Jetzt reicht es ihm: Nach zehn Jahren an der Spitze der Freien Wähler in Rheinland-Pfalz wirft Stephan Wefelscheid hin. "Schweren Herzens" trete er zum 31. Dezember als Landesvorsitzender zurück. Neben Querelen im eigenen Landesverband macht Wefelscheid dafür vor allem einen verantwortlich: den Bundesvorsitzenden Hubert Aiwanger, dessen Kurs und Rhetorik er offen kritisiert.
Nach Meinung des scheidenden Landeschefs haben die Freien Wähler sich in den vergangenen ein bis zwei Jahren zum Negativen verändert. Ein "Schlüsselelement" dafür sei Aiwangers Erdinger Rede im vergangenen Jahr gewesen, mit der Forderung, die "schweigende Mehrheit" müsse sich die Demokratie zurückholen.
Mahnung an Aiwanger: Nicht überall Feindbilder aufbauen
Wefelscheid betont, es sei kein Geheimnis, dass er "unglücklich" über die Art und Weise sei, wie sich Aiwanger in den vergangenen Monaten geäußert habe - auch bei den Bauernprotesten Anfang des Jahres. Die Politik müsse die Gesellschaft zusammenführen, statt "überall Feindbilder" aufzubauen.
Schon in den vergangenen Monaten hatte Wefelscheid den Parteichef immer wieder kritisiert. In der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt, das vor über 30 Jahren in der Schultasche Aiwangers gefunden worden war, meldete sich Wefelscheid im August 2023 als einer der ersten zu Wort und verlangte schnelle Aufklärung.
Vor dem Bundesparteitag im Februar forderte er dann von Aiwanger ein "klares Zeichen gegen rechts". Schließlich initiierte der Landeschef ein Kooperationsverbot mit der AfD, das der Parteitag mit großer Mehrheit beschloss. Auch Aiwanger sprach sich schließlich für das Kooperationsverbot aus. Dennoch war klar: Der Antrag war als Kritik an Aiwangers Kurs zu verstehen.
Grüne "kein Feindbild"
Kritik äußert Wefelscheid auch an Aiwangers Attacken auf die Grünen. Er selbst führe mit den Grünen in Rheinland-Pfalz harte Gefechte, sie seien für ihn aber "kein Feindbild", sagt der Landeschef. Wefelscheid würde mit allen Parteien Koalitionsverhandlungen führen - außer der AfD.
Aiwanger dagegen gibt immer wieder für den Bund eine "bürgerliche Koalition" aus Union und FW als Ziel aus, die Grünen müssten unbedingt raus aus der Regierung. Wefelscheid kritisiert das als "Diskursverengung", die seinen Vorstellungen widerspreche.
Schwindender Rückhalt
Wefelscheids Rücktritt hängt aber nicht nur mit dem Unmut über Aiwanger zusammen. In den vergangenen Monaten schwand sein Rückhalt in der Partei. Unter anderem wurde ihm ein "autoritärer Führungsstil" nachgesagt.
Deutlich wurde das Misstrauen gegen den Landeschef, als er kürzlich bei der Wahl des Fraktionsvorsitzenden einem weniger bekannten Freien Wähler unterlag. Beim Landesparteitag am Wochenende wurde er überraschend nicht zum Tagungspräsidenten gewählt. Das sei "ein Schlag in die Magengrube" gewesen, sagt er.
Aiwanger will in den Bundestag
Auch in Bayern äußern einige Freie Wähler immer wieder Unmut über Aiwanger, meist aber hinter vorgehaltener Hand. In den vergangenen Wochen hat der Parteichef seine Wortwahl zur Migrationspolitik noch einmal verschärft - ob in Reden oder in den sozialen Netzwerken.
Für Aiwanger zählt derzeit vor allem der Einzug in den Bundestag 2025. Dass sich die Partei in Mainz jetzt selbst zerlegt, ist für ihn problematisch. Rheinland-Pfalz galt neben Bayern als Vorzeige-Landesverband. Und die drei Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg waren aus FW-Sicht ernüchternd.
Inwiefern die Basis die Wahlniederlagen dem Parteichef ankreidet, wird sich beim Bundesparteitag im November zeigen. Dass Aiwanger erneut an die Spitze gewählt wird, bezweifelt niemand. Allerdings könnte es einen kleinen Dämpfer für ihn geben, sagt manch einer.
Aiwanger schweigt
Aiwanger selbst will sich auf BR-Anfrage vorerst nicht zur Kritik von Wefelscheid äußern. FW-Generalsekretär Gregor Voht bezeichnet den Rücktritt als "bedauerlich" und mahnt zur Einheit. "Ich bin sehr entschlossen, dass unser Kompass als Partei auch in der Zukunft auf die Mitte ausgerichtet bleibt." Bisher sei in der Partei genug Platz für einen konservativen Aiwanger und einen liberalen Wefelscheid gewesen, sagt Voht dem BR. "Ich arbeite dafür, dass es auch so bleibt."
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