Der neue Kanzler Christian Stocker (ÖVP) bei seiner Angelobung durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen
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Der neue Kanzler Christian Stocker (ÖVP) bei seiner Angelobung durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen

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Im dritten Anlauf: Österreich hat eine neue Regierung

Im dritten Anlauf: Österreich hat eine neue Regierung

Gut fünf Monate dauerten die Verhandlungen. Jetzt hat Österreich seine erste Dreier-Koalition aus ÖVP, SPÖ und den liberalen NEOS. "Zuckerl-Koalition" nennen sie die Österreicher - auch wenn die Art ihres Zustandekommens nicht allen schmeckt.

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Sie hatten sich geweigert, ihre Gespräche als Regierungsverhandlung zu bezeichnen - und doch steht am Ende eine Koalition: In Österreich ist am Vormittag die neue Regierung aus Volkspartei (ÖVP), Sozialdemokraten (SPÖ) und NEOS durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen "angelobt", also vereidigt worden.

ÖVP-Chef Christian Stocker übernimmt damit das Amt des Bundeskanzlers von seinem Parteikollegen Alexander Schallenberg. Vizekanzler wurde der Chef der Sozialdemokraten (SPÖ), Andreas Babler, das Außenressort leitet künftig die Vorsitzende der Neos, Beate Meinl-Reisinger. Insgesamt hat die neue Regierung 13 Ministerinnen und Minister sowie sieben Staatssekretärinnen und Staatssekretäre vereidigt - so viele wie nie zuvor.

Letzte Hürde genommen: Breite Zustimmung bei den NEOS

Noch am Sonntag musste die erste Dreierkoalition Österreichs ihre letzte Hürde überwinden. Gemäß ihren Statuten unterzogen die NEOS die Zusammenarbeit mit den anderen Parteien einer Mitgliederbefragung: Mehr als 1.500 Parteiunterstützer konnten faktisch von der Couch aus via Mobiltelefon über die künftige Regierung entscheiden; 94 Prozent stimmten dafür.

"Zuckerl" mit langer Fabrikationszeit

"Zuckerl-Koalition" nennen die Österreicher ihre neue Regierung, wegen der Parteifarben der Beteiligten: SPÖ-Rot trifft auf ÖVP-Türkis und NEOS-Pink. Sie zu formen dauerte länger als bei jeder anderen Regierungsbildung in der Alpenrepublik seit Ende des Zweiten Weltkriegs.

Schon nach den für ÖVP und SPÖ unerfreulichen Wahlen Ende September 2024 hatten die beiden Parteien - die in etwa der deutschen Union und SPD entsprechen und schon oft koaliert haben - es miteinander versucht. Wegen ihrer hauchdünnen Mehrheit und vielen Konfliktpunkte holten sie als Dritten noch die liberalen NEOS ins Boot. Diese ließen die erste Einigung zu Jahresbeginn am Ende platzen. Danach wollte auch die ÖVP nicht mehr weiterverhandeln, ihr bisheriger Kanzler Karl Nehammer trat als Regierungs- und Parteichef zurück. Der Regierungsbildungsauftrag ging nun an die ultrarechte Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), die die Wahl im September mit knapp 29 Prozent gewonnen hatte.

Drei Wochen lang sah es so aus, als bekäme Österreich mit FPÖ-Chef Herbert Kickl erstmals seit Wiedererlangung der Demokratie einen Rechtspopulisten als Regierungschef. Doch auch die Verhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP scheiterten - also zurück auf Anfang.

Dritter Anlauf: wie der erste, nur jetzt erfolgreich

"Kompromiss" war danach das Schlagwort der vergangenen Tage. Oder wie ÖVP-Chef und Neu-Bundeskanzler Christian Stocker es formulierte: Die Koalition sei einem "zutiefst österreichischem Grundsatz" zu verdanken: "Durch's Reden kommen die Leute zusammen." Am Ende war es die Kompromisslosigkeit des selbsterklärten "Volkskanzlers" Kickl, die die Dreier-Einigung hervorbrachte - und der akute Sparzwang.

Ein Koalitionsvertrag, geschrieben mit dem Rotstift

Im Zentrum des Regierungsprogramms steht die Absicht, ein schuldenbedingtes EU-Defizitverfahren zu verhindern. Für das Jahr 2024 wird die Staatsverschuldung von Österreich auf rund 387,2 Milliarden Euro veranschlagt - pro Kopf gerechnet deutlich mehr als in Deutschland. Dieses Jahr sollen nun 6,3 Milliarden Euro eingespart werden.

Asylrechtsverschärfung und Mietpreisbremse

In Sachen Asyl und Migration plant die Dreierkoalition Reformen: Für Unter-14-Jährige soll künftig ein Kopftuchverbot gelten, der Familiennachzug werde ausgesetzt, Migranten sollen ein verpflichtendes Integrationsprogramm "ab dem ersten Tag" durchlaufen. Daneben will man verstärkt gegen Extremismus vorgehen.

Die Asylagenda trägt die Handschrift der ÖVP. Doch auch die Handschrift der anderen Regierungspartner ist im Regierungsprogramm deutlich erkennbar: im Fall der SPÖ etwa in Form einer Mietpreisbremse.

Qualitätsmedien für junge Leute kostenlos

Die NEOS wiederum machen sich traditionell im Bereich Schule und Ausbildung stark - ab Montag erstmals mit einem NEOS-Bildungsminister. Neu ist diese Idee, die bei Erfolg auch für Deutschland interessant sein könnte: Um "Fake News" und Radikalisierung in Sozialen Medien vorzubeugen, sollen junge Österreicher künftig kostenlosen Zugang zu Qualitätsmedien erhalten.

Im Video: Österreichs neue Regierung steht

Neue Regierung für Österreich
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Neue Regierung für Österreich

Mit Informationen von KNA und Reuters

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