Georg Maier (SPD), Vorsitzender der SPD in Thüringen und Spitzenkandidat, umarmt seine Frau Antonia Sturm bei der Wahlparty der SPD.
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Georg Maier (SPD), Vorsitzender der SPD in Thüringen und Spitzenkandidat, umarmt seine Frau Antonia Sturm bei der Wahlparty der SPD.

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Rechtsruck in Thüringen und Sachsen: Regieren wird schwierig

Rechtsruck in Thüringen und Sachsen: Regieren wird schwierig

Die Doppelwahl im Osten zeigt vor allem eines: SPD, Grüne und Linke sind für die Bürgerinnen und Bürger weitgehend abgemeldet. Wahlsieger sind – auf ihre Art – CDU und AfD. Und das BSW, das Geschichte schreibt. Eine Analyse.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Die Welt am Morgen am .

Das Debakel für die Ampel-Parteien war absehbar. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik sind alle an der Bunderegierung beteiligten Parteien bei Wahlen derart eingebrochen. Die FDP wird jeweils gegen die Ein-Prozent-Marke gedrückt und fliegt nun auch in Thüringen aus dem Landtag. Dort müssen sich auch die Grünen verabschieden. In Sachsen schaffen sie den Wiedereinzug nur mit Ach und Krach.

Die SPD liegt in beiden Bundesländern weiter auf niedrigem, einstelligen Niveau. Damit bleibt ihr immerhin die Schmach erspart, erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik nicht in einem Landesparlament vertreten zu sein.

Die Linke zieht sich in Sachsen dank zweier gewonnener Wahlkreise in Leipzig aus der Schlinge – ansonsten wären sie nach einem Absturz an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Und auch die rund 13 Prozent in Thüringen sind ein Schlag ins Kontor: 31 Prozent waren es noch 2019. Die Minderheitsregierung des linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow ist Geschichte.

Schwierige Mehrheitsverhältnisse

Weil niemand der künftig im Landtag vertretenen Parteien mit der AfD regieren will, sind die Koalitionsmöglichkeiten begrenzt. Auch eine Dreier-Koalition aus CDU, BSW und SPD hat keine Mehrheit. Die drei Parteien kommen zusammen auf 44 Sitze - 45 wären für die Mehrheit notwendig. Eine Koalition aus CDU, BSW und der Linken käme dagegen auf genügend Sitze, nämlich 50. Allerdings haben CDU und BSW ein Bündnis mit der ehemaligen Regierungspartei ausgeschlossen. Thüringen stehen schwierige Zeiten bevor.

In Sachsen kann die ohnehin ungeliebte Kenia-Koalition unter dem CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer nicht weitermachen. Ein Bündnis aus CDU und BSW bräuchte einen dritten Partner – die wahrscheinlichere Option wäre die SPD, rechnerisch kämen aber auch die Grünen in Frage. So optimistisch sich Kretschmer auch zeigt, dass er eine neue Regierung zusammenstellen kann – die nächsten Wochen könnten für ihn herausfordernd werden.

AfD verflucht die "Brandmauer"

Thüringens Wahlsieger Björn Höcke von der AfD jubelt – und verflucht zugleich die politische "Brandmauer" und die Extremismus-Vorwürfe gegen seine Partei. Zum ersten Mal ist die AfD stärkste Kraft in einem Bundesland (Thüringen) geworden und in einem anderen nah dran (Sachsen).

Eine besondere Herausforderung kann künftig darin bestehen, dass die AfD in Thüringen eine Sperrminorität von einem Drittel der Sitze erreicht und in Sachsen daran kratzt. Mit einer Sperrminorität hat die AfD, die der Verfassungsschutz in beiden Ländern als gesichert rechtsextremistisch einstuft, eine Art Veto bei der Entscheidung des Thüringer Landtags über Neuwahlen oder bei der Besetzung von Verfassungsrichterposten.

Darüber hinaus aber könnten die mehr als 30 Prozent für die AfD ein Erfolg ohne nachhaltigen Wert bleiben – solange die anderen Parteien bei ihrer Zusage bleiben, nicht mit der "undemokratischen" AfD zu regieren.

"Überlassen den Faschisten nicht einfach das Land"

Höcke sieht den Regierungsauftrag in Erfurt bei sich, genauso wie sein Herausforderer Mario Voigt von der CDU. Der will ebenfalls die thüringische Regierung anführen und sieht sich als stärkste Kraft – des demokratischen Lagers. Von Voigt über die Vertreter und Vertreterinnen von SPD, Grünen, BSW und die Linken: Alle erneuerten am Wahlabend die Koalitionsabsage an die AfD.

Es ist nur konsequent, dass der abgewählte Bodo Ramelow (Linke) den Regierungsauftrag bei der CDU sieht. Mit Tränen reagierte die grüne Spitzenkandidatin Madeleine Henfling auf das starke Abschneiden der AfD bei der Landtagswahl: "Wir überlassen den Faschisten nicht einfach so das Land und die Straße", sagte sie.

Lediglich Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger meldet sich aus dem fernen Bayern mit anderen Abgrenzungen zu Wort: "In Thüringen geht es wohl nicht ohne Kommunisten", schrieb er bedauernd auf X und meinte damit das BSW. Zur AfD verlor Aiwanger in seinem Tweet am Wahlabend kein Wort. Für die Freien Wähler reicht es übrigens weder in Thüringen noch in Sachsen für den Einzug in den Landtag.

BSW: Von null in die Regierung?

Ganz anders verlief die Wahl für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Selten in der Geschichte der Bundesrepublik hat eine Partei aus dem Stand heraus ein zweistelliges Ergebnis bei Landtagswahlen erzielt. Insofern hat Thüringens BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf mit ihrem Wort vom "besonderen historischen Moment" recht.

Auch wenn die Mehrheitsverhältnisse in beiden Ländern schwierig sind, am BSW kommt die CDU bei der Regierungsbildung wohl nicht vorbei. In Thüringen wäre eine Minderheitsregierung mit CDU und SPD denkbar. Oder CDU und BSW geben sich doch noch einen Ruck und koalieren mit der Linken.

In Sachsen könnte die junge Partei eher in die Rolle des Königsmachers schlüpfen. Die Gründerin Wagenknecht präsentiert sich am Wahlabend selbstbewusst und will sich teuer verkaufen: Natürlich wolle das BSW regieren, "aber die CDU muss sich dann auch auf uns zubewegen".

Während SPD, Grünen und FDP heute in Berlin einmal mehr die Analyse eines schwarzen Wahlabends bevorsteht, startet die Union in die heiße Phase der Debatte über ihren Kanzlerkandidaten. Bis "zum Spätsommer" oder "nach den Landtagswahlen in Ostdeutschland" soll die Entscheidung fallen – zwei der drei Wahlen sind jetzt vorbei. Die Parteichefs Friedrich Merz und Markus Söder haben immer wieder versprochen, dass sich ein Streit wie 2021 nicht wiederholen werde. Wie sie sich einigen wollen, bleibt auch nach diesem Wahlabend offen.

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