Nicht nur Demonstranten in Davos, sondern auch Oxfam und die deutsche Entwicklungsministerin fordern eine Besteuerung großer Vermögen
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Demonstranten in Davos halten ein Schild mit der Aufschrift "Tax the Rich" in die Höhe.

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Oxfam: Superreiche trotz Inflation und Krisen noch reicher

Die Reichen sind laut Oxfam die großen Gewinner der Krisenjahre, während die ärmsten 60 Prozent noch ärmer wurden. Die Entwicklungsorganisation fordert deswegen eine Besteuerung großer Vermögen – und erhält Zustimmung aus Deutschland.

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Die Krisen und Kriege der vergangenen Jahre haben die Schere zwischen Arm und Reich auf der Welt noch weiter aufgehen lassen. Das geht aus einem Bericht hervor, den die Entwicklungsorganisation Oxfam vor dem Start des Weltwirtschaftsforums in Davos veröffentlichte.

Die fünf Reichsten der Welt haben ihr Vermögen seit 2020 mehr als verdoppelt

Die fünf reichsten Männer haben den Oxfam-Daten zufolge seit 2020 einen Gewinn von durchschnittlich 14 Millionen US-Dollar pro Stunde gemacht. Ihr Vermögen stieg von 405 Milliarden Dollar im Jahr 2020 auf zuletzt 869 Milliarden Dollar. Das Vermögen aller Milliardäre insgesamt wuchs dreimal so schnell wie die Inflationsrate.

Zugleich hätten 4,77 Milliarden Menschen, die ärmsten 60 Prozent der Menschheit, seit 2020 zusammen 20 Milliarden Dollar Vermögen verloren. Bei 791 Millionen Arbeitern hielten die Löhne laut Oxfam nicht mit der Inflationsrate mit. Jeder von ihnen habe in zwei Jahren im Schnitt fast einen Monatslohn eingebüßt.

Dem Oxfam-Bericht liegen Daten aus verschiedenen Quellen zugrunde. So führte Oxfam etwa Forbes-Schätzungen zum Vermögen von Milliardären mit Schätzungen der Bank Credit Suisse zum weltweiten Vermögen zusammen.

Gibt es bald den ersten Billionär?

Bei ihrer Auswertung kommt die Nothilfe- und Entwicklungsorganisation zu dem Schluss, dass die Welt bei der aktuellen Wachstumsrate schon in zehn Jahren ihren ersten Dollar-Billionär haben könnte. Die globale Armut dagegen wäre auch in 230 Jahren noch nicht vollständig überwunden.

"Milliardäre werden reicher, die Arbeiterklasse hat zu kämpfen und die Armen leben in Verzweiflung. Das ist der unglückliche Zustand der Weltwirtschaft", schreibt US-Senator Bernie Sanders im Vorwort der Studie. Niemals zuvor habe es eine solche Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen gegeben. Auch die Gier, Arroganz und Verantwortungslosigkeit seien beispiellos.

Oxfam-Vorsitzende sieht Gesellschaft vor Zerreißprobe

Die Vorstandsvorsitzende von Oxfam Deutschland, Serap Altinisik, sieht die Gesellschaft deswegen vor einer immer größeren Zerreißprobe: "Während Milliarden von Menschen die Schockwellen von Pandemie, Inflation und Krieg ertragen müssen, boomen die Vermögen der Milliardär*innen."

Die Ungleichheit verstärke geschlechtsspezifische und rassistische Diskriminierungen, weil marginalisierte Gruppen wie Frauen oder nicht-weiße Menschen besonders betroffen seien. "Sie untergräbt die Demokratie und trägt maßgeblich dazu bei, dass die Klimakrise sich zu einer Katastrophe ausweitet", sagte Altinisik.

Oxfam fordert daher eine Besteuerung hoher Vermögen. Die Mittel daraus müssten in den Klimaschutz, den Ausbau von Bildung, Gesundheitsversorgung und sozialer Sicherung investiert werden. Das gelte in Deutschland genau wie weltweit. Auch in Deutschland sei das Gesamtvermögen der fünf reichsten Bürger seit 2020 inflationsbereinigt um fast drei Viertel (73,85 Prozent) gewachsen, von rund 89 auf etwa 155 Milliarden US-Dollar.

Oxfam: Vermögensteuer könnte in Deutschland Milliarden bringen

Oxfam schlägt ein Steuermodell vor, das zwei Prozent Steuern auf Vermögen von mehr als fünf Millionen Dollar vorsieht. Vermögen von mehr als 50 Millionen Dollar sollen mit drei Prozent und Vermögen in Höhe von mehr als einer Milliarde Dollar mit fünf Prozent besteuert werden.

Allein in Deutschland könnten so nach Oxfam-Schätzungen 93,6 Milliarden US-Dollar an Einnahmen pro Jahr generiert werden. Etwas mehr als 200.000 Menschen müssten höhere Steuern zahlen, rund 0,24 Prozent der Bevölkerung. Weltweit könnte eine Vermögensteuer für Millionäre und Milliardäre laut Oxfam jedes Jahr 2,5 Billionen Dollar einbringen.

Laut Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) könnten bereits geringe Steuersätze auf sehr hohe Vermögen "viele Probleme lösen". Auch sie setzte sich für höhere Steuern auf sehr große Vermögen und überdurchschnittlich hohe Unternehmensgewinne ein. Nötig sei hier das Engagement der Finanzministerien weltweit.

Schulze (SPD): Besteuerungen von Superreichen muss hoch auf internationale Agenda

Entwicklungsministerin Svenja Schulze erklärte, der Bericht lege den Finger in die Wunde. "Wir leben in einer extrem ungleichen Welt und das ist ein Problem für uns alle", sagte die SPD-Politikerin. Extreme Ungleichheit gefährde den Zusammenhalt in der Gesellschaft und die Demokratie, sie hemme eine menschenwürdige Entwicklung und zementiere Armut.

Viel zu oft würden bei Verteilungsfragen diejenigen gegeneinander ausgespielt, die es ohnehin schwer hätten – auch in Deutschland. Das blende aus, dass Superreiche viel zu wenig zum Gemeinwesen beitrügen.

Schulze forderte eine international höhere Besteuerung von Superreichen. Dieses Thema und auch die "Übergewinne großer Konzerne" müssten hoch auf die Agenda der Finanzminister kommen, erklärte die SPD-Politikerin wenige Stunden vor dem Treffen der globalen Finanzelite beim Weltwirtschaftsforum im Schweizerischen Davos.

Bericht über Ungleichheit erscheint traditionell kurz vor Beginn des Weltwirtschaftsforums

Der jährliche Oxfam-Bericht über die weltweite Ungleichheit wird traditionell kurz vor der Eröffnung des Weltwirtschaftsforums in Davos veröffentlicht. In dem Schweizer Alpenort kommen ab heute hunderte hochrangige Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammen. Überschattet wird das Treffen vom russischen Angriffskrieg in der Ukraine und dem Krieg zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas.

Wie jedes Jahr werden auch Proteste das Treffen begleiten. Bereits für Sonntag hatte die Sozialistische Jugend der Schweiz zu einer Demonstration aufgerufen, um "ein geschlossenes Treffen der Reichen und Mächtigen" anzuprangern.

Mit Informationen von dpa und AFP

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