Vermittler ohne Auftrag – Papst Franziskus und die Kriege
Bildrechte: picture alliance / NurPhoto | Massimo Valicchia / Sameh Rahmi; Montage: BR
Videobeitrag

Vermittler ohne Auftrag – Papst Franziskus und die Kriege

Videobeitrag
>

Rabbiner beunruhigt über Papst-Worte zu Völkermord-Untersuchung

Rabbiner beunruhigt über Papst-Worte zu Völkermord-Untersuchung

Papst Franziskus hatte in einem neuen Buch gefordert, das Geschehen in Gaza bezüglich eines Völkermords zu untersuchen. Die Europäische Rabbinerkonferenz zeigt sich beunruhigt: Der Begriff "Völkermord" sei eine Täter-Opfer-Umkehr.

Über dieses Thema berichtet: STATIONEN am .

Die Europäische Rabbinerkonferenz hat sich angesichts jüngster Äußerungen von Papst Franziskus zum Krieg im Gazastreifen "zutiefst beunruhigt" gezeigt. "Auch wenn man über die Wirksamkeit des laufenden Krieges Israels gegen die Hamas streiten kann, so bleibt er doch eine militärische Antwort auf den Hamas-Angriff vom 7. Oktober 2023 und die ausdrückliche Drohung der Hamas, diesen wahllosen mörderischen Amoklauf zu wiederholen, wann immer sie kann", erklärte die Rabbinerkonferenz am Dienstag in München. "Während Israel dem humanitären Völkerrecht verpflichtet ist, die Hamas jedoch jede Norm dieses Rechts verletzt", heißt es in der Erklärung.

Israel führe einen Verteidigungskrieg

Israel führe einen "Verteidigungskrieg gegen einen barbarischen Feind, der von keinem westlichen Rechtskodex und keiner Kriegskonvention gezügelt wird", betonten die Rabbiner. Das Land kämpfe zudem für die Rückkehr von 101 Geiseln. Aus Sicht der Rabbiner könne Israel für "seine militärischen Maßnahmen zur Selbstverteidigung" nicht des Völkermords bezichtigt werden.

Papst Franziskus hatte sich dafür ausgesprochen, die aktuellen Ereignisse im Gazastreifen eingehend zu untersuchen. "Nach Ansicht einiger Experten weist das Geschehen in Gaza die Merkmale eines Völkermords auf", schreibt Franziskus in einem neuen Buch. "Wir sollten sorgfältig prüfen, ob es in die von Juristen und internationalen Gremien formulierte technische Definition passt." Israel, dessen Kriegsführung gegen die Terrorgruppe Hamas im Gazastreifen manche Kritiker als Genozid bezeichnen, erwähnt der Papst nicht direkt.

Papst gefragt, Demokratie und Freiheit zu verteidigen

"In der heutigen Zeit, in der die freie Welt und die westliche Zivilisation von Diktaturen angegriffen werden, ist die Führung des Papstes gefragt, um Freiheit und Demokratie zu verteidigen", so die Rabbinerkonferenz, die nach eigenen Angaben rund 1.000 Mitglieder und 800 aktive Rabbiner der orthodoxen Richtung vertritt.

Der Begriff "Völkermord" werde heute als "heimliche Propaganda" benutzt, um Verantwortung von den Tätern auf die Opfer zu verlagern. "Der Massenmord durch die Hamas und ihre Kollaborateure, wie er in ihrem Pakt der Islamischen Widerstandsbewegung von 1988 zum Ausdruck kommt, zeigt, dass die Aggressoren im Gegensatz zu Israel durchaus einen Völkermord beabsichtigen, diesen versucht haben und weiterhin versuchen wollen", hieß es.

7. Oktober: Größtes Massaker an Juden seit der Shoa

Am Morgen des 7. Oktober 2023 feuerte die Hamas tausende Raketen auf Israel ab. Der Angriff kam für Israel überraschend. In den nächsten Stunden sterben mehr als 1.200 Männer, Frauen und Kinder. Mehr als 240 Menschen werden als Geiseln verschleppt. Es ist das größte Massaker an Juden seit der Shoa. Israel antwortet mit Angriffen auf den Gazastreifen. Das Vorgehen Israels im Gazastreifen wird immer wieder scharf kritisiert, wegen der großflächigen Bombardements und auch weil die Angriffe der israelischen Armee in Gaza immer massiver werden und damit viele unbeteiligte Zivilisten sterben.

Wenn sich der Papst zu den Kriegen in Israel und in der Ukraine äußert, gibt es auch immer wieder teils heftige Kritik am Oberhaupt der katholischen Kirche. Franziskus ruft zwar immer wieder zum Gebet für Frieden und zu Friedensverhandlungen auf, benannte aber lange nicht Russland noch die Hamas eindeutig als Aggressoren der jeweiligen Kriege. Immer wieder gibt es Forderungen, der Papst müsse sich deutlicher auf die Seite der Angegriffenen stellen. "Er hätte klar sagen müssen, dass diese nach der katholischen Tradition – der Lehre vom gerechten Krieg – ein Recht haben, sich mit Waffen zu verteidigen, denn sie sind angegriffen worden", sagte etwa der Kirchenhistoriker Hubert Wolf im Dezember 2023 in der Sendung STATIONEN.

Wie einflussreich ist der Papst auf Kriege?

Der Vatikan betont stets, neutral zu bleiben. Mehrmals fordert der Papst bereits einen Waffenstillstand, für Israel aber eine bisher unerfüllbare Forderung. Als unparteiischer Mahner bleibe der Papst ein möglicher Vermittler, sagen die einen. Andere vermissen weiter eine klare Verurteilung der Hamas. Fraglich ist, wie einflussreich der Papst überhaupt ist, wenn es um kriegerische Konflikte geht.

Mit Informationen der KNA

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

Sie interessieren sich für Religion, Kirche, Glaube, Spiritualität oder ethische Fragen? Dann abonnieren Sie den Newsletter der Fachredaktion Religion und Orientierung.