Berlin, 26.06.24: Bundeskanzler Scholz (SPD) bei seiner Regierungserklärung im Bundestag.
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Berlin, 26.06.24: Bundeskanzler Scholz (SPD) bei seiner Regierungserklärung im Bundestag.

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Scholz im Bundestag: "So muss man das machen"

Der Kanzler nennt die EU-Wahl einen Einschnitt und beklagt einen Vertrauensverlust. Olaf Scholz wünscht sich mehr Zuversicht – fürs Land und wohl auch für die Ampel. Doch Aufbruchsstimmung will sich bei seiner Regierungserklärung nicht einstellen.

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Rund eine halbe Stunde hat der Kanzler im Bundestag gesprochen, jetzt sitzt er wieder auf der Regierungsbank und schaut in den Sitzungssaal. Die Abgeordneten seiner Ampel-Koalition klatschen freundlich, aber nicht überschwänglich. Dabei hätte etwas mehr Begeisterung im Regierungslager gut zur Überschrift gepasst, die Olaf Scholz seinem Auftritt an diesem Mittwochnachmittag gegeben hat: Zuversicht.

Daran mangelt es aus Sicht des Kanzlers im Augenblick. Grund seien die vielen Großkrisen der jüngeren Vergangenheit – von der Corona-Pandemie über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine bis zur hohen Inflation. Diese "ständigen Krisenerfahrungen" hätten das Vertrauen der Menschen in die Politik erschüttert, so Scholz. Das Ergebnis der EU-Wahl und das schlechte Abschneiden seiner SPD bezeichnet der Kanzler als einen Einschnitt. Und schiebt einen Appell nach, der sich wohl auch an die eigenen Leute richtet: "Wir müssen dafür sorgen, dass wieder Zuversicht wächst."

Scholz lobt Hightech-Standort Deutschland

Ungeachtet der Wahlschlappe stellt Scholz seiner Bundesregierung ein gutes Zeugnis aus. So verbucht er beispielsweise Milliardeninvestitionen von Hightech- und Digitalunternehmen als Erfolg. Allerdings ohne die Subventionen zu erwähnen, die der Bund zum Teil im Gegenzug gewährt. Auch beim Ausbau von Solarenergie und Stromtrassen geht es aus seiner Sicht voran. Und auf europäischer Ebene habe sich die Bundesregierung soeben erfolgreich dafür eingesetzt, im Streit über Strafzölle auf E-Autos doch nochmal mit China zu sprechen. "So muss man das machen, meine Damen und Herren."

Zurückhaltender äußert sich der Bundeskanzler zur Haushaltspolitik der Ampel. Eigentlich hatte sich die Koalition für die kommende Woche einen Kabinettsbeschluss zum Bundeshaushalt für nächstes Jahr vorgenommen. In den bisherigen Plänen klafft ein Milliardenloch – und noch streitet die FDP mit SPD und Grünen darüber, ob die Lösung nun in Einsparungen oder doch in neuen Schulden liegt. Scholz verspricht: "Wir werden den Haushaltsentwurf im Juli vorlegen." Auf einen bestimmten Termin will er sich angesichts der zähen koalitionsinternen Verhandlungen nicht festlegen.

CSU kritisiert Haushaltspolitik der Ampel

Eine offene Flanke, die die Opposition in der Aussprache für sich nutzt. "Sie haben keinen Plan, Sie haben keinen Haushaltsplan, Sie haben keine Idee und manche bezweifeln, ob Sie überhaupt noch eine Koalition haben", ruft Alexander Dobrindt dem Kanzler zu, der Chef der CSU-Abgeordneten im Bundestag. Die Unionsfraktion sei jedenfalls jederzeit dazu bereit, eine Vertrauensfrage von Scholz zu beantworten – ob während der parlamentarischen Sommerpause oder noch davor. Eine Verbalattacke, die Scholz reglos über sich ergehen lässt.

Aber natürlich weiß der SPD-Politiker, dass er unter Druck steht. Auch von innen: Seine eigene Fraktion will eine klare sozialdemokratische Handschrift im Haushalt 2025 vorfinden und warnt eindringlich vor Kürzungen im Sozialbereich. Und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat gerade erst im BR24-Interview zu erkennen gegeben, dass er auf alle Eventualitäten vorbereitet sei. Also auch auf einen Prozess hin zu etwaigen Neuwahlen, der mit einer solchen Vertrauensfrage eingeleitet werden könnte.

Grüne fordern von Union mehr Demut

Und so überlagern innenpolitische Debatten diese Aussprache im Bundestag, bei der es eigentlich um die anstehenden Gipfeltreffen von Europäischer Union und Nato gehen sollte. Für die Grünen ärgert sich Anton Hofreiter darüber, dass CDU und CSU aus seiner Sicht eine Mitverantwortung für die aktuellen sicherheitspolitischen Probleme leugnen. "Man könnte sich irgendwann mal entschuldigen für 16 Jahre Fehler in der Verteidigungspolitik", stellt der oberbayerische Abgeordnete mit Blick auf die Einsparungen bei der Bundeswehr in der Merkel-Ära fest.

Vertreter von BSW und AfD mahnen auch bei dieser Parlamentsdebatte eine diplomatische Lösung für den Krieg in der Ukraine an. Und zeigen sich auch diesmal von dem Argument unbeeindruckt, dass sofortige Verhandlungen möglicherweise auf eine Kapitulation Kiews und auf einen russischen Diktatfrieden hinauslaufen würden.

Viel Neues bringt die Diskussion an diesem Nachmittag also nicht hervor. Abgesehen davon, dass das Wort "Zuversicht" im Rhetorik-Baukasten des Kanzlers der berühmten "Zeitenwende" einstweilen den Rang abgelaufen hat. Ob Scholz mit dieser Strategie Erfolg hat, wird sich spätestens bei den anstehenden Landtagswahlen im Osten zeigen.

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