Der Anführer des Linksbündnisses, Jean-Luc Mélenchon, will die nächste Regierung bilden, wie er am Abend im Paris erklärte.
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Der Anführer des Linksbündnisses, Jean-Luc Mélenchon, will die nächste Regierung bilden, wie er am Abend im Paris erklärte.

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Parlamentswahl in Frankreich: Linke überraschend vorn

Bei der Parlamentswahl in Frankreich liegt ersten Prognosen zufolge das Linksbündnis überraschend vorn. Das rechtsnationale "Rassemblement" National könnte demnach nur auf dem dritten Platz hinter dem Mitte-Lager von Staatspräsident Macron landen.

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Riesenüberraschung bei der zweiten Runde der französischen Parlamentswahl. Lag nach der ersten Runde vor einer Woche noch der "Rassemblement National" (RN) vorn, so siegte laut Befragungen von Wählern nach deren Stimmabgabe nun überraschend das Linksbündnis aus Grünen, Sozialisten, Kommunisten und Linkspartei.

Es kommt in der neu gewählten Nationalversammlung demnach auf 172 bis 215 von 577 Sitzen, verfehlt aber die absolute Mehrheit. Auf Platz zwei landet den Prognosen zufolge das Mitte-Lager von Präsident Emmanuel Macron mit 150 bis 180 Abgeordneten. Der RN und seine Verbündeten kommen demnach auf 115 bis 155 Sitze. Die Partei von Marine Le Pen verfehlt damit ihr Ziel, die nächste Regierung zu stellen, deutlich, gewinnt aber viele Sitze hinzu. Klarheit bringt aber erst das vorläufige Endergebnis nach Auszählung aller Wahlkreise.

Hohe Wahlbeteiligung

Zwei Faktoren dürften zu diesem Ergebnis geführt haben. Zum einen gaben viele Abgeordnete des Linksbündnisses sowie des Mitte-Lagers auf, die nach der ersten Abstimmung nur auf Platz drei lagen. Sie wollten damit erreichen, dass ihre Unterstützer möglichst den anderen Gegner des RN bei der Stichwahl ihre Stimme geben.

Zum anderen war das Interesse an der Wahl groß: Um 17.00 Uhr lag die Beteiligung bei knapp 60 Prozent, wie das Innenministerium in Paris mitteilte. Vor zwei Jahren waren es zur gleichen Zeit lediglich 38 Prozent. Es könnte die höchste Wahlbeteiligung seit drei Jahrzehnten sein.

Linksbündnis will Regierung bilden

Das linke Wahlbündnis hat angesichts der ersten Prognosen Anspruch auf die Regierungsbildung erhoben. Deren Anführer Jean-Luc Mélenchon sagte am Abend in Paris, man sei bereit dazu. "Wir haben gewonnen", skandierten die Unterstützer des Linksbündnisses. Sozialisten-Chef Olivier Faure sprach sich wie auch Mélenchon ausdrücklich gegen eine mögliche "Koalition" mit dem Regierungslager aus. Irgendeine Form der Zusammenarbeit dürfte es aber geben. Denn alleine zu regieren, dafür hat das Linksbündnis nicht genügend Sitze gewonnen.

Die Linken könnten versuchen, von den Mitte-Kräften Unterstützung zu bekommen - entweder als eine Minderheitsregierung. Angesichts der gegensätzlichen politischen Ausrichtungen ist allerdings nicht abzusehen, ob dies gelingen könnte. So ist beispielsweise die von Macron durchgesetzte Rentenreform den Linken ein Dorn im Auge.

Premierminister Attal tritt zurück

Staatschef Macron äußerte sich noch nicht zum Wahlausgang. Aus dem Präsidialamt hieß es lediglich, Macron wolle die Ergebnisse zunächst auswerten und abwarten, bis sich im Parlament ein Gesamtbild ergebe, bevor er die notwendigen Entscheidungen treffe. Premierminister Gabriel Attal aus dem Lager von Macron kündigte in einer Rede seinen Rücktritt für den morgigen Montag an.

Sollte keines der Lager eine Regierungsmehrheit finden, könnte die aktuelle Regierung als Übergangsregierung im Amt bleiben oder eine Expertenregierung eingesetzt werden. Frankreich droht in einem solchen Szenario politischer Stillstand. Eine erneute Auflösung des Parlaments durch Macron und Neuwahlen sind erst in einem Jahr wieder möglich. Für Deutschland und Europa hieße das, dass Paris als wichtiger Akteur in der EU nicht mehr tatkräftig zur Verfügung stehen würde. Statt neuer Initiativen stünde in Frankreich Verwaltung an der Tagesordnung.

RN-Chef beschimpft Mitte-Lager und Linke

Der erwartete Rechtsruck in Frankreich ist damit ausgeblieben. Der Chef der Rechtsnationalen, Jordan Bardella, hat mittlerweile heftig gegen seine politischen Gegner ausgeteilt. Das Mitte-Lager von Staatschef Macron und das Linksbündnis bezeichnete er als "Einheitspartei" und "Bündnis der Schande". Bardella schimpfte auf "Wahlabkommen", die Frankreich "in die Arme der extremen Linken werfen".

Zu den befürchteten Ausschreitungen wegen eines Rechtsrucks gibt es damit nicht. Auf der berühmten Pariser Einkaufsmeile Champs Élysées waren einem Medienbericht zufolge vorsorglich Geschäfte verbarrikadiert worden. Wegen möglicher Unruhen wurden in ganz Frankreich 30.000 Polizisten mobilisiert - alleine 5.000 davon in Paris und seinen Vororten.

Mit Informationen von dpa, AFP, Reuters und AP.

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