Nach einer Welle mutmaßlicher Vergiftungsfälle bei Kindern und Jugendlichen will Tschechien Süßigkeiten mit dem Stoff Hexahydrocannabinol (HHC) verbieten. "Die Situation ist ernst und deshalb werden wir so schnell wie möglich eine Lösung finden", sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums der Agentur CTK zufolge in Prag. Man könne eigens eine Verordnung herausgeben oder den Stoff auf eine bestehende Liste verbotener Drogen setzen.
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Vermehrt Vergiftungen in Kindern bei Jugendlichen
Vor allem in der nordwestlichen Verwaltungsregion um Karlsbad (Karlovy Vary) an den Grenzen zu Sachsen und Bayern hatten Ärzte zuletzt vermehrt über Vergiftungen oder Unverträglichkeitsreaktionen bei Kindern und Jugendlichen (Externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt) berichtet, die Süßigkeiten wie Bonbons mit HHC konsumiert hatten.
Allein am zurückliegenden Wochenende soll der Rettungsdienst dort siebenmal zu solchen Fällen ausgerückt sein. Die Mediziner berichteten von Bewusstseinsstörungen, Stimmungsschwankungen, Übelkeit und Anzeichen von Aggressivität. Die tschechische Polizei hat Ermittlungen aufgenommen.
Kaum Fälle in Bayern
In Deutschland und auch Bayern sind Anfragen zu HHC und anderen synthetischen Cannabinoiden über alle Altersgruppen im Vergleich zu echtem THC/Cannabis eher selten, teilte der Giftnotruf München, der an die Abteilung für Klinische Toxikologie am Universitätsklinikum rechts der Isar angegliedert ist, BR24 mit. Ein ungewöhnlicher Anstieg lasse sich nicht feststellen. "Es ist allerdings eine gewisse Dunkelziffer möglich, da sich die Symptome von Cannabis und Cannabinoiden klinisch praktisch nicht unterscheiden lassen", so die Experten.
Speziell zu HHC-haltigen Süßigkeiten habe es beim Giftnotruf bislang lediglich eine Anfrage gegeben: Betroffen sei im Oktober 2023 ein 17-Jähriger im Allgäu gewesen. Er musste ins Krankenhaus. Darüber hinaus habe es eine weitere Anfrage im Dezember 2023 bezüglich eines 12-Jährigen gegeben, der HHC "gedampft" hatte und ebenfalls im Krankenhaus untersucht werden musste.
💡 HHC: psychoaktiv und wenig erforscht
Hexahydrocannabinol ist ein psychoaktives Cannabinoid. Seine Wirkung auf den Menschen und mögliche Giftigkeit ist jedoch aufgrund der aktuell geringen Datenlage laut des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) wenig erforscht. Erkenntnisse aus bisherigen Studien und Erfahrungsberichten zufolge kann HHC, ähnlich wie THC aus Cannabis, einen Rauschzustand auslösen – wenn auch nach größeren Mengen. Die Substanz wird in Produkten wie E-Zigaretten, Ölen, aber auch weingummiartigen Produkten und Nahrungsergänzungsmitteln angeboten.
HHC-Präparate außerhalb der Reichweite von Kindern aufbewahren
Ende 2023 hatte das Giftinformationszentrum in Erfurt zur Vorsicht bei Nahrungsergänzungsmitteln in Form von Fruchtgummis gewarnt. Es bestehe die Gefahr, dass Kinder die Gummibärchen für normale Süßigkeiten halten und diese dann in größeren Mengen naschen, sagte die Leiterin des Giftinformationszentrums in Erfurt, Dagmar Prasa, der dpa und riet: Derartige Präparate sollten stets außerhalb der Reichweite von Kindern aufbewahrt werden.
Wie sich der Konsum von HHC-haltigen Lebensmitteln bei Kindern gesundheitlich auswirkt, lässt sich laut Bundesinstitut für Risikobewertung nicht sicher beurteilen. Schwerwiegende Vergiftungen müssen aber in Betracht gezogen werden.
LGL: HHC-haltige Lebensmittel "nicht verkehrsfähig"
Grundsätzlich sind HHC-haltige Lebensmittel nach lebensmittelrechtlichen Vorgaben "nicht verkehrsfähig", wie das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) auf Anfrage von BR24 mitteilte. Das heißt, HHC-haltige Lebensmittel dürfen nicht rechtmäßig verkauft werden.
Sollten jedoch im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung HHC-haltige Lebensmittel entdeckt werden, müssen diese der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde gemeldet und aus dem Verkauf genommen werden. Im Falle einer möglichen Gefährdung für die Gesundheit werden die Produkte zudem online auf lebensmittelwarnung.de (externer Link) ausgewiesen.
HHC in Deutschland: Bislang legal
In Deutschland wird das Cannabinoid nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) von den einschlägigen Gesetzen wie dem Betäubungsmittelgesetz und dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz bisher nicht erfasst. In anderen Ländern wie Österreich und Finnland sind Handel und Herstellung bereits verboten.
Zuletzt wurde am 4. Dezember 2023 in der 59. Sitzung des Sachverständigenausschusses für Betäubungsmittel und Neue-psychoaktive-Stoffe die Erweiterung des Gesetzes in Hinblick auf HHC diskutiert, allerdings bisher nicht umgesetzt. Mit der Aufnahme von HHC in die Rechtsverordnung würde der Handel, die Herstellung und das "in den Verkehr bringen" des Stoffes verboten werden.
HHC erschien laut BfR Ende des Jahres 2021 auf dem US-amerikanischen Drogenmarkt. In Europa wurden Funde erstmals im Mai 2022 berichtet. Bis Dezember 2022 waren HHC-Produkte bereits in 70 Prozent der EU-Mitgliedsstaaten zu finden.
Mit Informationen von dpa
Dieser Artikel ist erstmals am 07.02.2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel am 9.02.2024 aktualisiert mit Informationen des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) ergänzt und erneut publiziert.
Im Video: Legaler Rausch: Wie gefährlich ist HHC?
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