Rumänien ist ein bärenreiches Land. Nun soll deren Zahl dezimiert werden. Einen entsprechenden Erlass hat Umweltminister Tanczos Barna unterzeichnet – an seinem letzten Tag im Amt. Dieser erlaubt den Abschuss von knapp 500 Bären bis Mai 2024 – mehr als drei Mal so viele wie im Vorjahreszeitraum. Begründet wird der drastische Anstieg damit, dass die Tiere immer öfter aus dem Wald kämen. Naturschutzorganisationen kritisieren die Entscheidung und verweisen darauf, dass nicht die Bären das Problem seien.
Nach Angaben der Natur- und Umweltschutzorganisation WWF leben in Europa insgesamt rund 17.000 Braunbären. Das Karpatenland in Rumänien zählt eine der größten Populationen. Eine Studie, die das rumänische Umweltministerium in Auftrag gab, beziffert die Zahl der Bären in Rumänien mit 7.500 bis 8.000.
Umstrittener Erlass des scheidenden Umweltministers
"Die Studie stellt eine Momentaufnahme dar und zeigt deutlich den gleichen Trend wie früher", erläutert Tanczos Barna, der bis vor wenigen Tagen als Umweltminister in Rumänien im Amt war und im Rahmen eines Regierungswechsels seinen Posten abgegeben hat. "Nämlich, dass die Zahl der Bären in Rumänien steigt. Die Zahl der Anrufe bei den Behörden über die Sichtung eines Bären hat in den letzten sieben Jahren exponentiell zugenommen. Das Gleiche gilt für die Zahl der Angriffe, die Zahl der Schäden, die Höhe der Schäden – all diese Zahlen steigen in Rumänien Jahr für Jahr."
Bärenalarm via Warn-App
Immer wieder reißen die Bären Schafe, wühlen in Mülltonnen, dringen in Häuser und Ställe ein oder greifen zeltende Touristen an. In den Jahren 2021 und 2022 verzeichnete das Umweltministerium 47 Bärenangriffe auf Menschen. Manche Angriffe enden tödlich. Bei Gefahr in Verzug können inzwischen die Bürgermeister, unterstützt von einem lokalen Fachausschuss, kurzfristig entscheiden, ob ein Bär abgeschossen wird.
Nicht nur in der Nähe von entlegenen Bergdörfern und Bauernhöfen, sondern auch in Großstädten wie Brasov, das von den Karpaten umgegeben ist, zeigen sich Bären. Und jedes Mal, wenn ein Bär in einer Ortschaft gesichtet wird, klingelt es in den Hosentaschen der Einwohner. Seit einiger Zeit geht bei jeder Bärensichtung nämlich die staatliche Warn-App "Ro-Alert" los. Die Menschen sollen sich von den Tieren fernhalten.
Auch in Bayern wurden bereits Bären gesichtet. Ob im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, in Garmisch-Partenkirchen, Kufstein oder Mittenwald – immer wieder macht sich Aufregung breit, wenn in Bayern oder im Grenzgebiet zu Österreich ein Bär unterwegs ist.
Umweltschützer: Nicht Bären sind das Problem, sondern Menschen
In Rumänien hat es laut Umweltministerium zwischen 2016 und 2021 insgesamt 154 Bärenattacken auf Menschen gegeben. Die Behörde führt das ebenfalls auf die angeblich steigende Bären-Population zurück. Umweltschützer bezweifeln die Schätzung zur Zahl der Tiere. Sie glauben, die Bären verlassen ihr natürliches Habitat aus ganz anderen Gründen. Cristina Lapis betreibt in Zărneşti eine Bären-Auffangstation: "Eigentlich sind nicht die Bären das Problem, sondern die Menschen. Wenn wir ihre Wälder abholzen und ihnen die Nahrung wegnehmen, was können sie dann tun? Sie kommen an den Straßenrand."
In den Karpaten wird illegal Holz gerodet, Pilze und Waldbeeren werden für die Lebensmittelproduktion abgeerntet. Braunbären ernähren sich überwiegend pflanzlich. Der Eingriff in ihren Lebensraum beeinflusst also durchaus die Nahrungssuche.
Rumänien: Trophäenjagd seit 2016 verboten
Dazu kommt, dass in vielen Ortschaften lange Tiere angefüttert wurden, um sie für die Jagd anzulocken. Die Trophäenjagd hatte Rumänien 2016 verboten, die Tötung von hunderten sogenannter "Störbären" mit Ausnahmegenehmigungen aber erlaubt. Die Trophäenjagd war bis dahin war ein lukratives Geschäft. Die Jagdvereine kassierten je nach Exemplar mehrere Tausend Euro für einen Abschuss. Weil enge Mitarbeiter des ehemaligen Umweltministers Jäger sind und auch er der Szene nahestehen soll, vermutet Umweltschützer Gabriel Păun von der Organisation Agent Green daher einen anderen Grund hinter der hohen Zahl der genehmigten Abschüsse: "Es werden 486 überwiegend große männliche Bären zum Abschuss freigegeben, was genau im Interesse der Jagdindustrie ist."
Der aktuelle Vorstoß sei ein "zynischer Vorschlag, das Bärenmanagement durch kommerzielle Jagd" zu ersetzen, erklärte die rumänische Sektion der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Der in Rumänien verbreitete Braunbär gehört zu den 1.200 geschützten Tierarten in der Europäischen Union. Wie die neue Regierung mit den Bären umgeht, bleibt abzuwarten. Die Partei des bisherigen Umweltministers ist aus dem Kabinett ausgeschieden. Bis Mai 2024 aber gilt erst mal: "Feuer frei".
Mit Informationen von dpa und AFP.
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