Es geht um Grundsätzliches bei dieser Bundestagsdebatte. Das wird gleich am Anfang deutlich, als Innenministerin Nancy Faeser am Rednerpult steht. Die SPD-Politikerin greift die oft verwendete Formulierung vom Verfassungsgericht als Hüter des Grundgesetzes auf. Aus Sicht von Faeser blickt das Gericht auf eine jahrzehntelange Erfolgsgeschichte zurück: "Die Grundrechte gelten, unsere Gewaltenteilung funktioniert, Machtkonzentration und Machtmissbrauch werden verhindert."
Innenministerin warnt vor Entwicklung wie in Osteuropa
Die Ministerin erinnert an die Entwicklung in manchen osteuropäischen Ländern, wo autoritäre Regierungen die Unabhängigkeit der Justiz untergraben hätten. Faeser nennt zwei Punkte, die ihr besonders wichtig sind. Zum einen geht es darum, dass sich das Gericht in zwei Senate gliedert – und dass dies jetzt im Grundgesetz festgeschrieben werden soll, wie auch andere Organisationsprinzipen. Bisher sind sie in einem einfachen Gesetz geregelt und könnten deshalb relativ leicht geändert werden. Hintergrund ist die Befürchtung, dass eine autoritäre Mehrheit im Parlament womöglich einen dritten Senat einrichten würde. Mit Gefolgsleuten, die politisch motivierte Entscheidungen treffen könnten.
Blockade des Verfassungsgerichts soll verhindert werden
Der zweite Punkt betrifft das Recht des Verfassungsgerichts, sich eine eigene Geschäftsordnung zu geben. Würde diese Möglichkeit wegfallen, könnte das Gericht zum Beispiel dazu gezwungen werden, Anträge nach Reihenfolge des Eingangs zu bearbeiten – und nicht nach politischer Bedeutsamkeit. Damit aber ließe sich die Arbeit der Richter blockieren, argumentieren die Befürworter der Änderungspläne.
CSU wirbt für Pläne zum Schutz des Verfassungsgerichts
Das Vorhaben geht auf eine Einigung von SPD, Grünen, FDP und Union zurück. Für die größte Oppositionsfraktion stellt die CSU-Politikerin Andrea Lindholz fest, die Vorschläge seien "wohlüberlegt": "Unser Bundesverfassungsgericht erhält damit die gleiche stabile Position in der Verfassung, wie sie die anderen Verfassungsorgane haben." Damit meint die Aschaffenburger Abgeordnete etwa die Bundesregierung oder den Bundestag selbst.
FDP erinnert an Lehren aus der NS-Zeit
Der frühere Justizminister Marco Buschmann sagt, dieser Donnerstag sei "ein guter Tag für die Demokratie". Die Demokraten im Parlament hätten bewiesen, dass sie beim Schutz des Rechtsstaats zusammenstünden. Der FDP-Politiker erinnert an das NS-Regime und an die Bedrohung durch einen Staat, "der sich jeder Mäßigung durch das Recht entledigt".
An dieser Stelle gibt es einen Zwischenruf aus den Reihen der AfD-Fraktion – nicht der erste in dieser Debatte. Auf der Pressetribüne ist das Wort "Corona" zu hören. Welchen Zusammenhang es zwischen dem Terror des NS-Regimes und der Politik zur Eindämmung der Pandemie geben sollte, bleibt unklar.
Kritik kommt von AfD und BSW
Aus Sicht der AfD geht es den Unterstützern der Pläne eigentlich darum, einen politischen Einfluss aufs Verfassungsgericht zu wahren. Der Abgeordnete Fabian Jacobi wirft ihnen vor, sie wollten das Gericht "weiter unter sich aufgeteilt halten".
Damit bezieht er sich auf eine Regelung, mit der eine Blockade der Richterwahl verhindert werden soll. Bundestag und Bundesrat wählen die Karlsruher Richter je zur Hälfte. Wenn nun eine autoritäre Mehrheit im Bundestag eine solche Wahl erschweren sollte, könnte künftig der Bundesrat einspringen – und umgekehrt. Ein Punkt, der auch dem BSW missfällt. Partei-Co-Chefin Amira Mohamed Ali spricht von einer "Arroganz der Herrschenden".
Grüne und Linke rufen zur Verteidigung der Demokratie auf
Die Grünen gehen zum Gegenangriff über. Der Abgeordnete Till Steffen mokiert sich über die AfD, die auch bei dieser Debatte "wieder so lautstark rumopfert". Die Partei löse keine Probleme, "sie ist das Problem". Steffen ruft dazu auf, die liberale Demokratie entschlossen zu verteidigen: "Wir Demokraten sind nicht doof." Zustimmung kommt auch von der Linken: Nach den Worten der Abgeordneten Clara Bünger wird das Verfassungsgericht mit den Plänen "widerstandsfähiger gegen Angriffe".
Am Ende kommt die nötige Zweidrittel-Mehrheit für die geplante Änderung des Grundgesetzes zustande. Stimmt auch der Bundesrat zu, kann das Vorhaben umgesetzt werden. Damit wäre das Gericht stärker in jenem Grundgesetz verankert, das die Richter schützen sollen.
Im Video: ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam äußert sich zur Grundgesetzänderung
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