Nach den Worten von Bundeskanzler Olaf Scholz ist die Einheit von Ost- und Westdeutschland auch nach 34 Jahren noch nicht vollendet. Bei einem Festakt zum Tag der Deutschen Einheit in Mecklenburg-Vorpommern forderte der SPD-Politiker, die immer noch bestehenden Benachteiligungen in Ostdeutschland abzubauen. Wo immer Politik bessere Lebenschancen und gleichwertige Lebensverhältnisse schaffen könne, da müsse das geschehen, so der Kanzler.
Ostdeutsche Erfahrungen besser anerkennen
Ostdeutsche Erfahrungen müssten besser anerkannt werden, so Scholz: "Für Millionen war der Umbruch in den Jahren nach der Einheit vor allem ein Zusammenbruch", sagte der Bundeskanzler beim Festakt im Mecklenburgischen Staatstheater – nach einem ökumenischen Festgottesdienst im dortigen Dom. "Ein Zusammenbruch ihres gesamten bisherigen Lebens, so wie sie es gekannt und gelebt hatten. Eine Entwertung ihres Wissens, ihrer Erfahrungen, ihrer Lebensleistung." Diese Erfahrungen dürften "niemals vergessen oder unter den Teppich gekehrt werden", so Scholz. Hier würde wohl eine der Ursachen für die noch immer besondere Stimmung, die besondere Verstimmung liegen – und für politische Besonderheiten, die Ostdeutschland heute kennzeichnen.
Scholz: Unterschiede sind kein Makel
Scholz rief dazu auf, der Geschichte der Einheit neue Kapitel hinzuzufügen. Dass weiterhin Unterschiede zwischen Ost und West bestünden, dürfe nicht nur als Makel gesehen werden.
"Die Vorstellung, die Deutsche Einheit wäre dann 'vollendet', wenn der Osten irgendwann einheitlich exakt so ist wie der Westen - wo es doch diesen einen einheitlichen Westen gar nicht gibt - diese Vorstellung hilft uns im vereinten Deutschland tatsächlich nicht mehr weiter", sagte er. Sie würde nur für Verbitterung und für Frust sorgen, "weil sie gar nicht erreichbar oder erstrebenswert ist", fügte der Kanzler hinzu. "Unsere innere Vielfalt ist kein Defizit – sie ist eine besondere Stärke unseres Landes."
Scholz betonte aber auch, wie weit man gemeinsam vorangekommen sei in Deutschland. Schließlich habe man vor der Herausforderung gestanden, zwei über vier Jahrzehnte hinweg geteilte, völlig verschieden organisierte Gesellschaften zusammenzubringen – wirtschaftlich, politisch, kulturell und mental.
Im Rahmen der Bundesratspräsidentschaft richtete Schwerin unter dem Motto "Vereint Segel setzen" die zentralen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit aus.
Tausende Besucher in Mödlareuth
In Bayern kamen zum heutigen Tag der Deutschen Einheit mehrere Tausend Besucher auch in das Dorf Mödlareuth. Zwischen 1945 und 1989 war das 50-Einwohner-Dorf im Landkreis Hof durch die innerdeutsche Grenze samt Grenzanlagen geteilt – und ist damit ein wichtiger Symbolort für die Geschichte der deutschen Teilung.
Das bundesweit einzigartige Deutsch-Deutsche Museum Mödlareuth bot Führungen und Sonderausstellungen unter anderem zu den Prager Botschaftsflüchtlingen und der Ausweisung des DDR-Liedermachers Wolf Biermann an.
Innenminister Herrmann warnt vor Intoleranz
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) rief anlässlich des Tages der Deutschen Einheit zum Kampf für Demokratie und gegen Hass und Intoleranz auf. "Wenn die Toleranten zu lange tolerant sind gegenüber fanatisch Intoleranten, kann der Tag kommen, wo die Intoleranten die Macht übernehmen und die Toleranten gar nichts mehr zu sagen haben", betonte Herrmann bei der Kundgebung in Mödlareuth.
Das gelte für Linksextremisten genauso wie für Neonazis oder Islamisten, sagte der Minister. "Und deshalb brauchen wir eine wehrhafte Demokratie, die sich den Feinden der Freiheit entgegenstellt", fügte er hinzu.
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Mit Informationen von dpa.
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