Ein Modell der neuen Generation des ID.3 wird im Werk von Volkswagen in Zwickau montiert. Der ID.3 war das erste reine Großserien-Elektroauto von VW. Von der ersten Generation des ID.3 wurden in Europa rund 300.000 Autos verkauft.
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Ein Modell der neuen Generation des ID.3 wird im Werk von Volkswagen in Zwickau montiert.

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Konkurrenz aus China: "Die Autoindustrie ist nervös"

In China laufen einheimische Firmen den deutschen Autobauern den Rang ab. Und auch in Europa entsteht eine ernste Konkurrenz. China- und Automarkt-Expertin Beatrix Keim zu Ursachen und Folgen einer Entwicklung, die zunehmend für Nervosität sorgt.

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Jahrzehntelang war in China Volkswagen der unangefochtene Marktführer – und wurde im vergangenen Jahr vom chinesischen Hersteller BYD überholt. Der E-Autobauer und EM-Sponsor will nun auch in Europa Fuß fassen. Was bedeutet das für die deutsche Autoindustrie? Und wie konnten chinesische Hersteller so stark werden? Antworten hat Beatrix Keim, die seit über 30 Jahren zu China und der Autoindustrie arbeitet und heute am CAR-Institut in Duisburg forscht.

BR24: Unter den zehn meistverkauften Elektroautos in China war 2023 kein deutsches Modell dabei. War es das jetzt mit dem Autoland Deutschland?

Beatrix Keim: Nein, das auf keinen Fall. Der chinesische Markt ist sehr groß. Wir sprechen von einem Markt, der im letzten Jahr 26 Millionen Neufahrzeuge im PKW-Bereich abgesetzt hat. Da gehören nicht nur die Metropolen wie Peking oder Shanghai dazu, sondern auch das chinesische Hinterland, wo sich die Menschen tendenziell nicht die teureren ausländischen Autos leisten können. Relativ mag der Marktanteil geschrumpft sein, aber absolut haben deutsche Konzerne immer noch mehr Fahrzeuge verkauft als im Vorjahr, denn der chinesische Markt wächst immer noch weiter.

Außerdem gibt es in China momentan noch nicht so viele Marken, die sich ein Premium-Image erarbeitet haben – was viele chinesische Hersteller noch lernen müssen.

Wie konnten chinesische Autobauer so stark werden?

BR24: Warum kann China den deutschen Marken bei den E-Autos jetzt so stark Konkurrenz machen?

Keim: Der Automobilsektor wurde in den 1970er-Jahren unter die Ägide der chinesischen Regierung gestellt. Alles, was in der Industrie geschieht, wird vom Staat gelenkt. Es ist erklärtes Ziel, China in die Weltspitze der Automobilproduktion zu bringen und der chinesische Staat stellt den Herstellern sehr viele Subventionen und Möglichkeiten zur Verfügung, um dieses Ziel zu erreichen. Außerdem verfügt China über die wichtigen Rohstoffe, die man für die Batterieherstellung braucht. China ist einer der größten Bereitsteller von verarbeitetem Lithium – wir müssen diese Rohstoffe teuer importieren. Auch bekommt China im Zuge des Ukraine-Krieges sehr günstiges Öl und Gas aus Russland. Das ist ein großer Kostenvorteil.

Ein weiterer Grund sind die Joint Ventures, also Gemeinschaftsunternehmen von ausländischen und chinesischen Firmen. Nur über Joint Ventures war es ausländischen Herstellern erlaubt, auf dem chinesischen Markt Fuß zu fassen. Beide Seiten profitierten: Volkswagen oder Mercedes bauten in China Fabriken und verkaufen dort Fahrzeuge, die sie in den Gemeinschaftsunternehmen produziert haben. Gleichzeitig wurde so ganz viel Wissen transferiert; chinesische Firmen lernten, wie man Autos baut, entwickelt und verkauft. China hat diesen Erfolg nicht alleine begründet, sondern eben mit Mithilfe aus dem Ausland.

Im Video: BYD statt BMW – Keine Chance mehr für deutsche Autos?

BR24: Und jetzt überholt der Schüler den Meister?

Keim: Überholen würde ich jetzt nicht sagen. Eher spornt er den Meister an, es ist jetzt ein Gleichziehen, ein Miteinander geworden. Ich will das Bild aber auch nicht überstrapazieren – es ist nicht so, dass China jetzt die Jahrzehnte davor nur auf die Ausländer hören musste.

BR24: Wie reagiert die deutsche Autoindustrie auf dieses Gleichziehen?

Keim: Man ist auf jeden Fall nervös. Es gilt jetzt, schneller zu werden und effizienter zu arbeiten. Man muss auch in der Entwicklung eines Fahrzeugs besser darauf schauen, wie man sich in China als ausländische Marke behauptet, und was dem chinesischen Kunden besser gefällt.

Mit dem Touchpad im Auto

BR24: Was gefällt dem chinesischen Kunden besser?

Keim: Die chinesischen Konsumenten sind sehr innovationsgetrieben, was damit zu tun hat, dass die Alterspyramide in China im Schnitt 15 bis 20 Jahre jünger ist als in Europa. Da ist eine ganz andere Digitalität vorhanden, auch die Fahrzeuge sind in China sehr digital. Vieles läuft über ein Smartpad im Auto, das auf unseren schnellen Straßen ein Sicherheitsrisiko wäre – aber in den Städten Chinas steht man viel im Stau und fährt auch auf den Autobahnen maximal 120 km/h, wenn überhaupt. Da kann man mit so einem Touchpad natürlich ganz anders arbeiten, was von den europäischen Herstellern jetzt erst langsam übernommen wird.

"Der Markt wird sich einpendeln"

BR24: Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Werden sich die deutschen Automarken in China behaupten können?

Keim: Der Importmarkt wird definitiv schrumpfen, also es werden nicht mehr so viele hochpreisige Fahrzeuge aus dem Ausland importiert werden, weil in China der Hang zu chinesischen Fahrzeugen und Elektroautos größer wird und der auch aus China heraus bedient werden kann. China wird aber weiterhin auch in der Verbrennertechnologie bleiben, weil es viele Landesteile gibt, in denen die Infrastruktur für Elektrofahrzeuge fehlt. Hier haben ausländische Hersteller immer noch eine große Chance, weil sie beim Verbrenner die bessere Technologie haben.

Gleichzeitig wird der Export von chinesischen Fahrzeugen nach Europa größer werden. Dennoch werden sich im heimischen Markt die europäischen Hersteller behaupten können, dank besseren Produktionsmethoden und schnellerer Entwicklung. Der Markt wird sich einpendeln, so wie vor 30 Jahren, als plötzlich die japanischen und koreanischen Fahrzeuge auf den Markt kamen.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

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