Der Kanzler fährt im Boxer vor, einem gepanzerten Transportfahrzeug. Leger gekleidet, Jeans, Wanderschuhe, kein Helm. Ein kurzer, kritischer Blick aus der Luke des Gefährts, dann geht es zusammen mit dem litauischen Präsidenten Gitanas Nausėda zur Truppenübung. Olaf Scholz (SPD) wird gleich selbst sehen, wie deutsche, französische und litauische Soldatinnen und Soldaten zusammenarbeiten, um Russland zu signalisieren: Die Ostflanke der Nato steht. Vor Scholz liegt die Weite der litauischen Landschaft, roter Sand, schweres Geläuf, es regnet.
Die Ostflanke der Nato verteidigen
"Augen nach links auf das gepanzerte Fahrzeug", kommt die Anweisung eines Soldaten unter lautem Maschinengewehrfeuer, "es nimmt den Feind unter Feuer". Olaf Scholz schaut sich das alles aus sicherer Entfernung an. Der Bundeskanzler sitzt mit dem litauischen Präsidenten Nausėda und Offizieren der Bundeswehr unter einer überdachten Tribüne auf dem Truppenübungsplatz von Pabradė. Von hier bis zur belarussischen Grenze ist es nicht weit, knapp zehn Kilometer nur. Mit einem Feldstecher bewaffnet, über den Ohren bundeswehrgrüne Ohrschützer, lässt er sich vorführen, dass alles wie am Schnürchen läuft. Mit dabei auch der Kommandant der 10. Panzerbrigade, Generalmajor Ruprecht Horst von Butler. "Wir demonstrieren hier, dass wir die Fähigkeit haben, jederzeit Kräfte an die Ostflanke des Bündnisses zu verlegen", sagt er dem ARD-Hauptstadtstudio.
Die Übung klappt vorschriftsmäßig, auch der Chef der litauischen Streitkräfte, General Valdemaras Rupsys ist zufrieden. Es sei essentiell, dass hier mit Deutschen, Niederländern und anderen Verbündeten Verteidigungsübungen durchgeführt würden.
Finanzierung der Brigade noch nicht vollständig gesichert
Für einen aber geht das alles hier nicht schnell genug, mit dem Aufbau der deutschen Brigade in Litauen, die frühestens 2027 vollumfänglich ihren Dienst leisten soll. Bisher ist lediglich ein Vorkommando von etwa 20 deutschen Soldaten vor Ort, ab dem kommenden Jahr soll das Kontingent schrittweise auf bis zu 4.800 Soldaten und 200 Zivilbeschäftigte aufgestockt werden. Sie sollen dann auch in Litauen wohnen, mitsamt ihren Familien. Das ist der Plan. Wobei nicht ganz sicher ist, dass der Plan des Bundesverteidigungsministeriums so schnell in die Tat umgesetzt werden kann.
Das ganze Unterfangen der Brigade kostet wohl um die zehn Milliarden Euro. Und die Haushaltsverhandlungen für das kommende Jahr haben gerade erst angefangen. Von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ist bekannt, dass er keine allzu große Neigung verspürt, noch mehr Geld locker zu machen.
Mehr Tempo bei der deutschen Brigade, fordert Litauen
Er begrüße die Fortschritte bei der Stationierung der Brigade, sagt Litauens Präsident Nausėda, aber das strategische Sicherheitsumfeld erfordere ein noch schnelleres Tempo: "Wir können uns nicht den Luxus leisten, auch nur eine Minute zu vergeuden." Olaf Scholz schweigt zu dieser Forderung des litauischen Präsidenten. Von ihm kommt nur, was er meistens sagt, wenn er nicht konkret werden will. "Deutschland steht unverrückbar an der Seite der baltischen Staaten. Das hat viele, viele Gründe, aber es ist ganz wichtig, dass wir sehr deutlich machen: Das ist ein ernsthaftes Engagement. Wir sind einander verpflichtet. Das gehört zu den Verständigungen, die wir in der Nato gefunden haben, und das bedeutet, dass wir einander Schutz gewähren und dass sich alle Staaten darauf verlassen können, dass wir jeden Zentimeter ihres Territoriums verteidigen werden."
Die Sicherheit der baltischen Staaten ist auch die Deutschlands
Jeden Zentimeter Nato-Terrain verteidigen, das hat der Bundeskanzler bereits im vergangenen Jahr gesagt, es sind stets die Worte des Bundeskanzlers, die er später auch in Lettland wiederholen wird. Beim Treffen mit den Ministerpräsidentinnen aller drei baltischen Staaten. Drei Frauen. Scholz fühlt sich nicht unwohl, umgeben von so geballter Politik-Weiblichkeit. Er lobt die starken Bande zwischen Deutschland und dem Baltikum und unterstreicht noch einmal: "Die Sicherheit unserer baltischen Verbündeten ist auch unsere Sicherheit". "Ein Angriff auf Euch", sagt er zu den drei Ministerpräsidentinnen, "das wäre auch ein Angriff auf uns alle". Und dazu dürfe es eben nicht kommen. Denn Freunde, so Scholz in Riga, stünden einander bei.
Zum Video: Bundeskanzler Scholz bei deutschen Soldaten in Litauen
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