheitsregierung unter Hannelore Kraft (SPD) gebildet. Diese hielt bis 2012. Dann kam es zu einer vorgezogenen Neuwahl.

Auf Bundesebene gab es mehrmals kurze Phasen, in denen eine Minderheitsregierung an der Macht war, beispielsweise 1982, als die sozialliberale Koalition zerfiel und die vier FDP-Minister das Kabinett verließen. Für zwei Wochen regierte die SPD unter Bundeskanzler Helmut Schmidt damals allein, bis Helmut Kohl (CDU) zum Kanzler gewählt wurde.

Wie geht es nun in Thüringen und Sachsen weiter?

Thüringens BSW-Chefin Katja Wolf sieht eine mögliche Minderheitsregierung im Land skeptisch. Eine Minderheitsregierung sei in der aktuellen Situation "keine gute Option", sagte die 48-Jährige der dpa. CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt will die nächste Regierung anführen. Er rief aber zu Geduld auf. Darüber werde "nicht über Nacht" entschieden, sagte er vor einer Sitzung des CDU-Präsidiums in Berlin. Er werde zunächst mit der SPD und dem BSW sprechen, sagt er nach der Sitzung des CDU-Bundesvorstands.

Nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Oliver Lembcke muss sich die CDU fragen, ob sie sich in Richtung der Linkspartei öffnet. Dies würde aber auch zwangsläufig die Diskussion über die Brandmauer nach rechts, zur AfD, neu entfachen, sagte der Experte von der Ruhr-Universität Bochum der dpa.

Kretschmer (CDU): "Wird dauern, aber ist möglich"

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) kann sich nach der Landtagswahl in seinem Land eine Koalition mit der SPD und dem BSW vorstellen. "Es wird nicht einfach sein, es wird auch seine Zeit dauern, aber es ist möglich", sagte Kretschmer am Morgen nach der Wahl. Der Leipziger Politikwissenschaftler Hendrik Träger hält in Sachsen eine Minderheitsregierung von CDU und SPD für überlegenswert, mit einer Tolerierung durch das Bündnis Sahra Wagenknecht. "Dafür müsste das BSW den Gesetzentwürfen der Regierung nicht ausdrücklich zustimmen, sondern es würde reichen, wenn sich die Abgeordneten des BSW bei Abstimmungen der Stimme enthalten würden. Dann könnten CDU und SPD auch mit einer relativen Mehrheit regieren", sagte Träger.

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