Die Äußerung kommt überraschend. Das ZDF-Sommerinterview mit dem Kanzler neigt sich gerade seinem Ende zu, als Olaf Scholz noch etwas loswerden will. Von sich aus geht er auf die Diskussion über Friedensverhandlungen ein. Man müsse darüber sprechen, "wie wir aus dieser Kriegssituation doch zügiger zu einem Frieden kommen". Und der SPD-Politiker fügt auf Nachfrage der Moderatorin hinzu: "Es wird auf alle Fälle eine weitere Friedenskonferenz geben und der Präsident und ich sind einig, dass es auch eine sein muss mit Russland dabei."
Gemeint ist der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, mit dem sich Scholz vor wenigen Tagen in Frankfurt am Main getroffen hat. Bei dem Termin ging es unter anderem um "das gemeinsame Bemühen um einen […] dauerhaften Frieden für die Ukraine", wie es in einer Mitteilung der Bundesregierung heißt. Deutet das alles auf eine konkrete diplomatische Initiative zur Beendigung des Kriegs hin? Oder stecken taktische Überlegungen dahinter?
Scholz-Vorstoß zu Friedenskonferenz: CSU vermutet Taktik
Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag sieht den Scholz-Vorstoß skeptisch. "Das Bemühen um Frieden ist grundsätzlich sinnvoll", sagt Florian Hahn auf BR24-Anfrage, der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion. Doch aus Sicht des CSU-Politikers sind wichtige Fragen offen. Etwa die, ob der Kanzler sein Vorgehen mit der Regierung in Kiew abgestimmt hat. Einstweilen sei davon auszugehen, "dass es sich um ein Wahlkampfmanöver mit Blick auf die Wahl in Brandenburg" handle, so der Abgeordnete aus Oberbayern. In Potsdam wird in knapp zwei Wochen ein neuer Landtag gewählt – und die SPD will dort unter schwierigen Bedingungen die Staatskanzlei verteidigen.
Dass es einen solchen Zusammenhang geben könnte, weist die Bundesregierung zurück. "Wir sind in einem ständigen Austausch mit der Ukraine", betont Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittag. Ein "kontinuierlicher Prozess" sei das, der jetzt vorangetrieben werden müsse. Nach seinen Worten wurde bereits bei der zurückliegenden Friedenskonferenz in der Schweiz ein Folgetreffen ins Auge gefasst, bei dem auch Russland eingebunden sein sollte. Ein genauer Zeitpunkt dafür steht bisher nicht fest.
FDP begrüßt Vorschlag für Friedenskonferenz
In den Ampel-Reihen wird die Idee eines neuerlichen Treffens auf internationaler Ebene unterstützt. Das macht etwa der FDP-Verteidigungspolitiker Nils Gründer deutlich. Er begrüße den Vorschlag für eine Friedenskonferenz unter Einbeziehung Russlands, sagt der Oberpfälzer Abgeordnete BR24. Dann schiebt er allerdings nach: "Dabei darf innerdeutsche Parteipolitik keine Rolle spielen." Im Mittelpunkt müsse die Sicherheit der Ukraine stehen, so Gründer.
Der Zeitpunkt der Scholz-Äußerungen wirft auch für Christian Mölling Fragen auf. Im Gespräch mit BR24 führt der Sicherheitsexperte von der Bertelsmann-Stiftung das Timing des Kanzlers auf innenpolitische Faktoren zurück. Die eigene Partei sitze Scholz im Nacken, so Mölling mit Blick auf Forderungen aus der SPD-Fraktion nach einem verstärkten diplomatischen Engagement für einen Friedensschluss. Zudem treibe das Bündnis Sahra Wagenknecht die Regierung bei diesem Thema vor sich her. Nach den Erfolgen in Sachsen und Thüringen kann sich das BSW auch in Brandenburg Chancen ausrechnen, mit seinem Nein zu weiteren Waffenhilfen für Kiew zu punkten.
Experte sieht keine Anzeichen für russische Verhandlungsbereitschaft
Generell warnt der Politikwissenschaftler davor, den jüngsten Vorstoß allzu hoch zu hängen: Scholz habe schließlich nichts Neues gesagt. Außerdem erinnert Mölling daran, dass sich für Friedensverhandlungen auf Augenhöhe auch Moskau bewegen müsste – stattdessen aber setzt das Putin-Regime seine Angriffe auf die Ukraine fort. "Es gibt zurzeit nichts, was Russland anbietet", sagt Mölling. "Außer Granaten und Toten."
Der Kreml selbst reagiert zurückhaltend auf die Diskussion. Für eine "friedliche Beilegung des Konflikts in der Ukraine" zeichneten sich bislang "keine greifbaren Konturen ab", lässt der russische Machthaber über seinen Sprecher mitteilen. Die Hoffnung auf baldige Gespräche für einen Waffenstillstand dürfte also auf absehbare Zeit unerfüllt bleiben.
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