Der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias) hat von 2019 bis 2023 über 7.600 antisemitische Vorfälle in Deutschland erfasst. Davon hatten 44 Prozent einen klar erkennbaren politischen Hintergrund gehabt. Das geht aus der Studie "Rechtsextremismus und Antisemitismus. Historische Entwicklung und aktuelle Ausdrucksformen" hervor, die am Mittwoch im Potsdamer Landtag vorgestellt wurde.
Rechtsextremismus häufigster Hintergrund
Insgesamt 2.284 Fälle und damit 17 Prozent seien dem Rechtsextremismus zuzuordnen. Damit ist er der häufigsten erfasste politische Hintergrund antisemitischer Vorfälle. Sechs Vorfälle extremer Gewalt, die Rias gemeldet wurden, hatten einen rechtsextremen Hintergrund, zum Beispiel der Anschlag auf die Synagoge in Halle 2019.
Zwölf Prozent der gemeldeten Fälle hätten einen "verschwörungsideologischen Hintergrund", neun Prozent gingen auf israelfeindlichen Aktivismus zurück. Zwei Prozent der Fälle werden "islamisch-islamistischen Akteuren" zugeschrieben.
Rechtsextreme instrumentalisieren 7. Oktober
Zwar sei seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 die Zahl von israel-bezogenem Antisemitismus in Bayern um über 1.000 Prozent gestiegen, so Rias Bayern. Laut Studie versuchen aber auch Rechtsextreme den 7. Oktober für sich zu nutzen. Sie wollen die Wahrnehmung von antisemitischen Tätern auf muslimische Migranten verlagern – "in der Hoffnung, Debatten um eine restriktivere Migrationspolitik anzustoßen und zu beeinflussen", so die Autoren der Studie.
Außerdem werde "das Sprechen über den 7. Oktober und über den arabisch-israelischen Konflikt zur Erinnerungsabwehr der Schoa genutzt, indem die Haltung der Bundesregierung in diesem Konflikt als Ausdruck eines angeblichen Schuldkults interpretiert wird."
Starker Anstieg von Antisemitismus registriert
Allein für das Jahr 2023 hat Rias bundesweit 4.782 antisemitische Vorfälle dokumentiert. Das sei ein Anstieg um etwa 83 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Mehr als die Hälfte der Vorfälle hätten sich nach dem 7. Oktober ereignet.
Auch das Bundeskriminalamt meldete einen Höchststand antisemitischer Straftaten für das vergangene Jahr. Bei der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus können Betroffene und Zeugen auch Vorfälle melden, die keinen Straftatbestand erfüllen.
Zeichen der Verbundenheit in München
Die Jüdischen Kulturtage in München, welche heute enden, versuchen sich dem entgegenzusetzen. Sie sollen ein Zeichen der Verbundenheit mit jüdischem Leben in der Stadt München sein. Und auch ein Zeichen gegen Antisemitismus. Sie werden seit 38 Jahren von der Gesellschaft zur Förderung Jüdischer Kultur und Tradition organisiert. "Mir ist sehr wichtig, dass wir dieses Miteinander, das Gemeinsame, den Zusammenhalt, dass wir das stärken und betonen", sagt Vorsitzende Judith Epstein im Interview mit dem BR.
Im Video: Aktionstag der Polizei gegen antisemitische Hasskriminalität (12.11.2024)
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