Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat den ukrainischen Angriff mit US-ATACMS-Raketen auf ein Munitionsdepot in Westrussland als Signal für eine Eskalation bezeichnet und in dem Zusammenhang auf die neue russische Atomdoktrin verwiesen. "Wir haben heute die Grundlagen der Atomdoktrin offiziell veröffentlicht, dort ist alles bestätigt und schon gesetzlich verankert, was der Präsident (Wladimir Putin) vor etwas mehr als einem Monat öffentlich gesagt hat", sagte Lawrow bei einer Pressekonferenz am Rande des G20-Gipfels im brasilianischen Rio de Janeiro. "Und ich hoffe, dass sie dort (im Westen) diese Doktrin lesen werden", sagte er weiter.
Lawrow vermeidet direkte Atomdrohung
In der neuen Fassung der Doktrin heißt es, dass Moskau die Aggression eines nichtnuklearen Staates, der aber von Atommächten unterstützt wird, als deren gemeinsamen Angriff auf Russland wertet.
In der Nacht hatte die Ukraine laut übereinstimmenden Berichten mit von den USA gelieferten ATACMS-Raketen ein Munitionsdepot in der westrussischen Region Brjansk beschossen. Ohne die Beteiligung der US-Amerikaner hätte das ukrainische Militär die Waffen nicht bedienen können, erklärte Lawrow. Dies sei ein Anzeichen dafür, dass der Westen die Eskalation wolle. Eine direkte Atomdrohung vermied der russische Chefdiplomat dabei.
Lob für Kanzler Scholz
Auf eine weitere Nachfrage, ob angesichts des Angriffs der Ukrainer nun mit einem atomaren Gegenschlag zu rechnen sei, sagte Lawrow, dass Moskau stets einen Atomkrieg zu verhindern gesucht habe. Zugleich lobte Lawrow Deutschland für die Entscheidung, keine Langstreckenwaffen an die Ukraine zu liefern. "Ich denke, dass die derzeitige Position von Scholz eine verantwortungsvolle Position ist", so Lawrow.
Entgegen Forderungen von Grünen, FDP und CDU/CSU weigert sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach wie vor, der Ukraine den Marschflugkörper Taurus mit einer Reichweite von bis zu 500 Kilometer zur Verfügung zu stellen. Weitreichende Raketen und Marschflugkörper westlicher Produktion setzt die Ukraine bereits seit längerem gegen Ziele in den von Russland besetzten ukrainischen Gebieten ein – einschließlich der bereits seit 2014 annektierten Krim.
Baerbock unbeeindruckt – BSW kritisiert Freigabe
Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zeigte sich derweil unbeeindruckt von Russlands geänderter Atomwaffendoktrin. Wladimir Putin spiele mit der Angst, das sei seit Beginn des Ukrainekriegs immer wieder deutlich geworden, sagte die Grünen-Politikerin nach einem Treffen mehrerer europäischer Außenminister in Warschau. "Wir lassen uns nicht einschüchtern, egal, was immer wieder Neues herumposaunt wird", erklärte Baerbock.
Der Co-Vorsitzende des BSW-Landesverbands Bayern, Klaus Ernst, dagegen kritisierte die Raketenfreigabe durch die USA. Dem BR sagte er: "Wenn es jetzt stattfinden kann, heißt das (…), dass der Krieg weiter eskaliert, und das kann uns als Europäer und auch als Bundesrepublik Deutschland weiter (…) zu Beteiligten machen (…) und das ist meines Erachtens unverantwortlich gegenüber den Bürgern dieses Landes."
Im Video: Baerbock zur Lage im Ukraine-Krieg
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